

Der Mann, der Jesus in schlechte Gesellschaft brachte – oder?
Erich Klein in FALTER 17/2018 vom 25.04.2018 (S. 9)
Die „linke“ Biografie von „Jesus in schlechter Gesellschaft“ (1971) brachte den Wiener Theologen und Kaplan Adolf Holl in Konflikt mit der Amtskirche. Der Erzbischof entzog ihm die Lehrberechtigung. Auf das öffentliche Bekenntnis, das Zölibat gebrochen zu haben, folgte die Suspendierung vom Priesteramt. Drei Dutzend Bücher (darunter auch internationale Bestseller) und eine Karriere als öffentlicher Intellektueller (seltene Spezies im Land!) waren die Konsequenz. Nicht zufällig wurde Holl als „einer der besten Schriftsteller Österreichs“ tituliert.
Aufklärer auf der Suche nach Wundern
Matthias Dusini in FALTER 17/2018 vom 25.04.2018 (S. 36)
Der Theologe Adolf Holl moderierte die ORF-Diskussionssendung „Club 2“ mit viel Schmäh. Sein philosophisches und historisches Wissen ließ die Experten oft alt aussehen. Und sobald es allzu abgehoben wurde, wechselte er in breiten Wiener Dialekt.
Seit die Talkshow 1995 eingestellt wurde, ist es um Holl, der in wenigen Tagen 87 Jahre alt wird, leiser geworden. Der Autor und Presse-Redakteur Harald Klauhs vermittelt in einer ausgezeichneten Biografie eine Persönlichkeit, die zu Unrecht im Kurzzeitgedächtnis der Mediengesellschaft verschwunden ist. Zur Aufklärung des mit dem Erbe von Austrofaschismus und Nationalsozialismus beschäftigten Österreich trug Holl ebenso viel bei wie die 68er-Bewegung, deren Wiener Protagonisten teilweise bei ihm Religionsunterricht hatten.
Klauhs beschreibt einen jungen Mann aus einem kleinbürgerlichen Haushalt, der nach dem Krieg gegen den Zeitgeist die Priesterlaufbahn wählte. Früh beginnt Holl Tagebuch zu führen, was einen Einblick in seine Beweggründe erlaubt. Als Ministrant nahm er die katholische Messe als mystische Feier wahr, ein Zauber, der ihn auch dann noch berührte, als er 1976 vom Priesteramt suspendiert wurde. Holl hatte gegen den Zölibat verstoßen, er lebte mit der Journalistin Inge Santner-Cyrus zusammen.
Um das Drama von Holls Leben zu skizzieren, vergleicht es der Autor mit der 2000-jährigen Entwicklung der Kirche, von den asketischen Anfängen über die Zweifel der Reformation bis zur Selbstaufklärung in der Moderne. In Büchern wie „Jesus in schlechter Gesellschaft“ (1971) versuchte Holl, die Heilige Schrift von den Dogmen der Amtskirche zu befreien und die soziale und antiinstitutionelle Botschaft herauszuarbeiten. Als Bestsellerautor beging er fast zwangsläufig die Sünde des Hochmuts, die ihm gleichzeitig die für ein Leben als freier Autor notwendige Publizität sicherte.
Die Biografie zeichnet Holl als Rationalisten, der über den Verlust des Heiligen trauert, als Hedonisten auf der Suche nach Askese. Diese Ambivalenz bleibt auch nach dem Tod Gottes aktuell.