Das Lachen der Täter: Breivik u.a.

Psychogramm der Tötungslust. Unruhe bewahren
248 Seiten, Hardcover
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Reihe Unruhe bewahren
ISBN 9783701716371
Erscheinungsdatum 24.03.2015
Genre Belletristik/Erzählende Literatur
Verlag Residenz
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Mühlstraße 7 | AT-5023 Salzburg
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Kurzbeschreibung des Verlags

Vom Lachen der Killer wird in zahlreichen Fällen erzählt, auch die deutschen Wehrmachtssoldaten sollen einander in englischer Kriegsgefangenschaft ihre Gräueltaten mit großer Heiterkeit berichtet haben. Hinter dem Lachen verbirgt sich aber auch die andere Seite der Tötungslust: die kalte Rationalität der Rede, wenn die Täter ihre Taten öffentlich begründen. So kommt Anders Breiviks Verteidigung vor Gericht dem Text eines Statistikseminars über Einwandererzahlen in Norwegen nahe. Theweleits Essay entlarvt die Begründungssprache als Deckmantel der Tötungslust, denn, so die provokante Kritik des Autors, „begründen“ lässt sich alles, doch glauben sollte man davon eher nichts.

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FALTER-Rezension

Über den Schlächter und sein Gelächter

Marianne Schreck in FALTER 37/2015 vom 09.09.2015 (S. 17)

Der deutsche Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit über lachende Mörder und die Tötungsinszenierung des Islamischen Staats

Frauen fließen. Männer schießen“ – unter diesem Titel verfasste der ehemalige Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein 1977 jenen Artikel, der für den Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit mediales Katapult zum Pop-Phänomen wurde. In „Männerphantasien“ ging er der Frage nach, welche Gewaltfantasien die Freikorps-Literatur der 1920er-Jahre prägten. Freikorps nennt man jene paramilitärischen Einheiten, die aus ehemaligen Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges rekrutiert wurden und von einer extrem restaurativen Haltung durchdrungen waren. Theweleits Sukkus aus alldem: Frauen sind überwiegend Opfer des von Gewalt geprägten patriarchalen Systems und eingekeilt in die beiden zutiefst repressiven moralisch-sexuellen Kategorien „rein“ oder „geil“.
In den 1970er-Jahren schien sein Werk einen gesellschaftlichen Nerv zu treffen, sich (als Mann) den eigenen destruktiven Seiten zu stellen, womit eine Art Erlösungsgedanke der intellektuellen Linken von im Unbewussten abgelagerten NS-Ideologie-Relikten einherging. Es gilt seitdem auch als „theoretischer Startschuss“ für die heutige Männerforschung. Aber wo sind die Frauen als Täterinnen geblieben?

Warum lacht der Täter?
Fast 40 Jahre später geht Theweleit in „Das Lachen der Täter“ programmatisch der Frage nach, warum Menschen, die töten, lachen (siehe dazu auch: Feuilletonschwerpunkt zu Jack Unterweger auf Seite 26). Sein Ergebnis: Es geht beim Töten um einen Ausgleich von Spannungen, die Menschen in sich tragen, wenn sie im Laufe ihres Lebens durch Traumata psychisch „defragmentiert“ wurden. Er vergleicht diese kaputte Situation mit jenen Ereignissen, die andere, glückliche Menschen sonst mit dem Liebesakt oder der Rezeption von Musik erleben. „Energetisch“ seien das ähnliche Situationen, mit dem Unterschied, dass die involvierten Körper „anders organisiert“ seien.
Was nur als Nische existiert, ist der Täterinnen-Begriff: Waren Frauen, wie die nicht verurteilte Rechtsextremistin Beate Zschäpe, direkt an der Ausführung von Morden an Migranten in Deutschland beteiligt, so ist das „Psychogramm“ bei der RTLM-Radiomoderatorin Valérie Bemeriki in Ruanda der 1990er-Jahre differenzierter. Sie hat mit ihren Hassreden einen Raum geschaffen, der den Genozid an den Tutsis ermöglichte. Sie dementiert bis heute ihre Schuld am Massenmord. Auch namenlose Girls aus dem Film „Die Mädchenbanden von L.A.“, die sich kichernd damit brüsten, jemanden in den Hals gestochen zu haben, zieht er heran, um die Transformation des Täterbegriffs hin zum Weiblichen zu kennzeichnen. Diese Beispiele reichen jedoch kaum aus, um die Komplexität weiblichen Mordens auf theoretischer Ebene zu erklären. Seine These des Lachens hinkt jedenfalls bei jenen „IS-Postergirls“ aus Wien-Favoriten, die sich dem Dschihad in Syrien verschrieben haben. Sie sind dem „sinnlosen Gelächter“ ihrer Generation entflohen.

Der beschädigte Glücksmoment
Theweleit arbeitet mit Männerfantasien, erweitert um die vielen „medialen“ Stimmen und Beispiele: zentral – „frei flottierender SS-Mann“ Anders Breivik, indonesische Kindersoldaten, Henry Fonda als Figur des Kindermörders in „Spiel mir das Lied vom Tod“. Collageartig fügt er an­ein­an­der, was seiner Ansicht nach verwandt ist und seiner These dient: Ideologien sind bei den Tötungsinszenierungen austauschbar. Der IS vollzieht Morde, und sie unterscheiden sich in ihrem Wesen nicht von jenen, die etwa Hutus an Tutsis in Ruanda begangen haben. Ihnen ist etwas Universelles gemeinsam: der beschädigte Glücksmoment, das orgiastische Gelächter.
Dazwischen baute Theweleit Theorieblöcke ein, um etwa Neuronen zu beschreiben. Sie sind dafür zuständig, die Erfahrungen eines Menschen auf biochemischer Ebene im Gehirn abzubilden, die handlungsweisende Räume schaffen. Lehrmeisterlich wirkt er in jenen Passagen, wo er etwa auf einen Text der Schriftstellerin Susan Sontag über das US-Foltergefängnis Abu Ghraib­ reagiert, indem er auf eine Originalpassage direkt in einer Art Korrekturmodus antwortet. Es wirkt, als wolle er nachdrücklich sichergehen, verstanden zu werden. Sympathisch ist das nicht. Muss es auch nicht sein. Es passt zum Thema.
Seine ironische Erzählstimme, die zwar auf der „richtigen Seite“ positioniert ist, bewirkt, dass man sich an vielen Stellen mit der Unerträglichkeit des Themas maßlos konfrontiert sieht.

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