

Ein Sommer, die Liebe und Salomon
Juliane Fischer in FALTER 31/2021 vom 06.08.2021 (S. 28)
Die Stimmung in Esthers Urlaub ist verbesserungswürdig: „Mama beklagt sich über den miesen Kaffee, Papa beklagt sich über Mamas miese Laune. Flippa spricht eifrig mit den Cornflakes in ihrer Schüssel und ich begutachte den Pickel auf meiner Nase im blank polierten Buttermesser.“ Die 14-Jährige entdeckt gerade den Zynismus und schießt deswegen gleich nach: „Vielleicht sollte ich mir das Messer einfach ins Bein rammen, dann fliegen wir wenigstens vorzeitig zurück.“
Zwischen den Eltern kriselt es. Die Kinder rücken näher zusammen. Durch ihre fünfjährige Schwester lernt Esther Salomon kennen. Bei ihr kann er seine traumatischen Erlebnisse vergessen. Denn Salomon bringt ernste Themen in das Buch: Flucht, Tod, Verlust. Was und wo ist zuhause?
In „Esther und Salomon“ kommt Elisabeth Steinkellner, die nach acht Kinderbüchern bereits ihr fünftes Jugendbuch vorlegt, mit wenig direkter Rede aus. Es liest sich trotzdem recht unmittelbar. Behutsam löst Steinkellner die Form auf. Sie flicht mit Es-thers Fotos aus der Sofortbildkamera sowie Salomons Zeichnungen eine direkte und authentische Ebene ein. Das macht das Buch persönlich.
Das textliche Erscheinungsbild lässt nicht den Eindruck eines kindlichen Tagebuchstils aufkommen. Wenn Sätze bisweilen nicht in einer Wurst, sondern im Versmaß gesetzt sind, verleiht das der Geschichte eine gewisse Schwere und Eleganz. „Ich sitze vor gepackten Koffern / und kann nicht glauben, / dass ich dieselbe bin / wie vor zwei Wochen. // Ich bin es nicht.“ Ob Teenager nicht eher Emojis statt Emoticons sagen und ob sie Worte wie „Gewehrsalve“ verwenden, ist fraglich, aber nur ein Detail am Rande.
„Esther und Salomon“ erzählt zart vom Sichverknallen und herzzerreißend sanft vom Geschwistersein. Es geht um Schuldgefühle und darum, was Liebe – sei es jene zu Familienmitgliedern oder ein Urlaubsflirt – vermag. Damit kann man sich kaum ein besseres Buch für die Ferien und den melancholischen, bittersüßen Schulstart danach vorstellen. Schön und anspruchsvoll, stimmig und rührend.