

Österreich: Leistungsfähig oder abgesandelt?
Markus Marterbauer in FALTER 39/2025 vom 24.09.2025 (S. 19)
Der Wirtschaftsstandort Österreich wird schlechtgeredet, meist kommen darin einseitige wirtschaftliche Interessen zum Ausdruck. Das ist gefährlich, weil sich Prophezeiungen oft selbst erfüllen: Glauben die Unternehmen den pessimistischen Lobbys, dann investieren sie nicht, fallen technologisch zurück und der Standort verschlechtert sich tatsächlich.
Deshalb ist eine Standortbestimmung von wissenschaftlicher Seite gefragt, die die Dinge geraderückt. Erfahrene Forscherinnen und Forscher des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) haben diese Aufgabe in ihrem Band "Wirtschaftsstandort Österreich: Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung" übernommen. Sie definieren Wettbewerbsfähigkeit als "die Fähigkeit eines Wirtschaftssystems, unter sich ständig verändernden und gestaltbaren Rahmenbedingungen nachhaltig hohe Realeinkommen zu schaffen und die sozialen und ökologischen Lebensbedingungen zu verbessern". Das ist ein vielversprechender Zugang, denn er verbindet wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit sozialem Ausgleich und ökologischer Transformation. Sie vergleichen Österreich mit anderen Ländergruppen, meist der EU und einer fortgeschrittenen Staatengruppe, die sie "Be-NeScand" taufen (Belgien, Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden).
Die wichtigsten Ergebnisse der umfassenden Bestandsaufnahme: Österreich ist immer noch ein leistungsfähiger Wirtschaftsstandort mit vielen spezialisierten Unternehmen. Dazu kommen ein hohes Ausbildungsniveau und eine gute Infrastruktur, ein relativ gut funktionierender sozialer Ausgleich und eine geringe Treibhausgasintensität. Aber in den letzten Jahren hat dieser Standort gegenüber den Vergleichsländern an Terrain verloren. Daraus ergibt sich eine Reihe konkreter Empfehlungen, derer hier nur einige angeführt werden können.
Dem geringen Anteil an wissensintensiven Branchen soll mit mehr Innovation und Digitalisierung begegnet werden. Den vielen etablierten und auf den Weltmärkten erfolgreichen Unternehmen stehen zu wenige junge Unternehmen gegenüber. Deshalb ist mehr Finanzierung über Risikokapital notwendig. In vielen Bereichen ist der Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu gering. Die Bundeswettbewerbsbehörde muss gestärkt werden.
Das Vertrauen in öffentliche Institutionen ist merklich zurückgegangen: Wir brauchen mehr Transparenz und die konsequente Bekämpfung von Korruption und Steuerbetrug. Der Anteil der gesunden Lebensjahre ist zu niedrig. Das schmälert das individuelle Wohlbefinden und das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial. Die Gesundheitsprävention muss gestärkt, chronische Erkrankungen zurückgedrängt werden. Die Beschäftigung ist hoch und produktiv, doch viele Jugendliche sind weder in Ausbildung noch in Beschäftigung, viele Jobs bieten nur schlechte Löhne, die Beschäftigung Älterer ist immer noch zu niedrig und die Betriebe sind in der Weiterbildung zu wenig aktiv.
Die österreichische Wirtschaft ist nicht treibhausgasintensiv, aber die klimaschädlichen Emissionen gehen viel zu langsam zurück. Flächenverbrauch und Bodenversiegelung sind viel zu hoch. Der Ausbau von Windkraft und Pumpspeicherkraftwerken muss beschleunigt werden, denn billiger Strom ist entscheidend für den Industriestandort und das Gelingen der Transformation.
Die guten Ausgangsbedingungen böten also eine Chance für weitere Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Vorschläge des Wifo sind dabei die bessere Leitlinie als düstere Prophezeiungen der Lobbys.