Tag der Befreiung

Stories
320 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783630877020
Erscheinungsdatum 13.03.2024
Genre Belletristik/Erzählende Literatur
Verlag Luchterhand
Übersetzung Frank Heibert
Sammlung Besser lesen mit dem FALTER - Die Bücher zum Podcast Folge 101-
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Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Straße 28 | DE-81673 München
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Kurzbeschreibung des Verlags


George Saunders, der "König der Kurzgeschichte" (NZZ), erzählt einfühlsam und virtuos von den Gefängnissen, in denen wir stecken - den realen wie den eingebildeten.


"Tag der Befreiung" versammelt so virtuose wie einfühlsame Erzählungen über die Gefängnisse, in denen wir stecken, die ganz realen und die eingebildeten. Sie handeln von Macht und Moral, Liebe und Verlust, von der Sehnsucht nach menschlicher Verbindung und dem Versuch, sich von allem zu befreien. Und davon, dass die Befreiung manchmal die noch größere Katastrophe ist.George Saunders erzählt mir großer Klarsicht von einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft: Da ist der Großvater, der in einer nicht allzu fernen dystopischen Zukunft einen Brief mit einer zärtlichen Warnung an seinen Enkel schreibt. Oder die Mutter, die ein Unrecht an ihrem Sohn sühnen möchte, dabei jedoch nur noch größeres Unrecht verursacht. Oder der Obdachlose, der sich zu einer Gehirnwäsche bereiterklärt und doch eingeholt wird von seinem früheren Leben. Oder der unterirdische Vergnügungspark, in dem Hölle gespielt wird und der alles auf die Probe stellt, was wir für die Wirklichkeit halten...

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ISBN 9783630877020
Erscheinungsdatum 13.03.2024
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FALTER-Rezension

In den Köpfen kaputter Typen

Klaus Nüchtern in FALTER 24/2024 vom 14.06.2024 (S. 31)

Lange Zeit schien es so, als wäre Claire Keegan das Schicksal eines Writer 's Writer beschieden, die vor allem von der Kollegenschaft geschätzt und gelesen wird. Weltweite Aufmerksamkeit lukrierte sie erst, als sich das Filmbusiness für sie interessierte. "The Quiet Girl", die Leinwandadaption ihrer Erzählung "Foster" von 2010 (dt.:"Das dritte Licht", 2013), zählte zu den schönsten und berührendsten Filmen des vergangenen Jahres und war für einen Oscar nominiert. Und die Berlinale eröffnete heuer im Jänner mit der gleichnamigen Verfilmung von Keegans Weihnachtsgeschichte "Small Things Like These"(2022; dt.:"Kleine Dinge wie diese"), für die sich der Schauspielstar und bekennende Keegan-Fan Cillian Murphy die Hauptrolle gesichert hatte.
Mit ihrer jüngsten Erzählung, "Reichlich spät", hat sich Keegan nun selbst über-beziehungsweise unterboten: Mit 50 luftig gesetzten Seiten ist "So Late in the Day", so der Titel des Originals, die schmalste Publikation der auf ausgesprochen schlanke Formate spezialisierten Mittfünfzigerin, deren Gesamtwerk gerade einmal 700 Seiten umfasst.

Wie der berühmteste (und sehr viel dickere) Roman ihres Landsmanns James Joyce spielt auch "Reichlich spät" an einem einzigen Sommertag in Dublin und erzählt von einem Mann namens Cathal, über den man zunächst nicht viel mehr erfährt, als dass er Bildschirmarbeit in einem Büro erledigt, einen um zehn Jahre jüngeren Chef hat und Jackett, Krawatte sowie ungeputzte Schuhe trägt.

"Der liebe Gott steckt im Detail" wusste der deutsche Kulturwissenschaftler Aby Warburg, und Claire Keegan weiß um die Triftigkeit dieser Maxime ebenso wie um jene aller guten Literatur: "Show, don't tell."

Ganz nahe an alltäglichen Verrichtungen wie Busfahren, Klogang und Kühlschranköffnen enthüllt sie in einem furiosen narrativen Crescendo peu à peu die Lebensumstände ihres Protagonisten, der einem dabei zusehends unsympathischer wird -wobei sich die Erzählerin jeglichen auktorialen Kommentars enthält. Eine Außenperspektive wird nur durch die Erinnerungen an Sabine bereitgestellt, die Cathal vor einem Jahr kennengelernt und der er schließlich mit den dürren Worten "Warum heiraten wir nicht?" eine Art Antrag macht.

In der französischen Übersetzung trägt "So Late in the Day" den schlichten Titel "Misogynie" - und genau dieses Thema wird hier ebenso unverblümt wie subtil verhandelt. Dabei ist Cathal gar kein sonderlich maligner Repräsentant toxischer Männlichkeit, eher ein ordinary Irish bloke, der spricht, denkt und handelt wie viele seiner Geschlechtsgenossen. Die Essenz von Frauenfeindlichkeit, so setzt ihm die Gattin in spe einmal auseinander, bestünde in der Unfähigkeit zu geben. Und damit hat Cathal definitiv ein Problem: Dass er für das halbe Kilo Kirschen, mit dem Sabine etwas backen wird, das außen verbrannt, innen aber roh ist und sich Tarte Clafoutis nennt, bei Lidl sechs Euro berappen muss, wurmt ihn zutiefst.

Für ihren US-amerikanischen, um zehn Jahre älteren Kollegen George Saunders ist Claire Keegan schlicht "one of the greatest fiction writers in the world". Saunders hatte "Reichlich spät" ausgewählt, um die Erzählung in einem Podcast des New Yorker zu besprechen, sich dann aber entgegen allen Usancen geweigert, sie selbst einzulesen, weil er das Wort "cunt" (dt.: "Fotze") nicht in den Mund nehmen wollte.

Dabei ist Saunders als Autor alles andere als zartbesaitet - wie sein ebenfalls gerade auf Deutsch erschienener Erzählband "Tag der Befreiung" einmal mehr belegt. Die über 80 Seiten lange Titelgeschichte ist eine düstere und einigermaßen schwer durchschaubare Dystopie, in der eine Gruppe von neurologisch manipulierten Menschen ein immersives Reenactment der Schlacht am Little Big Horn performt, in der die Truppen General Custers von den Native Americans unter Sitting Bull und Crazy Horse niedergemetzelt wurden. Saunders sinistre Szenarien skizzieren Systeme des Überwachens und Strafens, welche die subalternen Subjekte einer permanenten (Selbst-)Kontrolle unterwerfen. Die Geschichte "Ghul" spielt buchstäblich in einer Unterwelt, deren Bewohner Darsteller in einer Art High-Tech-Geisterbahn mit rigider Rollenverteilung sind, für die es aber womöglich - tabuisiertester aller Gedanken! - gar kein Publikum gibt.

Anklänge an Orwells "1984" sind nicht zu übersehen, und mitunter lesen sich Saunders' Stories, als hätte Clemens Setz ein Mash-up aus Kafkas "Strafkolonie" und den Romanen des SF-Paranoikers Philip K. Dick ersonnen. Als Antidot zu den dunkelschwarzen Totalitarismus-Fantasien enthält "Tag der Befreiung" aber auch eine Reihe von Geschichten, die stärker im vertrauten Alltag verankert, indes kaum weniger böse sind.

Am keeganeskesten und besten ist "Eine Sache der Arbeit", deren Schauplatz, ein Büro, als ein einziges Biotop der Verkommenheit erscheint: Hier regieren Intrige, Denunziation, Unterschleif und Ehebruch. Erzähltechnischer Clou dieses literarischen Gustostückerls ist der Umstand, dass es strikt aus Sicht der drei Hauptcharaktere und vielfach in erlebter Rede erzählt wird; wobei die Kollision der Perspektiven, vor allem aber die Differenz zwischen Gesagtem und Gedachtem nicht nur ein beträchtliches Maß an Komik produziert, sondern darüber hinaus auch ein gestochen scharfes Sozio-und Psychogramm der Dienstleistungsgesellschaft entwirft.

Die Hackordnung ist an sich klar, wird aber dadurch verkompliziert, dass alle krampfhaft darum bemüht sind, gegenüber den anderen und sich selbst besser dazustehen, als sie sind. Brenda, nicht eben die hellste Birne in Gottes Kronleuchter, versucht ihrer permanent klammen Lage Herr zu werden, indem sie Kaffeekapseln und Handtücher klaut; was ihrer Kollegin Genevieve nicht entgeht, die freilich ihrerseits den Mittagspausensex mit einem Kunden als Arbeitszeit verrechnet; worum wieder ihr Chef weiß, bei dem sie sich einzuschleimen sucht, was allerdings ziemlich danebengeht: "Na super. Jetzt sah Tim sie, Gen, als den Snob, der auf gute Weine und hausgemachte Senfsorten stand und gern auf der weißen Proll-Lady rumhackte, wenn die schon am Boden lag? Eine oberflächliche Elitäre, die die Wohnmobil-Tussi disste?"

George Saunders macht sich keine Illusionen über das Mängelwesen Mensch, widersteht aber den Anfechtungen wohlfeiler Misanthropie. Noch in aussichtslosen Situationen beweisen seine (Anti-)Helden die Fähigkeit zur Empathie und stellen sich, wie der Protagonist aus "Ghul", eine Frage, die sichtlich auch den Autor umtreibt: "Ist diese Welt, die wir erschaffen haben, eine Welt, in der es Liebenden gut gehen darf?"

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