

Schreiben statt schrubben, teilen statt Theologie
Karin Chladek in FALTER 11/2014 vom 14.03.2014 (S. 35)
Weltrettung II: Renée Schroeder liefert Vorschläge zu Ökologie, Frauenbildung und Entwicklung
Die renommierte Biochemikerin Renée Schroeder, vom Club der österreichischen Wissenschaftsjournalisten zur Wissenschaftlerin des Jahres 2002 gekürt, hat sich nach "Die Henne und das Ei" (2011), das 2012 zum Wissenschaftsbuch des Jahres gekürt wurde, wieder mit der Journalistin Ursel Nendzig zusammengetan, um von so Diversem wie "Menschen, Zellen und Waschmaschinen" zu erzählen.
Entstanden ist ein lesenswertes, streitbares Buch, das nichts weniger als eine "Anleitung zur Rettung der Welt" darstellt. Es ist ein Plädoyer gegen die einseitige Fixierung auf Wirtschaftswachstum, dogmatische Religionen und die andauernde Benachteiligung von Frauen.
Für Schroeder lautet das Gebot der Stunde Bildung. Daher auch ihre Forderung nach Waschmaschinen für alle: 1,2 Milliarden Menschen weltweit – hauptsächlich Frauen – müssen ihre kostbare Lebenszeit nach wie vor mit aufwendigen, stupiden Tätigkeiten wie Handwäsche vergeuden.
Diese Zeit könnten sie viel besser in Bildung investieren, meint Schroeder. In der zunehmenden Bildung von Frauen läge auch der Schlüssel gegen das menschliche Bevölkerungswachstum. Das belegt bekanntlich die geringe Kinderzahl in entwickelten Ländern – wobei allerdings gerade die Gier, die nach Schroeder den Lebensstil der Industrienationen prägt, den Planeten zunehmend erschöpfe.
Besonders interessant machen das Buch die Fragen, die Schroeder sich und anderen laufend stellt: Liegt es etwa wirklich "nur" an der zunehmenden Bildung von Frauen, dass die Geburtenrate weltweit sinkt, und zwar in allen Ländern? Oder sind angesichts der in vielen Regionen der Welt zunehmenden Bevölkerungsdichte auch noch unerforschte biologische Mechanismen im Gang?
Schroeder weiß es nicht, wie sie betont, aber die Biochemikerin teilt dankenswerterweise ihre innovativen Gedankengänge mit der Leserschaft. Wissenschaft und neue Erkenntnis beginnt bekanntlich mit guten Fragen.
Das Buch ist in zwölf Kapitel gegliedert, die auch unabhängig voneinander und durcheinander gelesen werden können. Schroeder und Nendzig wollen weg von der analogen, linearen Struktur von Büchern; sie setzen regelmäßig Querverweise und nähern sich so auch zwischen zwei Buchdeckeln der digitalen Gestaltungsform.
Die Universitätsprofessorin Schroeder hält viel von Sharing-Projekten wie Wikipedia, wie sie mehrfach betont. Das emanzipatorische Potenzial von Technik scheint für sie als Naturwissenschaftlerin real und intakt – von Waschmaschinen bis zum Internet. Auf die konkrete Verwendung dieser Techniken käme es eben an. Denn diese könnten das eine Leben, das wir haben, eindeutig besser machen. Schroeder warnt davor, sich von religiösen Institutionen auf ein Leben nach dem Tod vertrösten zu lassen. Denn das gibt es für sie nicht.
Viele gebildete Menschen teilen diese Weltsicht. Und natürlich stellte das Beharren auf Dogmen und Denkverboten durch staatliche und kirchliche Institutionen jahrhundertelang eine große Hürde gerade für Frauen, aber auch die große Mehrheit der Menschheit insgesamt dar.
Es stellt sich aber die Frage, ob man mit einem angriffslustigen Atheismus à la Richard Dawkins nicht unnötig Gräben aufreißt zwischen Menschen, die gleichermaßen besorgt über den Zustand der Welt sind. Das sind eben nicht nur wissenschaftlich orientierte Freidenker, sondern auch Menschen, denen Spiritualität wichtig ist, die bei Religionskritik – auch pointierter, wohlüberlegter – aber sofort abblocken.
In der globalisierungskritischen Bewegung war Religion aus gutem Grund von Anfang an kein Thema. So kamen und kommen Gespräche und auf den ersten Blick ungewöhnliche Allianzen zustande. Andererseits kann das tendenziell ebenso harmoniesüchtige wie konservative Österreich ein wenig atheistische und feministische Streitlust durchaus vertragen.
So hat Renée Schroeder bekanntlich in den beliebten Protagonisten des Wissenschaftskabaretts der "Science Busters" Brüder im Geiste, die in dieser Hinsicht ebenfalls einen klaren Standpunkt beziehen.