Die andere Vergangenheit

768 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783701717743
Erscheinungsdatum 21.08.2023
Genre Belletristik/Erzählende Literatur
Verlag Residenz
Übersetzung Erwin Köstler, Andreas Leben
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HerstellerangabenAnzeigen
Residenz Verlag GmbH
Mühlstraße 7 | AT-5023 Salzburg
info@residenzverlag.at
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Kurzbeschreibung des Verlags

In „Die andere Vergangenheit“ entwirft Möderndorfer ein Fresko des Dorfs Dolina. Hier haben die reichen deutschen Eichheins, Wald- und Sägewerksbesitzer, seit jeher das Sagen, die slowenischen Bauern und Arbeiter aber stellen die Mehrheit der Bevölkerung – und den Bürgermeister, den einflussreichen Gastwirt Novak. Vor dem Hintergrund von 20er-Jahren, Nazi-Zeit, kommunistischer Herrschaft und Wende entstehen eindringliche Bilder aus dem Alltag von Dolina, in dem politische Konflikte, aber auch Liebe und Verrat tiefe Spuren hinterlassen. Doch es sind vor allem die einfühlsam gezeichneten Figuren wie die alte Grabnerin und ihr Sohn Sylvester, der als Partisan den Heldentod stirbt, aber eigentlich bloß Gedichte schreiben wollte, die diesen Roman zu einem unvergesslichen Leseerlebnis machen.

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FALTER-Rezension

Der Don Quijote von Dolina

Stefanie Panzenböck in FALTER 42/2023 vom 20.10.2023 (S. 12)

Das Buch beginnt mit dem Hinweis, dass „alles in dem Roman erfunden“ sei. „Jedoch nicht in dem Maß, dass es nicht auch wirklich geschehen wäre. Und zwar ­genau so, wie es erfunden ist“, konkretisiert der Schriftsteller Vinko Möderndorfer. ­Damit, so könnte man meinen, ist der Rahmen abgesteckt. Auch wenn man sich fragt, ob sich dergleichen nicht von den meisten Romanen behaupten ließe. „Die andere Vergangenheit“ – im slowenischen Original bereits 2017 erschienen – könnte beginnen.

Doch Möderndorfer lässt sich Zeit. Bevor die Leserinnen und Leser die slowenische Ortschaft Dolina und deren Bevölkerung kennenlernen und diese durch die Jahrzehnte der Konflikte, Kriege und Rache begleiten, beschreibt der Autor ein Treffen mit einem Freund, der namenlos bleibt und ihn auf die Geschichte bringen wird, um die es eigentlich geht.

Möderndorfer zieht eine zweite Ebene ein, sodass die einzelnen Kapitel zum einen den Prozess des Schreibens in der Gegenwart behandeln und zum anderen den eigentlichen Roman erzählen, dessen Handlung zwischen den beiden Weltkriegen beginnt und sich bis zum Ende der 1980er-Jahre kurz vor dem nächsten Krieg erstreckt.

Doch diese Metaebene bringt keinen Mehrwert. Die Gespräche der beiden Freunde in der Gegenwart liefern keine neuen Erkenntnisse über Geschichte, Vergangenheit und Wahrheit.

Als weitere Figur tritt noch ein Archivar hinzu, der früher Turnlehrer war und dem Schriftsteller Material für dessen Arbeit zur Verfügung stellt. Gleichzeitig erfährt man, dass er mutmaßlich ein Verbrechen begangen hat. Das Mädchen sei „keine vierzehn“ gewesen. „Ich hätte nie gedacht, dass er pädophil ist“, gesteht der Freund des Autors. Die tatsächliche Rolle des Archivars erschließt sich bis zum Schluss nicht.

Die Geschichte, die Möderndorfer schließlich doch noch erzählt, entwickelt eine immense eigene Kraft, die keine zusätzlichen Erklärungen braucht. Sie spielt im fiktiven slowenischen Dorfe Dolina, wo eine reiche deutsche Minderheit mit der ärmeren Mehrheit zusammenlebt. Alles, so verrät es der Autor gleich zu Beginn, wird darauf hinauslaufen, dass ein Mädchen namens Mojca und ein Bursche namens Peter einander eines Tages kennenlernen werden. Doch bis die Tochter von Partisanen und der Sohn eines slowenisch-deutschen Paares, das mit den Nationalsozialisten kollaboriert hat, zu Akteuren werden und jahrzehntelange Konflikte immer wieder aufbrechen, sind bereits 570 der insgesamt 760 Seiten gelesen.

Und diese 570 Seiten haben es in sich. Über den Mikrokosmos Dorf erzählt der Roman die große Geschichte einer Region. Slowenien war zuerst Teil der österreichischen Monarchie, dann des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, des Königreichs Jugoslawien, sodann ab 1945 der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. 1991 wird es unabhängig.

Möderndofer zeichnet seine Figuren entlang dieser großen Linien. Er verhandelt die Konflikte zwischen Deutschen und Slowenen anhand der Heirat zwischen dem slowenischen Bürgermeister und der deutschen Großgrundbesitzerstochter. Er beschreibt, wie ein deutschtümelnder Slowene, der für die Gestapo arbeitet, seinen Schulkollegen, der sich für die Partisanen entschieden hat, foltert; wie der katholische Pfarrer Einwohner von Dolina, die der Bürgermeister auf die Todesliste gesetzt hat, vor der Erschießung bewahren will und irgendwann zu dem Schluss kommt, dass es keinen Gott gibt; wie der Partisanenführer seine ehemalige Geliebte, die Frau des Bürgermeisters, deportieren lässt und wie sich deren drei Söhne nach dem Zweiten Weltkrieg verlieren und suchen.

Es gelingt dem Autor, seine Figuren zum Leben zu erwecken, sich in jede einzelne von ihnen hineinzuversetzen und die Perspektiven zu wechseln. Ideologische Debatten bleiben außen vor. Das Zwischenmenschliche steht im Mittelpunkt, oft das grausame, dann auch wieder das versöhnliche. Dabei spart Möderndorfer nicht mit drastischen Details. Denn Sympathieträger sind die Protagonistinnen und Protagonisten nur selten. Sie sind oft verzweifelt, hinterhältig, brutal und selbstmitleidig, manchmal auch liebevoll, stark und mutig. Menschen eben.

Es stimmt schon, alles läuft auf die Begegnung von Mojca und Peter hinaus. Aber die eigentlichen Helden sind eine Mutter und ihr Sohn, Ana Grabner, genannt die Grabnerin, und ihr uneheliches Kind Silvester. Ihre Geschichte, die von großer Armut handelt, hat der Autor besonders sorgsam und detailreich gestaltet. Ana und Silvester leben in einem Holzverschlag. Die Mutter arbeitet die ganze Zeit, ist dem Gutsherrn auch sexuell zu Diensten und misshandelt ihren Sohn. Später wird sie sagen: „Das Kind hat mich nicht gebraucht, weil es von mir nichts hat kriegen können.“

Silvester schreibt Gedichte und liest gern. Aus der Bibliothek des Gutsherrn nimmt er sich „Don Quixote“. Er wird als Dieb entlarvt und verprügelt. Statt sich zu entschuldigen, sagt er: „Ich hab’s ausgelesen, danke.“ Als er später zu den Partisanen geht, holt er sich bei einem Überfall als Erstes das Buch aus dem Regal.

Eindrücklich ist die Szene vom Tod der Großmutter Grabner, die 50 Jahre lang im Sägewerk gearbeitet hat. Silvester steht vor dem Verschlag. „Stille. Als wären alle fort, als wäre auf der ganzen Welt niemand daheim.“ Er dreht sich um und sieht, dass seine Oma, während sie sich die Schuhe anziehen wollte, gestorben ist. „Einen Schuh hatte sie an, den anderen hielt sie noch auf dem Schoß. An den Türstock gelehnt glich sie dem Sack mit den faulen Kartoffeln.“ Ihr Begräbnis findet unmittelbar nach dem des Bürgermeisters statt, an dem die ganze Dorfgemeinschaft teilnimmt. Als die Großmutter Grabner an der Reihe ist, bleiben nur noch ihre Tochter und ihr Enkel auf dem Friedhof.

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