Kein Anwalt für Antigone!

Recht wider Recht in der "Antigone" des Sophokles
320 Seiten, Taschenbuch
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ISBN 9783707602609
Erscheinungsdatum 01.05.2008
Genre Recht
Verlag Czernin
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Czernin Verlags GmbH
Kupkagasse 4/3 | AT-1080 Wien
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Kurzbeschreibung des Verlags

Alfred Noll rekonstruiert, welche Interessen und Rechtsansprüche in dem ca. 2500 Jahre alten Stück Antigone von Sophokles aufeinanderprallen. Das Buch plädiert dafür, Antigone aus Vernunftgründen weniger sympathisch zu finden und dennoch ihre Auflehnung gegen die tyrannische Allmacht zu würdigen.

Hat das von Antigone herbeizitierte „ewige göttliche Recht“ Vorrang vor dem staatlichen Gesetz, mit dem Kreon die Beerdigung von Antigones Bruder Polyneikes verbietet? Oder geht es hier gar nicht um Rechtsansprüche, sondern nur um die Erkenntnis der göttlichen Einrichtung der Welt, an die sich die Menschen bei Strafe der Zerstörung halten müssen? Ist der Streit zwischen Kreon und Antigone ein Streit zwischen dem Recht des Staates und dem Recht des Blutes bzw. der Familie? Ist Antigones Beharren auf die Gültigkeit der göttlichen Gesetze gegenüber Kreon noch zeitgemäß? Warum haben sich von Hölderlin bis Hegel, von Hofmannsthal bis Brecht, von Cocteau bis Anouilh so viele von Antigone begeistern lassen?

Anhang: Friedrich Hölderlins Antigone-Übertragung

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FALTER-Rezension

Antigone war keine Heldin, sie war Fundamentalistin

Armin Thurnher in FALTER 43/2008 vom 24.10.2008 (S. 22)

Dieses Buch ist ein Sonderfall. Warum schreibt ein Anwalt ein Buch über eine antike Tragödie? Was kümmert uns heute noch die "Antigone" des Sophokles? Was das alte Griechenland? Und wa­rum bleibt der Jurist nicht bei seinen Akten? Alfred Noll, als streitbarer Citoyen, geistreicher Publizist und als Rechtsvertreter des Falter bekannt, hat ein Buch geschrieben, das zwar den Beruf des Anwalts im Titel und das Recht gleich doppelt im Untertitel trägt, aber ganz und gar nicht anwaltlich argumentiert.
Noll selbst ist sich seiner Sonderfälligkeit bewusst. In seinen Vorbemerkungen teilt er mit, das Buch sei aus einem Vortrag entstanden, das Thema Antigone habe ihn in einen "Strudel antiker Vorstellungswelten" gezogen. Trotz der Mahnung Hugo von Hofmannsthals, die er gleich dazusetzt, es sei vergeblich, "ringen zu wollen um das Unerreichliche", in diesem Fall um das Verständnis griechischer Tragödien, teilt Noll auch mit, er hoffe, sein Publikum mit seinem Interesse zu infizieren.

Wer sich auf dieses Buch einlässt, begibt sich in Infektionsgefahr, und zwar gerade deswegen, weil Noll kein einschlägiger Fachmann ist, weder Theaterwissenschaftler, Gräzist noch Althistoriker. Er hat sich aber, erstaunlich belesen, mit philosophischer, historischer und philologischer Literatur auseinandergesetzt und vor allem – was täte das Buch sonst auf der Seite "Politisches Buch" – hat er in einer Tragödie der griechischen Polis (von Polis stammt das Adjektiv politisch) eine Fragestellung identifiziert, die uns noch immer interessieren muss.
Alfred Noll führt uns in die Welt der Tragödie selbst und ihrer verschiedenen Interpretationen, er zeigt uns die Bedeutung der Tragödie in der athenischen Polis und auch den politischen Ort des Autors Sophokles, eines Freundes des führenden athenischen Staatsmanns Perikles.
Die Frage, ob Sophokles, der nicht nur Dichter, sondern auch athenischer Feldherr war, mit seiner Tragödie gleichsam nebenbei ein Stück athenischer Realpolitik geliefert hat, muss Noll offenlassen. Er legt aber scharfsinnig dar, dass Sophokles, falls er Tagespolitik im Sinn gehabt hätte, für und nicht gegen seinen Gesinnungsfreund Perikles eingetreten wäre.
Die Tragödie "Antigone" selbst dreht sich um ein Bestattungsverbot. Die beiden Brüder Eteokles und Polyneikes haben einan­der beim Kampf um die Stadt Theben getötet. Polyneikes wollte mit Bundesgenossen Theben angreifen. Ihrer beider Onkel Kreon, Herrscher der Stadt, ordnet ein Bestattungsverbot für den bösen Bruder an. Unbeerdigt soll er außerhalb der Mauern verwesen, Hunden und Vögeln zum Fraß. Antigone, die Schwester der beiden, durchbricht dieses Verbot und beerdigt Polyneikes, zumindest symbolisch. Kreon verurteilt sie zum Tode und lässt sie einmauern – sie soll verhungern. Ihre Schwester Ismene, die sich an der Tat beteiligen wollte, geht frei.
Unerbittlich nimmt die Tragödie ihren Lauf. Kreons Sohn Haimon überwirft sich mit dem Vater. Der bleibt so lange stur bei seinem Urteil, bis ihm der Seher Teiresias Schlimmstes weissagt. Als der geschockte Kreon Antigone freilassen will, hat sie sich erhängt. Sein Sohn Haimon, ihr Verlobter, bringt sich um, ebenso Kreons Frau Eury­dike. "Wie musstest du so spät erst sehn das Rechte", ruft der Chor dem geschlagenen Kreon zu.

Was aber ist dieses Rechte?, lautet Nolls zentrale und originelle Frage. Gewöhnlich wird Antigone als Heldin des zivilen Widerstands gezeigt, die sich dem Tyrannen Kreon und dessen sturem Rechtsdiktat widersetzt. Ihr wird ein "Widerstandsrecht" zugestanden, eine moralische Integrität, weil sie sich für das Menschenrecht auf Totenruhe einsetzt. Unbeerdigt käme ihr Bruder nicht in die Unterwelt, den Hades. Dabei, so zeigt Noll, wird jedoch unterschlagen, dass sie sich nicht auf Menschenrechte bezieht (abgesehen davon, dass die erst 2400 Jahre später deklariert werden), sondern auf göttliches Recht.
Sie beruft sich auf das ungeschriebene alte göttliche Gesetz, während sich ihr Gegenspieler Kreon auf das gesetzte Recht der Polis bezieht. Antigone hat in ihrem Horizont die Unterwelt, in die ihr Bruder gelangen können soll, Kreon statuiert ein ­Exempel gegen den Feind der Stadtgemeinschaft, welcher deren Bürgerschaft angriff und mit Tod und Sklaverei bedrohte.
Es stehen einander also nicht Widerstandsrecht und tyrannisches Unrecht gegenüber, sondern Naturrecht und positives Recht, zwei Formen von Recht, die beide im konkreten Fall auf ihre jeweils spezifische Weise Unrecht haben. Antigone stellt die Vorform einer Fundamentalistin dar, während Kreon an seiner Sturheit und Uneinsichtigkeit scheitert. Antigone sollte uns weniger sympathisch sein, als sie ist, ohne dass uns Kreon deswegen sympathischer würde, sagt Noll.

Andererseits: "Von der prinzipiellen Rechtsunterworfenheit aller Gesellschaftsmitglieder werden wir uns nur noch um den Preis der Barbarei abwenden können", und dieser Standpunkt "allgemeiner Rechtsunterworfenheit" wird, abstoßend, aber doch, von Kreon vertreten. Ein unauflöslicher – eben tragischer – Widerspruch, über den Noll einen Essay geschrieben hat, der uns auf originelle Weise nicht nur ein Stück Literatur nahebringt, sondern ein zentrales Problem jeder Gesellschaft.
Dieser Sonderfall von einem Buch scheint besonders gelungen. Da der Autor mit seinen wissenschaftlichen, rechtlichen und moralischen Skrupeln nicht hinterm Berg hält, entkommt man als Leser der oben angezeigten Infektionsgefahr nicht. Umso weniger, als erfreulicherweise die Tragödie in der Übersetzung Friedrich Hölderlins mitabgedruckt ist.

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