

Garstiges zur Lage der Nation
Tiz Schaffer in FALTER 41/2014 vom 10.10.2014 (S. 14)
Peter Rosei schlägt sich in seinem neuen Roman "Die Globalisten" mit Emporkömmlingen und verlotterten Dichtern herum
Ein Titel wie "Die Globalisten" lässt eine ordentliche Schwarte vermuten. Vielleicht einen tausendseitigen, hochkomplexen Roman, der ein Szenario zwischen entfesseltem Finanzkapitalismus, transnationalem Schurkentum und nach Möglichkeit Cyberkriminalität entwickelt.
Tatsächlich aber findet in dem schmalen Büchlein eine arglistige Old-School-Burleske auf 160 Seiten ihren Platz, die als Parabel über die Verfasstheit der österreichischen Gesellschaft berichten möchte – selbst wenn die flotten Szenenwechsel neben dem Grundlsee und natürlich Wien auch an Orte wie Sankt Petersburg, Zürich, Paris oder Bukarest geleiten.
Windige Geschäftemacher, ausgeschlafene Parvenüs und gelackte Opportunisten: Das Personal des neuen Romans hat der Wiener Peter Rosei, Doktor der Rechtswissenschaften und Verfasser von rund 50 Büchern, mit Bedacht gewählt. Zufällig fügt es sich, dass der hochstaplerische TV-Produzent Alfred Wallauschek und der verlotterte Dichter Josef Maria Wassertheurer am Grundlsee in Klausur gehen, um mit dem Geld des biederen Bonzen Adolphe Weill an "einem gewaltigen Kunstwerk" zu arbeiten.
Nichts weniger als "die Komödie der Menschheit" schwebt Wassertheurer vor, der als Drehbuchschreiber, wenn überhaupt, nur unter Einfluss von Alkohol etwas zu Papier bringt. Die Geschichte bringt Rosei mit Schlagseite zu einem antiquierten, aber doch exquisiten Schreibstil auf den Boden. Austriazismen sowie allerlei derbes Wortgut – harmonisch eingearbeitet – dürfen da nicht fehlen.
"Die Globalisten" wird als Roman ausgewiesen. Allerdings ist es einer mit großem Mut zur Lücke, dominiert von Dialogen. In sechs Abschnitte gegliedert, lässt der Plot vieles im Ungefähren: Denn wie dieses wahnwitzige TV-Projekt nun im Konkreten aussieht, hätte aussehen können – nie würde man auf den Gedanken kommen, das Unterfangen könnte klappen –, führt Rosei nicht aus.
Auch manch andere Hintergründe lässt er unbeleuchtet: Was genau hat eigentlich der mafiöse Russe, genannt Herr Tschernomyrdin – er bricht Backenknochen und Finger –, mit der Sache zu schaffen? Und warum macht dieser Weill letztlich als Politiker Karriere? Allerdings ist es kein Schaden, wenn sich die Geschehnisse nicht bis ins letzte Detail erschließen. Man kann sich das meiste schon vorstellen.
Die Keime für die Fäulnis der Gesellschaft findet man in diesem galligen "Satyrspiel" (so der Verlag) ohnehin nicht etwa in einer Entflechtung von Politik, Wirtschaft und Kriminalität; sondern in der Geltungs- und Großmannssucht, der fehlenden Moral der Figuren; in der öligen Selbstverständlichkeit, mit der die Emporkömmlinge ihren Charakter bloßstellen ("Ich habe beste Beziehungen rund um die Kugel. Nach Russland und Asien speziell, aber auch nach Afrika. In meinen Augen sind Neger auch Menschen"); und in den mit großer Geste angetragenen philosophischen Plattitüden ("Drei Dinge treiben den Menschen in den Wahnsinn: die Liebe, die Eifersucht und die Börsenkurse, pflege ich zu sagen"), die die Geschäftsleute einander beibringen, bevor ein schwindliger Handel besiegelt wird.
Nur scheinen Typen wie Wallauschek oder Weill weniger Opfer eines nicht zu durchblickenden, abstrakten Gesellschaftssystems zu sein – sie sind das System. Es offenbart sich in ihrer Geschwätzigkeit, die Rosei kunstvoll inszeniert. In diesem System sind Frauen bloß als präfeministisches Klischee zugegen – lasziv und anmutig, die Verführungskunst ist ihre Macht.
Nach seinen letzten Romanen "Geld!" und "Madame Stern" führt Rosei mit "Die Globalisten" sein erzählerisches Großprojekt fort, ein österreichisches Sittenbild der letzten Jahrzehnte zu entwerfen und damit vor allem Aufsteiger ins rechte Licht zu rücken.
In einem Interview mit dem Falter bezeichnete der Autor seine letzten Bücher als eine Sammlung von Untersuchungen und suchte damit den Vergleich zu Honoré de Balzac ("La Comédie humaine"). Da diese Untersuchungen augenscheinlich recht Garstiges zutage fördern, ist es letztlich beinahe eine Perfidie, dass Roseis Schreibe runtergeht wie ein Gläschen Portwein.