

Kaufet Kartoffeln!
Werner Meisinger in FALTER 10/2016 vom 11.03.2016 (S. 39)
Die Zeiten ändern sich. Und erneut zum Schlechteren. Da kochen wir Erdäpfel
Nun, an der Schwelle zur Korridorpension, bleibt mir noch, den Hof zu übergeben und zu mahnen. Ach, wie wenig Hof ist’s und wie viel gilt es zu mahnen! Rasch, bevor Freund Hein die Feder mir aus gichtgeplagten Fingern schlägt und stumm mir wird die schon so heis’re Kehle, die wichtigste der Mahnungen: Hütet euch vor allem, was die Mehrheit tut. Hütet euch vor allem vor eines falschen Volkes dreister Herrschaft. Schon grölen irrlichternde Gestalten „Wir sind das Volk“, um gleich darauf mit Volkes eig’nem Sanktus ein Haus in Brand zu stecken.
Von der Herrschaft des Volkes ist’s nicht weit zu der des Pöbels, stand unlängst in der deutschen Zeitschrift Die Zeit, das gilt es zu ergänzen: Von der Herrschaft des Pöbels ist’s ein weiter Weg zurück zu der des Volkes. Wir erleben es hier und jetzt und schmerzhaft am eig’nen Leibe. Am Volkskörper auch, der warzentreibend sich zum Pöbelkörper wandelt.
Um die Bedeutung dieser Mahnung zu unterstreichen, gewähre ich dir, schmerzensreiche Leserschaft, einen Blick in die Zukunft. Solcher gelingt mir immer öfter, je weniger Zukunft ich in Aussicht habe. Hier ist der Blick, kristallklar ohne Kugel, nur beleuchtet von Nachrichten aus Transatlantien, dem sonderbaren Kontinent:
Donald Trump wird auf der Fifth Avenue einen Schwarzen erschießen und damit den Beweis antreten, dass ihn auch diese Untat keine Stimme kostet. Vielmehr wird er am ganz rechten Abgrund weitere Zustimmung gewinnen, weil der Schwarze mit einem Feuerzeug bewaffnet war. Stand your ground! – Trump stands, in Trump we trust.
Die Auswertung von Hillary Clintons E-Mail-Verkehr wird ergeben, dass sie während ihrer Amtszeit als Ministerin der USA keinen Verkehr mit Monica Lewinsky hatte. Das wird die demokratische Kandidatin wertvolle Stimmen in den progressiven Wählerschichten kosten. Gleiche Rechte für Frau und Mann – Frau Clinton nutzt sie nicht, wie schmählich!
Trump wird 45. Präsident der USA. Von mexikanischen Vergewaltigern wird er eine Mauer rund um die USA errichten lassen. Als nächste Amtshandlung wird er ein weiteres Wahlversprechen einlösen und den Shit aus den muslimischen Bewohnern des Nahen Ostens bomben. Ausmerrrzen wird er dies Gezücht mit Stumpf und Stiel.
Das wird die Weltwirtschaft leider nicht aushalten und wir werden wohlstandsmäßig in die Zeit vor dem Marshallplan zurückgeworfen. Darauf kann man sich einrichten. Kaufet Kartoffeln. Lagert sie dunkel und kühl.
Am besten im Keller, wo wir Minderheiten dann bevorzugt wohnen werden. Denn oben wird der Pöbel hausen und mit den Büchern unserer Bibliotheken Generatoren heizen. Mit Strom aus den Schriften des Homer wird er, der Pöbel, in der Endzeit seine Endgeräte laden, um darauf die Streiche des Homer Simpson zur verfolgen, wenn das zu intellektuell ist: DSDS.
Zu den liebevoll behüteten Erdäpfeln werden wir Wildkräuter sammeln, Kerbel, Brennnesselspitzen, Vogelmiere, Löwenzahn, Bachkresse, Sauerampfer, Gundelrebe und Bärlauch auch, es wird ja leider Krieg sein.
Damit werden wir köstlich kochen, die Erdäpfel auf grobes Meersalz betten und statt im Ofen, den wir nicht mehr haben, über Buchenfeuer langsam garen, aufdrücken, einen kleinen Schuss vom glücklich geretteten Gin hineingießen und mit einer Sauce von hochtourig gemixtem Sauerrahm mit Joghurt und Sauerampfer verzehren. Und wenn Kartoffeln Süßkartoffeln sind, werden wir zu den würzigeren Kräutern greifen und solche Sauce mit Bachkresse oder Löwenzahn zubereiten. Vielleicht haben wir sogar ein Zitrönchen als Würzmittel, dann können wir auf Joghurt verzichten und mit Sauerrahm oder Crème fraîche unser Auslangen finden.
Aus frischem Sickerwasser von den Kellerwänden können wir ein Süppchen kochen. Dafür Erdäpfel wie für Püree schälen, schneiden und kochen. Mit Butter und Crème fraîche sowie Bärlauch sämig mixen und zum guten Schluss einen Faden Kernöl darüberziehen.
Was wir uns in der Saison an Kräutern vom Mund absparen können, wird getrocknet und für die Zubereitung der besten Kräuterbutter eingesetzt: ein Kilogramm weiche Butter mit zehn Gramm Salz und so viel getrockneten und fein geriebenen Kräutern verrühren, dass die Butter nach Sommer duftet. Wunderbar am Steak. Auch die Zeiten werden wieder besser, irgendwann.