Was einmal war

Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens
1440 Seiten, Hardcover
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Reihe Die Bibliothek des Raubes
ISBN 9783707600490
Erscheinungsdatum 10.11.2003
Genre Geschichte/Neuzeit bis 1918
Verlag Czernin
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Kurzbeschreibung des Verlags

Zu den Quellen Die mit der Vernichtung einhergehende NS-Enteignungsmaschinerie basierte auf einer stets mehrere Instanzen durchlaufenden Systematik, die weder eine geradlinige Spur noch einen geschlossenen Aktenbestand hinterlassen hat. Vielmehr wurde die Enteignung im Spannungsfeld mehrerer Machtzentren vollzogen und verschiedene, anfänglich stark miteinander konkurrenzierende Institutionen mit der infolge bewusst gesetzter Regulierungsmaßnahmen zunehmend bürokratischen scheinlegalen Abwicklung betraut. "Pfändung", "Sicherstellung" und "Beschlagnahme" waren die operativen, sich wechselseitig ablösenden und ergänzenden Rechtstitel, unter denen die Enteignung stattfand; die jeweils zuständigen Behörden waren das Finanzamt, die Zentralstelle für Denkmalschutz bzw. der Wiener Magistrat und die Finanzlandesdirektion. Von einer Vollständigkeit der Quellen kann aufgrund dieser Wechselwirkungen und Verflechtungen nicht ausgegangen werden: Nur selten findet sich ein vollständiges Sammlungsinventar, zumeist sind es mehrere Inventare zu Teilbeständen, die verschiedene Etappen der Enteignung festhalten. Die für dieses Buch ausgewählten Inventare stammen aus einer möglichst breiten Palette unterschiedlicher Quellen, die die Instanzen des Raubes markieren und deren Systematik durchleuchten. Das Gros der Dokumente stellen die in den Vermögensanmeldungen enthaltenen Sammlungsinventare (zumeist aus dem Juni und Juli 1938), die Ausfuhranmeldungen aus den Jahren 1938 und 1939 bzw. die in Folge von Ausfuhrsperren ergangenen "Sicherstellungs"-Bescheide des Wiener Magistrats. Herangezogen wurden auch Wohnungsbeschauprotokolle und Dorotheumskataloge zu den Versteigerungen von vollständigen Wohnungseinrichtungen, die in schonungslosen Protokollen Kunst- und Gebrauchsgegenstände einander gleichsetzen und jeglichen Affektionswert einer Sammlung negieren. Einzelne Ergänzungen dieser Inventare ermöglichten die Fotokartei der ehemaligen Zentralstelle für Denkmalschutz sowie die abschriftlich erhalten gebliebenen Journalbücher der VUGESTA. In nur wenigen Fällen konnte auf Kataloge und Schätzgutachten zurückgegriffen werden, die vor 1938 erstellt wurden und daher einen verlässlichen Einblick in eine Sammlung geben. Einen generellen Eindruck, wenn auch selten detaillierte Angaben vermögen jene in den frühen zwanziger Jahren gegenüber dem Staatsdenkmalamt abgegebenen Notariatsakten über die Widmung von Privatsammlungen für die öffentliche Besichtigung zu vermitteln. In mehreren Fällen konnten ausschließlich Aufzeichnungen zu Rückstellungsbemühungen aus den späten vierziger Jahren bzw. so genannte "Suchlisten" von entzogenen Kunstgegenständen gefunden werden. In allen Fällen sind Orthographie, Syntax und Interpunktion der Originaldokumente beibehalten worden. Anhand dieser sehr unterschiedlichen Unterlagen soll eine möglichst breite Palette von Sammlungen rekonstruiert werden, wobei der Schwerpunkt auf Gemäldesammlungen gelegt wurde. Einerseits erfreute sich das Sammeln von Bildern besonderer Beliebtheit, andererseits bürgt deren Wert als Unikate meist für penible Aufzeichnungen. Der Vollständigkeit halber wurden auch einige wichtige Glas- und Porzellansammlungen, zwei Silbersammlungen, eine Antikensammlung sowie eine ethnographische Sammlung dokumentiert. Schmuck, Waffen und Bibliotheken konnten in den gegebenen Fällen aus Platzgründen nur am Rande behandelt werden. Auch wurde darauf geachtet, ein Gleichgewicht zwischen Sammlungen Alter Meister, Sammlungen des 19. Jahrhunderts und Sammlungen zeitgenössischer Kunst zu halten. Neben den drei bekanntesten und wohl wichtigsten enteigneten Wiener Sammlungen Rothschild, Bondy und Gutmann und einer größeren Anzahl ebenfalls sehr guter und bedeutender Sammlungen werden auch einige kleine, sehr persönliche und weitgehend unbekannte Sammlungen erstmals porträtiert. Es ist dies der Versuch, den sehr unterschiedlichen Sammlungsschwerpunkten und -möglichkeiten einzelner Personen gerecht zu werden und einem homogenisierenden Sammlerbegriff entgegen zu wirken. Dort wo in den Sammlungsinventaren Schätzpreise angeführt wurden, sind diese wiedergegeben, um einen zusätzlichen Anhaltspunkt zur Identifikation eines Stückes zu geben. Als Ausgangspunkt der Berechnung kann der Index der Österreichischen Nationalbank herangezogen werden, wobei durch eine solche Umrechung zumindest zwei Faktoren nicht berücksichtigt werden: Einerseits der enorme Preisverfall alleine im Jahr 1938, als der Kunstmarkt unter der Last tausender österreichischer Flüchtlinge zusammengebrochen ist, und andererseits die oft großen Divergenzen zwischen den Bewertungen von entgegenkommenderen und von weniger wohlwollenden Schätzmeistern. Auf jeden Fall erscheint ein selbstreferenzieller Vergleich aussagekräftiger als die heutige Valorisierung. Privilegiert und vergleichsweise hoch bewertet wurden von der NS-Ideologie die deutschen und österreichischen Schulen des 19. Jahrhunderts, die in den Dienst einer national-romantischen Identität gestellt wurden. Postuliert wurde dabei ein historisches Kontinuum, das von der Renaissance über die Niederländer zur Deutsch-Österreichischen Genrekunst des 19. Jahrhunderts führte, gewisse Kunstepochen – zum Beispiel die des Erzfeindes Frankreich – ausschloss und dafür die heimischen Maler wie etwa Hans Makart, Adolph Menzel, Moritz von Schwind, Carl Spitzweg und Eduard Grützner zu ihren Nationalhelden erkor. In den Sammlungen des Wiener Bürgertums stieß man auf Rudolf von Alt, Ferdinand Georg Waldmüller und August Pettenkofen und bemächtigte sich dieser in einem Maße, das heute eine völlig Neubearbeitung ihres Oeuvres gerechtfertigt erscheinen lässt. Erwartungsgemäß gering geschätzt wurde von den Nationalsozialisten die zeitgenössische Kunst, wobei die österreichische Moderne eher Desinteresse erntete, statt – wie die deutsche Avantgarde – als "entartet" eingestuft zu werden. Der hierfür symptomatische lapidare Hinweis auf ein nicht näher bezeichnetes Mappenwerk ("250 Blatt Schiele, Kokoschka etc., ohne Verkaufswert") führt dabei eindringlich die Vorreiterrolle jener sehr kleinen Minderheit vor Augen, die die Bedeutung dieser Werke in der Ära ihrer Entstehung erkannt und gefördert hat – ein Verdienst, der heute aufgrund der enormen Wertsteigerung, die das "Fin de Siècle" in jüngsten Jahren erfahren hat, nur selten entsprechend gewürdigt wird. Nur die wenigsten der porträtierten Personen – etwa Gustav Arens, Stefan Auspitz, Edwin und Caroline Czeczowiczka oder Georg Terramare – sind in ihrem Selbstverständnis wahre Sammler gewesen, die über viele Jahre eine ihren Vorstellungen und Möglichkeiten entsprechende Sammlung systematisch aufgebaut haben. Die meisten unter ihnen waren schlicht Besitzer von Kunstwerken: Industrielle, die ihre Salons und Geschäftsräume ausstatten ließen und deren Kunstbesitz in erster Linie eine Begleiterscheinung des wirtschaftlichen und sozialen Erfolges darstellte. Zu berücksichtigen ist auch die Selbstdarstellung des aufstrebenden, assimilierten jüdischen Bürgertums, das sich durch die Annahme einer historistisch ausgerichteten bürgerlichen Ästhetik seine Aufnahme in der größeren Gesellschaft bestätigte und sich innerhalb dieser kulturellen und historischen Tradition positionierte. Erst die seltenen zeitgenössischen Sammlungen – etwa eines Heinrich Rieger, Oscar Reichel, einer Serena Lederer oder der in ihrer Bedeutung für die österreichische Moderne nicht zu unterschätzenden Familie Zuckerkandl – sind Ausdruck des Selbstbewusstseins jener neuen Generation gewesen, die diese Tradition ablöste und durch ihre Förderung und Teilnahme an der Avantgarde zu einem neuen Selbstverständnis als Sammler und Kunstmäzene gelangte. So umfassend sie auch erscheinen mag, die getroffene Auswahl der porträtierten Sammlungen ist keineswegs vollständig. Zu mehreren, durchaus bekannten Sammlungen konnten keine oder nur bruchstückhafte Anhaltspunkte gefunden werden. Exemplarisch angeführt sei die ausgezeichnete niederländische Sammlung des Filzfabrikanten Willibald Duschnitz (1884 Wien–1976 Teresopolis), eines Bauherrn von Adolf Loos, deren vollständige Dokumentation noch nicht geglückt ist. Die Ursache hierfür liegt wohl weniger an der oftmals geäußerten Vermutung, die relevanten Akten seien durch die Archive skartiert oder unter dem Vorwand des Datenschutzes für die Forschung gesperrt worden, sondern vielmehr am Gegenteil: am enormen, einen Überblick nur schwer zulassenden Volumen des erhalten gebliebenen Materials und seiner bislang nur lückenhaften Bearbeitung. Keine oder eine nur kursorische Erwähnung in den NS-Archivalien finden sämtliche Sammlungen zeitgenössischer Kunst, deren Wert allgemein noch nicht etabliert und die zudem durch ihren unangepassten, oft regimekritischen Ausdruck bei den Nationalsozialisten verpönt war. Darüber hinaus als erschwerend erwies sich der Umstand, dass die Ausfuhr von Werken zeitgenössischer Künstler grundsätzlich nicht bzw. erst zwanzig Jahre nach deren Tod den Ausfuhrbestimmungen unterlagen: Im konkreten Fall der drei wichtigsten Vertreter der österreichischen Moderne bedeutete dies, dass Werke Egon Schieles und Gustav Klimts erst ab 1939, Werke Oskar Kokoschkas zum gegebenen Zeitpunkt überhaupt nicht anmeldepflichtig waren. Die Sammlung des im Ghetto Lodz ermordeten Schiele-Sammlers Karl Mayländer (1872 Wien–1942 Lodz) oder des nach Großbritannien vertriebenen Kunsthistorikers und Kokoschka-Sammlers Hans Tietze (1880 Prag–1954 New York) sind nur zwei Beispiele für zeitgenössische Sammlungen, die somit bis dato nicht hinreichend dokumentiert werden konnten. Unerwarteterweise fehlen auch einschlägige Dokumente zur Sammlung der Kunsthändlerin und ehemaligen Eigentümerin der Galerie Würthle, Lea Bondy Jaray (1880 Wien–1969 London), deren "Bildnis der Wally" von Egon Schiele anlässlich seiner Beschlagnahme durch das New Yorker Gericht im Jahr 1998 bekanntlich der Auslöser für die Schaffung des Bundesgesetzes über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und öffentlichen Sammlungen gewesen ist. Einen eigenständigen Bereich stellt der Bildteil des vorliegendes Buches dar, der parallel zum Text ausschließlich dokumentarisch ausgerichtet ist und keine kritischen Absichten verfolgt. Bei den ausgewählten Bildern handelt es sich in erster Linie um Objekte, die nach Kriegsende nicht rückgestellt worden sind bzw. um verschollene Objekte, die von ihren rechtmäßigen Eigentümern nach wie vor gesucht werden. Einzelne Ausnahmen restituierter Gegenstände rechtfertigen sich durch deren außerordentliche Güte und Bedeutung für eine Sammlung. Hauptquelle für die Fotorecherche war das Fotoarchiv des Bundesdenkmalamts, in dem rund 6.000 Diapositive von Gegenständen erhalten geblieben sind, die zwischen 1938 und 1945 in den Geltungsbereich der damaligen Zentralstelle für Denkmalschutz bzw. des Instituts für Denkmalpflege gelangten. Neben den Beschlagnahmen zugunsten des so genannten "Führermuseums" in Linz gehörten hierzu auch Gegenstände, die nach ihrer "Sicherstellung" aufgrund von Ausfuhrbeschränkungen in den Gewahrsam der Denkmalbehörde übergeben worden sind. Einzelne Teile dieses Bestandes – etwa Fotos zur beschlagnahmten Sammlung Thorsch – wurden offenbar irrtümlicherweise ausgegliedert und befinden sich heute im Österreichischen Bildarchiv. Weiteres, überaus wichtiges Material lieferten historische Ausstellungs- und Versteigerungskataloge sowie Werkverzeichnisse und Kunstkritik aus der Zeit vor 1938, etwa die als Standardwerk geltende Wiener Kunsttopographie von Hans Tietze (1908) oder Theodor von Frimmels wichtige, wenngleich unvollendet gebliebene Besprechung der Wiener Gemäldesammlungen (1913). Als unerlässlich zur Identifikation von Gegenständen, die zur öffentlichen Versteigerung gelangt waren, insbesondere von VUGESTA-Einbringungen, erwies sich die systematische Bearbeitung von Dorotheums-Katalogen aus der Zeit zwischen 1938 und 1945. Deren im heutigen Vergleich sparsame Bebilderung und oftmals schlechte Qualität des Fotomaterials setzt sich als gemeinsamer Nenner in allen Quellen fort und prägte letztlich – da die Originale in den meisten Fällen nicht bekannt sind – auch die Ausstattung des vorliegenden Buches. Die biographischen Angaben, die in kurzem Abriss dem jeweiligen Sammlungsinventar vorangestellt sind, stammen aus dem eingehenden ergänzenden Vergleich der Dokumente der Enteignung mit anderen Quellen. Bewusst wurde auf die Bezeichnung "jüdische" Sammler verzichtet, zumal das Prädikat "jüdisch" nur der von der NS-Rassenideologie ersonnene Titel war, der die Enteignung ermöglicht und gerechtfertigt hat. Nur in wenigen der beschriebenen Fälle hatte dies mit dem Selbstverständnis der porträtierten Personen zu tun. Diese biographische Kontextualisierung soll dort, wo Entrechtung und Verfolgung die letzte Spur einer Generation Vertriebener und Vergessener bilden, zugleich der Versuch sein, der Entmenschlichung und Anonymisierung der Opfer entgegen zu wirken und Erinnerungsarbeit zu leisten. Lebensdaten und genealogische Bezüge wurden anhand von Geburts-, Ehe- und Sterbematriken der Israelitischen Kultusgemeinde, von historischen Meldedaten der Stadt Wien, von Verlassenschaftsabhandlungen aus den Bezirksgerichten, von Friedhofskarteien, Todesanzeigen und aus dem U.S. Social Security Death Index rekonstruiert. Deportationsdaten stammen ausnahmslos aus der ausgezeichneten, vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes zusammengetragenen "Namentlichen Erfassung der österreichischen Holocaust-Opfer". Zu Beruf und Wirtschaftsleben gaben Lehmann’s Wiener Adressenanzeiger, finanzielle Jahrbücher zu Industrie und Handel aus den frühen dreißiger Jahren, der Österreichische Amtskalender und einschlägige zeitgenössische Darstellungen des Wiener Gesellschaftslebens Auskunft. Unerlässlich waren die Erzählungen und Aufzeichnungen der Familien der Sammler, die den Geist ihrer Eltern und Großeltern mit sich in das Exil gerettet haben und heute lebendiges Zeugnis geben von all dem, was einmal war.

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Erscheinungsdatum 10.11.2003
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FALTER-Rezension

Gabriele Anderl in FALTER 49/2003 vom 03.12.2003 (S. 16)

Ein neues Buch dokumentiert, wie sich Museen, Kunsthandel und Einzelne an jüdischen Sammlungen bereicherten. Besonders erfolgreich dabei war der Wiener Schätzmeister Anton Exner.

Er hatte Dutzende Reisen nach China und Japan unternommen, war Eigentümer eines Fachgeschäfts für ostasiatische Kunst in Wien, ein besessener Sammler und wegen seiner Spezialkenntnisse zugleich Schätzmeister am Dorotheum: Anton Exner. Bis 1944 taucht sein Name im Zusammenhang mit fast allen großen Auktionen auf, bei denen auch Ostasiatika versteigert wurden. Die 474. Kunstauktion vom 31. März 1941, bei der ausschließlich chinesische und japanische Kunstgegenstände von hoher Qualität aus den Beständen einer Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen - nicht namentlich genannten - Sammlung unter den Hammer kamen, stellte dabei keine Ausnahme dar. Vieles spricht dafür, dass es sich um eine Sammlung aus jüdischem Besitz gehandelt hat.

An mehreren Stellen findet sich Exners Name auch in dem eben erschienenen Buch von Sophie Lillie, in dem es, wie schon der Titel - "Was einmal war" - besagt, um Verlorenes geht: um die jüdischen Kunstsammlungen, die nach 1938 zerschlagen und ihren Besitzern entzogen worden sind, während diese flüchten mussten oder ermordet wurden. Rund 150 dieser Sammlungen hat die Kunsthistorikerin in akribischer Arbeit rekonstruiert. Das Buch besteht aus umfangreichen Inventarlisten, denen knappe und dennoch berührende Einleitungstexte zu den Biografien der Eigentümer und dem Schicksal der jeweiligen Sammlungen vorangestellt sind.

Der "Fall Exner" ist nur einer von vielen, die sich auf Basis dieses Buches weiter verfolgen lässt. Er beweist, dass auch für die Provenienzforschung in den Museen - trotz ihrer unbestreitbaren Verdienste - noch viel an Arbeit zu leisten bleibt.

Eine der von Lillie porträtierten Sammlungen ist etwa die von Hans Amon. Dieser hatte eine auf Kunst und Kultur Ostasiens spezialisierte Buchhandlung im so genannten "Hochhaus" Herrengasse/Wallnerstraße/Fahnengasse im ersten Bezirk sowie eine bemerkenswerte Asiatika-Sammlung besessen. Hans Amon und Anton Exner teilten somit die Leidenschaft für erlesene Kunst aus Fernost. Es ist denkbar, ja sogar wahrscheinlich, dass sie einander gekannt haben.

Am 12. Februar 1939 machte Exner an die unter anderem für die Genehmigungen zur Ausfuhr von Kunst- und Kulturgütern zuständige "Zentralstelle für Denkmalschutz" (heute Bundesdenkmalamt) eine Mitteilung "in Angelegenheit des Juden Hans Amon": "Im Besitze des Amon", erklärte Exner, befinde sich "eine Anzahl wertvoller japanischer Drucke, an denen die Kunstsammlungen der Ostmark besonders arm sind. Drucke dieser Art werden von allen Museen der Welt für die Kunsterforschung für sehr wichtig gehalten und derart gesammelt, dass im Welthandel fast nichts mehr dieser Art vorhanden ist. Es wäre daher ein nicht wieder gut zu machender Schaden, der gesamten Sammlung die Ausfuhrerlaubnis zu erteilen. Unsere Albertina besitzt an ostasiatischen Beständen fast gar nichts Gutes und ich empfehle, das wertvollere Kunstgut der Sammlung Amon diesem Institut zu erhalten." Exner drängte die Behörde, "die auf diese Gegenstände bereits erteilte Ausfuhrerlaubnis aufzuheben".

Im Fall Amon kam Exner - zumindest beim Denkmalamt - zu spät. Denn wie aus einem Aktenvermerk dieser Behörde hervorgeht, befand sich die Sammlung bereits außer Landes.

Mehr Glück hatte Exner im Fall von Klara Steiner, die wie ihre Mutter Jenny eine beachtliche Kunstsammlung, vor allem auch kostbare Ostasiatika, besaß. Ein Teil der Sammlung wurde nach 1938 beschlagnahmt und Anfang Jänner 1940 im Dorotheum versteigert. Die nach Kriegsende von Steiner betriebenen Nachforschungen ergaben, dass mehrere Gegenstände offenbar von Exner bzw. dessen Tochter erworben worden waren. Über den Verbleib konnten oder wollten die Letztgenannten aber keine Auskunft erteilen. Von ihren in Verlust geratenen Schätzen konnte Steiner nur ein einziges Objekt ausfindig machen: eine exquisite, aus der Zeit um 1200 stammende chinesische Holzstatue des Bodhisattva, die im Dorotheum versteigert worden war. Die Besitzerin stiftete die Anfang der 1950er-Jahre restituierte Statue 1970 dem Metropolitan Museum of Art in ihrer neuen Heimatstadt New York.

Am 23. Dezember 1958 hatte die Zeitung Neues Österreich unter dem Titel "Arisierte Grabfiguren in der Museumsvitrine" über den Rückstellungsprozess eines während der NS-Zeit aus Wien vertriebenen Ehepaares "C." (es handelte sich um den Textilindustriellen Edwin Czeczowiczka und dessen Frau Caroline) gegen die Republik Österreich berichtet. Unter anderem ging es dabei um "zwei chinesische Grabfiguren von hohem musealem Wert" - eine Prinzessin aus der Tang-Zeit und zwei Pferde aus der Wie-Periode -, die "auf eigenartigen Umwegen in das Museum für angewandte Kunst (MAK) gelangt" waren. Die Umwege hatten über Anton Exner geführt: Der bei der Verhandlung als Zeuge einvernommene Kunsthändler Förster gab zu Protokoll, er habe die Figuren 1927 aus China importiert und an das Ehepaar verkauft. Fast während der gesamten NS-Zeit sei Exner der einzige Experte für ostasiatische Kunst gewesen und habe im Rahmen seiner Tätigkeit für die Vermögensverkehrsstelle (die zentrale "Arisierungsbehörde" in Wien) Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz zu seinen eigenen Schätzpreisen angekauft. Exner hatte in dieser Zeit die Errichtung eines Asienmuseums in Wien auf Basis seiner eigenen Sammlung geplant: "In seinem Fanatismus für dieses Werk ging er so weit, dass er beispielsweise jüdisches Transportgut, das bereits den Emigranten zur Verschiffung nach Hamburg nachgeschickt worden war, zurückbeorderte, weil er erfahren hatte, dass dieser Lift' einen Kunstgegenstand enthielt, der ihm für eine Serie fehlte. So kam der ganze Transport zurück, der Krieg brach aus, und die Eigentümer im Ausland waren um ihr Hab und Gut gekommen", berichtete Förster. Exner habe auch die beiden Keramiken aus dem Besitz Czeczowiczka für dieses Projekt zurückbehalten; sie seien nach dem Krieg mit anderen Kunstgegenständen aus der Sammlung Exner dem MAK vermacht worden.

Obwohl das im Ausland lebende Ehepaar Czeczowiczka bereits 1945 dem Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Wiens, Alfred Stix, sowie dem Denkmalamt eine Suchliste der ihnen geraubten Objekte übergeben hatte, hatte das MAK die Figuren übernommen. Die Finanzprokuratur, die im Rückstellungsprozess das MAK vertrat, verteidigte die Transaktion als "redlichen und gutgläubigen" Erwerb, doch die beiden Objekte wurden restituiert.

Dasselbe gilt für einen Teil der zahllosen anderen Kunstobjekte aus den von Lillie rekonstruierten Sammlungen. Ein großer Teil bleibt freilich bis heute unauffindbar. Vor allem in den zahlreichen Fällen, in denen die Wertgegenstände über Auktionshäuser und den Kunsthandel an Privatpersonen veräußert wurden, verloren sich die Spuren besonders rasch - zählt doch in dieser Branche Diskretion zu den Grundregeln des Geschäfts.

Während das Ehepaar Czeczowiczka, Hans Amon, Klara Steiner und viele andere jüdische Sammler heute weitgehend vergessen sind, ist es Anton Exner und seinem dieser Tage 92-jährig verstorbenen Sohn Walter gelungen, sich als Spender wertvoller ostasiatischer Kunst an Wiener Museen - vor allem an das MAK - zu verewigen. In einer 1982 zu Anton Exners hundertstem Geburtstag herausgegebenen Gedenkschrift würdigte der damalige Direktor des MAK, Herbert Fux, den 1952 Verstorbenen mit überschwänglichen Worten. Das Haus am Stubenring verdanke ihm die größte Schenkung in seiner über hundertjährigen Geschichte - rund "3000 Objekte hervorragender Qualität", eine "Größenordnung", die sich "in einer einzigen Ausstellung nicht mehr präsentieren lässt, weil damit die Grenzen des Überschaubaren überschritten würden".

Auch mit den Leitungsmitgliedern des Völkerkundemuseums hatte Exner jahrzehntelang regen Kontakt gepflegt. Das Haus hatte von ihm zwischen 1928 und 1952 rund tausend Leihgaben für Ausstellungen, aber auch zahlreiche Schenkungen erhalten - einen beträchtlichen Teil davon in den Jahren 1938 bis 1943.

Anton Exner war bereits seit 1931 NSDAP-Mitglied gewesen. Gemäß staatspolizeilicher Erhebungen war er ein "radikaler Nationalsozialist", der sich "besonders antisemitisch betätigt" hatte. In einem 1938 ausgefüllten Personalfragebogen der NSDAP hatte Exner betont, dass sein Haus in der Verbotszeit "eine Zufluchtsstelle für verfolgte, hilfsbedürftige Parteigenossen gewesen" war, sich dort eine geheime Druckerei befunden und sein Sohn Munition versteckt hatte. Er habe "in der Hauptanstalt des Dorotheums" für die NSDAP geworben und sogar auf seinen Weltreisen unter Gefahr für Freiheit und Leben "für den Nationalsozialismus und Deutschlands Ehre" gekämpft.

Die politische Vergangenheit des edlen Spenders wurde in der Gedenkschrift zu dessen hundertsten Geburtstag, die übrigens vom Wissenschaftsministerium herausgegeben wurde, mit keinem Wort erwähnt.

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