

Entschädigt, nicht wiedergutgemacht
Barbaba Tóth in FALTER 20/2015 vom 15.05.2015 (S. 19)
Rechtzeitig zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges erscheinen nicht nur viele Bücher zu den Ereignissen der Kriegsjahre, sondern auch solche, die sich mit den Spätfolgen des Krieges auseinandersetzen. Eines davon hat der Historiker Stefan Karner herausgegeben. Der Sammelband „Schweres Erbe und ‚Wiedergutmachung‘“ (der Begriff „Wiedergutmachung“ steht bewusst unter Anführungszeichen) befasst sich mit der späten Entschädigung von Opfern des NS-Regimes, die ab dem Jahr 2000 unter der Regierung Wolfgang Schüssels (ÖVP) verhandelt und verwirklicht wurde.
Die Republik hatte sich lange vor dieser Verantwortung gedrückt. Stets galt Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Hitler-Regimes. Österreich sah sich bis in die 1990er-Jahre, was die Themen Restitution und „Wiedergutmachung“ anging, als Hitlers erstes Opfer – und damit als nicht zuständig. Das war einigermaßen paradox. Längst hatte das Land die Waldheim-Affäre durchlebt. Ex-Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) hatte in Israel Österreichs Mitschuld an Nazi-Verbrechen eingestanden. Aber wenn es um die Entschädigung von Zwangs- und Sklavenarbeitern ging, hielt die Politik des Landes still.
Dass es dann ausgerechnet eine kleine Koalition mit der FPÖ als Regierungspartner war, die die Restitutionsdebatte aufgriff und zum Abschluss brachte, lag nicht nur daran, dass ähnliche Debatten in Deutschland und der Schweiz zu diesem Zeitpunkt schon massiv geführt wurden und es absehbar war, dass Österreich sich nicht noch einmal würde drücken können.
Der Journalist Hans Rauscher beschreibt in seinem lesenswerten Beitrag auch das kühle Kalkül Schüssels, gerade mit der FPÖ als Koalitionspartner das Thema offensiv anzugehen – und rasch zum Abschluss zu bringen. Immerhin stand Österreich wegen des Wahlerfolgs der FPÖ als neofaschistisches Land da, eine Gruppe von EU-Ländern drohte mit Sanktionen. Ein großes Stück historische Schuld zu begleichen kam da sehr gelegen. Rauscher versucht auch, Schüssels vergangenheitspolitisches Verständnis zu beschreiben. Neben den Zahlungen an Zwangsarbeiter kam es damals ja auch zu Zahlungen an Kriegsgefangene und Vertriebene. Auch um die FPÖ ruhigzustellen. Ebenfalls erhellend ist der Rückblick des Juristen Clemens Jabloner auf die Historikerkommission, die in den Jahren davor den Weg für die Restitution unter Schüssel wesentlich aufbereitet hatte. Auch Jabloner betont den guten außenpolitischen Verwertungsaspekt.
Solche erklärenden und nicht nur bilanzierenden Ansätze kommen im Sammelband dann auch etwas zu kurz. Die Entschädigungszahlungen waren letztlich eben keine Heldentat der schwarz-blauen Regierung allein, sondern das Ergebnis vieler Vorarbeiten. Dazu kam die Überzeugung und Charakterstärke von Akteuren wie Maria Schaumayer und Ernst Sucharipa, denen der US-Verhandler Stuart Eizenstat in seinen Erinnerungen zu Recht ein Denkmal setzt.