

Happy Birthday! Happy Halloween!
Christina Vettorazzi in FALTER 42/2023 vom 20.10.2023 (S. 8)
Eigentlich ist „Minihorror“ ein unmögliches Buch. Kein Mensch kann so skurrile Geschichten erfinden und diese dann auch noch in so schrägen Sätzen. Kein Mensch außer Barbi Marković. Seit 17 Jahren lebt die in Belgrad geborene Autorin in Wien. Genau dorthin hat sie einen Großteil der „Minihorror“-Handlung verfrachtet. Wobei das Präfix „Mini“ nur auf die Protagonistin, Mickys Gefährtin Minnie Maus und die Kürze der Texte anspielt, nicht aber auf deren Horrorgehalt.
Mit den insgesamt 28 Stories sind Marković jedenfalls funkelnde gesellschaftskritische Karikaturen gelungen, die sich an so unterschiedlichen Themen wie Migration, Feminismus, Kapitalismus, Umwelt- und Tierschutz abarbeiten. Ein Beispiel: Mini muss mit den Frauen ihrer Familie um die Eigentumswohnung konkurrieren. Am Ende ziehen sie alle entweder aus oder sterben. Nur Mini und ihre Mutter bleiben übrig. Der staubtrockene und sarkastische Kommentar der Erzählerin: „Nur noch zwei in der Wohnung. Das Finale beginnt.“ Und damit: Happy Halloween!
Angesichts des Disney-Jubiläums – der Konzern hat soeben seinen 100. Geburtstag begangen – lässt sich Marković’ Miniaturensammlung freilich auch als Hommage auffassen. Im offensichtlichen Dialog mit dem Medium Film inszeniert die Autorin Gastauftritte von Marilyn Monroe und Megan Fox, gedenkt deren legendären Auftritten in „Gentlemen Prefer Blondes“ und „Jennifer’s Body“. Kursiv gedruckte Regieanweisungen leiten durch die einander auch widersprechenden Erzählstränge, die nur von zwei Protagonisten getragen werden: den orthografisch verschlankten Disney-Mäusen Mini und Miki.
„Minihorror“ gleicht einem Überraschungsei. Im Voraus höflich angekündigte Plottwists steigern die Spannung, ansonsten prunkt der Band mit Wow-Effekten im Kleinen, aber auch mit langen und fremdwortreichen Gliedsätzen. So auch in jener Geschichte, in der eine Umweltschutzinitiative Miki sowie dem Rest der österreichischen Bevölkerung eine Tierart zuweist, um die er sich kümmern muss. Der Lohn für diese Mühen für den Menschen ist freilich fragwürdig: „In einem dicken Band über heimische Orthoptera wird sogar ein Bild von ihm abgedruckt, wie er mit nackten Knien auf einer unordentlichen Wiese herumkrabbelt, um seine Spezies anzuschauen, während eine verärgerte Almkuh überlegt, ob sie angreifen soll.“
Und mit dem angriffslustigen Vieh hätten die beiden Mäuse nicht nur Wien, sondern auch Österreich kennengelernt: Herzlich willkommen!