Für den Frieden kämpfen

In Zeiten des Krieges von Gandhi und Mandela lernen. Friedensethische Überlegungen
120 Seiten, Taschenbuch
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ISBN 9783702241797
Erscheinungsdatum 17.02.2024
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Verlag Tyrolia
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Verlagsanstalt Tyrolia Gesellschaft m. b. H
Exlgasse 20 | AT-6020 Innsbruck
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Kurzbeschreibung des Verlags

Terroranschläge, Kriege, Aufrüstung – ob Ukraine, Israel/Palästina oder Äthiopien: In vielen Teilen der Welt scheint Frieden in weite Ferne gerückt zu sein.
Wolfgang Palaver, Professor für Christliche Gesellschaftslehre, nimmt die Gedanken und spirituellen Quellen von Mahatma Gandhi und Nelson Mandela zur Gewaltfreiheit als Ausgangspunkt seiner friedensethischen Überlegungen. Seine Erkenntnisse verbindet der Sozialethiker mit den Aussagen bekannter Friedensdenker wie Václav Havel, Dietrich Bonhoeffer oder Papst Franziskus. Nicht blinder Pazifismus ist demnach gefragt, sondern verantwortetes und spirituell verwurzeltes Handeln im Sinne der Gerechtigkeit.
Das Buch lädt Leser und Leserinnen ein, sich eine fundierte Meinung zu friedensethischen Themen zu bilden und sie in das eigene Umfeld zu tragen.

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FALTER-Rezension

Der Thielologe

Barbaba Tóth in FALTER 37/2025 vom 10.09.2025 (S. 25)

Was koche ich, wenn mich überraschend ein Tech-Milliardär zuhause besucht? Diese Frage mussten sich Wolfgang Palaver und seine Frau Andrea im Juli dieses Jahres stellen. Eigentlich hatte ihnen Peter Thiel vorgeschlagen, aus München kurz einen Sprung nach Innsbruck zu kommen, auf ein Abendessen. Aber Palaver ist ein vielbeschäftigter Mann, auch nach seiner Emeritierung an der Universität Innsbruck. Seit sechs Jahren ist er Präsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi. Und seit März dieses Jahres ist er auch noch OSZE-Sonderbeauftragter gegen Rassismus. Genau an jenem Abend, an dem Thiel ihn treffen wollte, hatte er bis 20 Uhr eine Sitzung von Pax Christi. Also lud Palaver Thiel zu sich nachhause, in Jenbach bei Innsbruck. Seine Frau fuhr schnell einkaufen. Am Ende gab es Lachs.
Die beiden Männer, die an diesem Abend zusammenkamen, kennen sich seit 30 Jahren und könnten unterschiedlicher nicht sein. Dort Thiel, 57, Sohn tiefgläubiger Evangelikaler, der schon mit 30 mit dem Zahlungsdienst Paypal 90 Millionen US-Dollar verdiente und damit superreich wurde und heute der wichtigste Financier und Ideologe der neuen amerikanischen extremen Rechten ist. Er ist das Mastermind hinter der Karriere von US-Vizepräsident J.D. Vance, der Donald Trump beerben soll. In einem "Herr der Ringe" der Gegenwart wäre er der Sauron des Silicon Valley und seiner dunklen Aufklärung.

Hier Palaver, 67, Professor für christliche Gesellschaftslehre an der katholisch-theologischen Fakultät der Uni Innsbruck, dreifacher Vater, verheiratet mit einer Kindergartenpädagogin. Ein Reformkatholik, der sich schon als Student der Friedensbewegung anschloss und in seinem letzten Buch ("Für den Frieden kämpfen") tief in die Lehren von Leitsternen des Pazifismus wie Mahatma Gandhi und Nelson Mandela eintaucht. Ein Seelsorger und Friedensapostel -und als Wissenschaftler ein Experte für das Leben und Werk eines Denkers, der in Europa eher unter dem Radar läuft, aber im Silicon Valley als Prophet verehrt wird: der Anthropologe und Literaturwissenschaftler René Girard.

Dass Palaver nach seiner Emeritierung noch eine zweite Karriere als "Thiel-Planer" starten würde, also als Thiel-Explainer, wie er es selbst scherzhaft nennt, überrascht ihn immer noch. Zum Jahreswechsel hatte er einem deutschen Podcastteam zwei eineinhalbstündige Interviews gegeben. "Sie sind ja eine Goldgrube", hörte er nach zehn Minuten. Im deutschsprachigen Raum gibt es wenige Menschen, die Thiel näher kennen. Und noch weniger, die on the record über ihn und seine mitunter obskure theologische Seite reden wollen. Der Deutschlandfunk-Podcast "Die Thiel-Story" wurde inzwischen mehr als drei Millionen Mal gehört, seitdem reißen die Interviewanfragen bei Palaver nicht ab. "Ich bin da aus einer gewissen Eitelkeit hineingerutscht. Dass es solche Wellen schlägt, habe ich nicht geahnt." Wie es ihm damit geht?"Gemischt."

Zum einen, weil er nicht als Thiels Freund herumgereicht werden will, weil er das nicht ist. Zum anderen, weil seine Bekanntschaft mit Thiel vor allem auf das Faible beider für Girard baut. Girard starb 2015 und hatte davor an der Stanford-Universität im Silicon Valley gelehrt. Jener Uni, an der Thiel in den 1980er-Jahren studierte und Palaver als Gastforscher ein Jahr verbrachte. Girard erlebt im Silicon Valley, in Thiels Universum, gerade eine skurrile Renaissance, als Prophet der extremen Rechten. In den Augen Palavers und der europäischen "Girardisten", einer eingeschworenen Forschungsgemeinschaft, in der die Grenzen zum Jüngertum mitunter fließend sind, ist das eine Perversion seiner Lehren.

Dagegen anzukämpfen, Girards Ehre vor den Tech-Bros zu retten, das ist Palavers eigentliche Mission. "Er wird vereinnahmt, darunter leiden auch die Nachfahren Girards", sagt er.

Und so ist die Geschichte über Palaver und Thiel nicht nur eine über eine ungewöhnliche Männerbekanntschaft, sondern auch eine über das Ringen um Deutungshoheit über das Werk eines exzentrischen französischen Denkers. Und damit ein Musterbeispiel dafür, wie Silicon-Valley-Potentaten nicht nur das klassische Wirtschaftsleben zerstören und dabei die Daten ihrer User ausbeuten, sondern sich auch an intellektuellem Gut bedienen und dabei Denkschulen zurechtbiegen, wie es ihnen gerade passt.

Aber was hat dieser Girard an sich, das ihn für die Thiels dieser Welt so bedeutend macht? Wer in Girards "mimetische Theorie" und vor allem in seine Ableitungen für das Schicksal der Welt eintaucht, braucht Sinn für Metaphysik.

Girard meint entdeckt zu haben, dass jedes menschliche Begehren mimetisch ist, also das Begehren anderer spiegelt. Ich begehre den Nagellack in einer Trendfarbe, weil es auch andere tun. Mein Begehren entspringt nicht mir, sondern einem Herdentrieb. Das führe unweigerlich zu Rivalitäten, zu Gewalt und Konflikten. Und wenn es nicht nur um Nagellack, sondern um Menschen oder Territorien geht, zu Krieg.

An diesem Punkt wird Girard nicht nur für Instagram-geeichte Konsum-, sondern auch für Konflikt-und Friedensforscher wie Palaver interessant. Denn der Ausweg aus dieser Spirale des Begehrens war laut Girard früher, in archaischen Gesellschaften, der Sündenbockmechanismus. Man überträgt die Spannungen, die durch mimetisches Begehren entstehen, auf ein Opfer, das nach seiner rituellen Tötung als Gottheit verehrt wird -und rächend und gütig zugleich sein kann.

Bestes Beispiel dafür seien Jesus und das Christentum, das für Girard deshalb der Schlüssel zur Gewaltfreiheit in Gesellschaften sein könnte, weil es den mimetischen Teufelskreis durchbrochen habe. Girard selbst hatte als Erwachsener ein Erweckungserlebnis und konvertierte zum Christentum. Deshalb stehen Theologen auch so auf ihn.

Der Reiz des Girardismus liegt wohl weniger an der Originalität seiner Thesen als an seinem damals schon altmodischen und gleichzeitig hochtrabenden Anspruch, die Welt als Ganzes zu erklären, die ultimative Formel gefunden zu haben, quer über alle Disziplinen und Denkschulen hinweg.

Der deutsche Professor für vergleichende Literaturwissenschaften Adrian Daub beschreibt es in seinem Buch "Was das Valley denken nennt" so: Die mimetische Theorie sei eine jener "allumfassenden Theorien, die am Ende praktisch nichts erklären und eher sich selbst offenbaren als die Welt verändern". In seinem eigenen Handeln zeigt sich Thiel nicht als Imitator, sondern als Disrupter. Er investiert seine Milliarden gern in Projekte, die andere zum Scheitern verurteilt sehen. 2016 war es etwa die Kandidatur Donald Trumps, die Thiel als einziger Tech-Oligarch unterstützte.

Als sich Palaver und Thiel 1996 an der Stanford-Uni das erste Mal begegneten, war Professor Girard mit seiner "mimetischen Theorie" ein Außenseiter, nur in katholischen Kreisen wurde er schon damals gelesen. Der Zeitgeist war links. Die Schlachtrufe der Studentinnen und Studenten hießen: Political Correctness, Affirmativ Action, Gleichberechtigung für Minderheiten, weg mit dem eurozentristischen Weltbild der Alte-weiße-Männer-Kultur.

Es geschah am Rande einer Tagung zu Girard. "Ich hatte dort ein Referat über den berüchtigten Rechtsgelehrten Carl Schmitt gehalten", erinnert sich Palaver. Berüchtigt, weil er mit den Nationalsozialisten sympathisierte und heute von extremen Rechten hochgehalten wird. "Nach meinem Vortrag kam ein junger Mann auf mich zu und stellte interessante Fragen."

Danach, beim Get-together auf dem Campus mit Pizza vom Lieferservice, kamen die beiden noch einmal ins Gespräch. "Thiel wirkte damals wie ein typischer Nerd auf mich. Aber einer, der schon tief in die philosophische Gedankenwelt von Schmitt und Girard vorgedrungen war."

Palaver, bereits Doktor der Theologie, hatte sich schon an der Universität Innsbruck mit Girards Theorien vertraut gemacht, über den englischen Staatstheoretiker Thomas Hobbes dissertiert und forschte nun zu Gewaltphänomenen in der Gesellschaft.

Thiel hatte zuvor in Stanford Philosophie studiert, dann einen Doktor in Jura gemacht, in New York als Anwalt und Investmentbanker gearbeitet und war gerade wieder zurück im Silicon Valley, auf der Suche nach etwas mehr Sinn in seinem Leben. Er verstand sich im Widerstand zum Mainstream, als Contrarian. Zu Girard, charismatisch, umgeben von der Aura, ein verkanntes Genie zu sein, war es da nicht weit. In der Zeitschrift The Stanford Review hatte er bereits zu Studienzeiten gegen das polemisiert, was politisch korrekt war. Ein Thiel-Freund hetzte sogar gegen einen schwulen Professor, obwohl er wie Thiel selbst homosexuell war.

Zu den Eigenheiten der Silicon-Valley-Kultur gehört es, dass einige wenige Menschen, von denen die meisten auch noch an denselben Universitäten studierten -etwa Stanford -, sich mit ihrem Reichtum ihr Weltbild zurechtbasteln. Weil Thiel an Girard Gefallen gefunden hatte, erhob er ihn, kaum war er mit Paypal superreich geworden, zu seinem Haus-und-Hof-Philosophen.

Als Vehikel dafür gründete er 2008 die Imitatio-Stiftung, die Girardisten weltweit fördert, indem sie Tagungen veranstaltet, Stipendien vergibt und Publikationen mitfinanziert, darunter auch eine wuchtige, über 1000 Seiten starke Girard-Biografie.

Palaver kennt die Imitatio-Stiftung und die Menschen, die sie am Laufen halten, gut. Er war im wissenschaftlichen Beirat. Über Jahre war die Stiftung das Band, das Thiel und ihn zusammenhielt und sie immer wieder persönlich treffen ließ.

Im November 2011 etwa, da trafen sie sich bei einer Tagung wieder. Thiel liebt philosophische Abendessen in kleinem Kreis, bei denen den Eingeladenen zuvor aufgetragen wird, ein Thema vorzubereiten und sich darüber hinaus an eine Grundregel zu halten: "Redet nicht über Geld!" Sie gehören gewissermaßen zur Elite der Girardisten. Als Girard 2015 starb, gab es beim Requiem im Jänner 2016 fünf Trauerredner, Thiel und Palaver waren unter ihnen.

"Vielleicht ist das auch der Grund, warum er sich gerne mit mir austauscht", sagt Palaver. "In seinem Umfeld ist es ja wirklich schwierig: Wer sagt ihm die Wahrheit ins Gesicht? Wer redet mit ihm, ohne dass er etwas will oder braucht? Ich will nichts mehr von ihm. Ich bin auch nicht mehr der Professor und er der Absolvent. Sondern eine wissenschaftliche Autorität innerhalb der Girard-Community, mit der er sich austauschen kann, auf Augenhöhe."

Und: "Thiel will auf jeden Fall als Intellektueller ernst genommen werden."

Auf Augenhöhe, aber mit zunehmenden Differenzen -und zwischendurch auch Funkstille. Als sich Thiel 2016 für Donald Trumps erste Präsidentschaftskandidatur einsetzt und Trump ins Weiße Haus einzieht, ist Imitatio nicht mehr Thiels bevorzugtes intellektuelles Spielzeug, jetzt interessiert er sich für echte Machtpolitik. Und dafür, wie man das eine mit dem anderen aufladen kann.

Thiel beginnt in dieser Zeit über jenen Teil von Girards Theorie nachzudenken, in dem es um das Schicksal der Welt, die Kräfte, die den Frieden bedrohen, und mögliche Rettung nachzudenken - und vor allem darüber, wie eine Weltordnung aussehen könnte, die das Böse in Schach hält.

Palaver erinnert sich daran, dass solche Fragen auch schon die Anhängerschaft Girards in Stanford umgetrieben haben, nach seinen Vorträgen bildete sich oft ein Kreis um den Professor. Auf die Frage "Was ist die Lösung?" sagte Girard gerne, er sei Analytiker, Antworten seien nicht seine Aufgabe. Nur so viel: "Gehen Sie zur Kirche!", im weiteren Sinne: Verlieren Sie nicht den christlichen Glauben, hier ist der Ausstieg aus der Gewaltspirale.

Thiel hat sich aus Versatzstücken Girards und Carl Schmitts ein anderes, noch düstereres Weltbild gezimmert. Armageddon und Apokalypse nahen. Denn Thiel sieht wie Schmitt die Gefahr einer totalitären Weltregierung, für dieses Böse steht der "Antichrist", wie er in der biblischen Offenbarung des Johannes beschrieben wird. Sein Gegenspieler (Frauen spielen da nicht wirklich eine Rolle) ist der "Aufhalter", oder auch Katechon, wie er im Neuen Testament genannt wird. Dieser Aufhalter ist aber stets selbst gefährdet, zu mächtig zu werden und in das Antichrist-Sein zu kippen.

Aber wer ist nun der Antichrist, wer der Aufhalter in dieser Thiel'schen Apokalypse? Darüber diskutierten Palaver und Thiel zuletzt, oder besser: sie stritten. Und das ist auch der Moment, an dem Palaver die Bezeichnung "Technofaschismus" ins Spiel bringen muss, wenn er über Thiel und seinesgleichen spricht. "Thiel argumentiert folgendermaßen: Wenn es wirklich so dramatisch ist mit der Klimakrise, müssten wir auch gegen den Willen der Menschen etwas tun und die Demokratie dazu ausschalten. Thiel nennt Greta Thunberg den Antichrist, wenn Menschen wie sie die Welt bestimmen würden, dann wäre das aus seiner Sicht schrecklich. Eine ökologische Diktatur", erklärt Palaver.

Aber für Thiel sind nicht nur Öko-Aktivisten ein Übel, sondern auch Technik-Skeptiker und generell jede multilaterale Organisation, die eine Weltordnung errichten will, wie die Uno oder die OSZE. Aus seiner Sicht habe sich die Welt seit 1970 nicht mehr weiterentwickelt, die Regierungen würden alte Errungenschaften nur noch verwalten, die Bürokratie sei überbordend, kein Fortschritt mehr möglich. "Thiels Antwort darauf: Um voranzukommen, muss man die Demokratie ausschalten und eine Herrschaft der technologischen Elite installieren." Palaver holt tief Luft: "Deshalb nenne ich das Technofaschismus und halte das für unsere Demokratie für gefährlich."

Über die Apokalypse, den Antichrist und den Katechon hat Palaver im Juli letzten Jahres bei einem weiteren philosophischen Abendessen in einer von Thiels privaten Villen in Beverly Hills diskutiert. Er war auf dem Weg zur Girard-Weltkonferenz in Mexiko-Stadt, Thiel flog den Professor für ein paar Tage ein. Es war die erste intensive Begegnung seit 2016, und einiges hatte sich verändert.

In Thiels Imitatio-Stiftung haben jetzt junge Männer das Sagen, die den Pronatalisten nahestehen. Einer konservativ-christlichen Bewegung, die möglichst viele Kinder bekommen und diese zuhause erziehen und so eine bessere Elite heranzüchten will. Politisch bezeichnen sie sich als "Integralisten" oder "Neointegralisten", sie wollen Kirche und Staat wieder als Machteinheit denken, also eine Art Gottesstaat installieren. Sie wählen Trump, aber eigentlich warten sie nur auf J.D. Vance, Trumps Kronprinzen, ein enger Vertrauter Thiels und wie er bekennender Girardist.

Es ist eine paradoxe und auch gruselige Welt. Hier kann man schwul und verheiratet sein und zwei Töchter adoptiert haben, wie Thiel, und sich trotzdem als konservativer Christ verstehen. "Ist das ein Zwiespalt in ihm? Ich weiß es nicht. Er ist eine komplexe Gestalt", sagt Palaver.

Nach dem Besuch der Pronatalisten-Messe ging es für Palaver in Thiels Anwesen, abgeschirmt wie eine Festung. Als Gesprächsthema ist der "Katechon" gesetzt, Palaver steht Thiel und einer Handvoll jungen Managern, die sich ideologisch im Dreieck zwischen Imitatio, Caltech (California Institute of Technology) und Kirche verorten, drei Stunden lang Rede und Antwort. Sein erster Gang bleibt unberührt, weil er gar nicht dazu kommt, zu essen.

Hält Thiel sich für den Katechon? Oder sieht er Trump und die extreme Rechte als Aufhalter? Mit seinem Unternehmen Palantir, das auf Spionageabwehr genauso wie auf Spionage spezialisiert ist, hätte er jedenfalls das beste Instrument für eine datengetriebene Weltherrschaft in der Hand. "Wenn ich ihn frage:'Auf welcher Seite stehst du?', bekomme ich keine Antwort", erzählt Palaver. Das nährt sein Gefühl, dass es auch gar nicht darum geht, wirklich etwas zu Ende zu denken, sondern darum, sich einfach ein wenig philosophisches Unterfutter zu holen, eine Ideologie für ihr Gewinnstreben zusammenzuzimmern.

Es gibt einfachere Aufgaben, als sich als Thiels intellektueller Seelsorger zu engagieren. Palavers Rat an Thiel und seine Jünger ist immer der gleiche, und in solchen Momenten spricht aus ihm weniger der Girard-Kenner als der Friedensaktivist: "Es hilft nichts, wir müssen die Menschen überzeugen und uns auf demokratische Prozesse einlassen. Diktaturen funktionieren nicht."

Das richtete er Thiel auch aus, als US-Vizepräsident Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025 Europa als eine Staatengemeinschaft hinstellte, in der es keine Rede-und Religionsfreiheit gäbe, weswegen man dringend die rechtsextreme AfD wählen sollte. Vance zitierte dazu Papst Johannes Paul II. mit seinen Worten "Fürchtet euch nicht". Da setzte sich Palaver an seinen Computer und schickte Thiel ein geharnischtes Mail. "Das war heuchlerisch. Man kann an diesem Papst viel kritisieren, zuallererst seine Sexualmoral. Aber er ist immer für Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte eingetreten." Es kam eine ausweichende Antwort, im Sinne von: Ja, da habe er schon recht, aber andererseits

Aber zumindest bleibt Palaver mit Thiel im Austausch, wie zuletzt, als er in Jenbach zum Abendessen vorbeischaute. "Mein Hauptanliegen ist, dass Girards Erbe nicht völlig politisiert wird", sagt Palaver. "Vielleicht schaffe ich es, ihm in dem einen oder anderen Punkt etwas aufzuzeigen. Ich spreche mit ihm als Girardist, aber auch als Christ. Besser ich rede mit ihm, als ich rede nicht mit ihm. Dann habe ich es zumindest versucht."

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