
Schlechten Menschen geht es immer gut
Dominika Meindl in FALTER 11/2018 vom 14.03.2018 (S. 10)
Mit dem Schandmaul ihres ebenso ungustigen wie lustigen Helden betreibt Cordula Simon Bobo-Bashing, bis der Latte klumpt
Mit rezenten Invektiven ist Cordula Simons „Held“ gut vertraut. Männer sind Sackläuse, Schlepphoden oder Buttergolems, Frauen Saftschnecken, Bückfleisch, Aufmerksamkeitsnutten, Flatter- und skandalgeile Bitterfotzen.
Keine Frage, da wurde einer vom Leben gekränkt. Es ist schon gemein genug, wegen ein paar Telefonaten während der Dienstzeit fristlos entlassen zu werden. Noch schlimmer ist es, wenn alle Bobo-Bekannten ihren leistungslosen Wohlstand genießen, während der Gekränkte nicht einmal als Regalbetreuer beim Billa reüssiert, obwohl er als „attraktives, intellektuelles Drecksvieh mit ein paar wundervollen sexuellen Qualitäten“ Besseres verdiente.
Weil auch bald die Wohnung perdu ist, versucht der Geschasste, sich auf den teuren Couches und verkoksten Partys der „wohlstandsbehinderten“ Peergroup schadlos zu halten. Der Sohn aus kleinen Verhältnissen nimmt von den Armen im Geiste und gibt es den Geistreichen. Nach Masterplan wanzt er sich etwa an das Lulu heran, „das einen Erwachsenen anrufen möchte, wenn ihm die Nudeln anbrennen“. Sehr beliebt hat er sich bei den ich-schwachen Erben, übermotivierten Eltern und verblasenen Pseudokünstlern nie gemacht, darum muss er eine haarsträubende Mafia-Verwicklung konstruieren, die als Nebenhandlung allmählich Eigendynamik entwickelt.
Der Parasit schätzt seine Wirte nicht. „Man hält aus Prinzip, weil Mami und Papi einem das eingetrichtert haben, den Neoliberalismus für das Größte, ohne auch nur einen Tag im Leben einem Broterwerb nachgegangen zu sein.“ Er hat einen scharfen Blick für die Defizite der Aufbrauchgeneration. Mit jedem Promille steigen seine telepathischen Kräfte: Gesagtes und Gehörtes sind ihm eins – mangels Anführungszeichen auch der Leserin, die sich deswegen konzentrieren muss.
Verwunderlich, dass der Erzähler abgesehen von allerlei abgebrühten Aphorismen daraus noch kein Kapital zu schlagen wusste und sich mit seiner Rolle als manipulativer Freizeit-Hallodri begnügt hat. Es schlägt auf die Laune, die seichten Gedanken der Umwelt lesen zu können. Die Frauen sind weder Ausnahme noch Hilfe, sie sind entweder belehrende Gutmenschen-Nazis oder launenhafte Ost-Diven. Hätte sie sich ein Autor ausgedacht, die Rezensentin würde tadelnd das Wort „Klischee“ in Stellung bringen. „Frauen verlieben sich eben in das, was sie hören, und Männer in das, was sie sehen.“ Einzig die Katze, die der Erzähler widerwillig aus artfremder, veganer Haltung befreit, bewährt sich als partner in crime.
„Die Welt ist für mich gemacht. Alle schlechten Dinge geschehen, damit ich darüber lachen kann.“ Ein glamouröser Hochstapler ist dieser intelligente Erzähler nicht, dafür sind seine Ambitionen zu kleinkriminell, dafür ist sein Witz zu nah am Jungmännerzynismus. Die Ausfälle gegen Hipster aber, die vier Sorten Milch und sechs Arten von Parmesan zur Daseinsoptimierung brauchen und sich einen Flüchtling als Accessoire ins Haus holen, sind treffend und zuweilen sehr lustig: „Weltoffenheit bedeutet, alle anderen umerziehen zu wollen.“
Die zeitgeistige Schelte der politisch korrekten „Prinzen und Prinzessinnen auf dem Weg zur Selbstverwirklichung“ ist allerdings selbst recht zeitgeistig und geht zulasten der Handlung. Mit der Zeit ermattet sie. Vielleicht, weil der Schimpfende selbst gar so ein Flegel ist und auf jede moralische Alternative verzichtet. Vegane Missionarinnen stoppt er mit der Nazikeule, den Gastgeberinnen brunzt er die Potpourrischüssel voll.
Cordula Simon versteht ihr Handwerk. Ihr gelingen prächtige Bilder, etwa beim finalen Zusammenbruch: „Und dann schwebte es davon. Das ganze brennende Haus, das ich in den letzten Jahren zusammengenagelt hatte.“ Gegen Ende hin nimmt der Roman auch an Fahrt auf, das gute Leben der schlechten Menschen eignet sich zum Vergleich, samt narrativem Mehrwert, dem auch ein Musil zustimmen würde: „Jeder erzählt sich sein Leben zurecht.“ Und der titelgebende Neubauer? Klarer Fall von McGuffin.


