Feuerkraut

Eine politische Autobiografie
518 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783707602906
Erscheinungsdatum 02.03.2015
Genre Belletristik/Romanhafte Biografien
Verlag Czernin
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HerstellerangabenAnzeigen
Czernin Verlags GmbH
Kupkagasse 4/3 | AT-1080 Wien
office@czernin-verlag.com
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Kurzbeschreibung des Verlags

Gerda Lerners Autobiographie gewährt einen einzigartigen Einblick in das Leben der renommierten Historikerin und Pionierin der Frauenbewegung. Lebendig wird alles, was sie selbst lebte: Von der Wiener Bourgeoisie über die Auswanderung nach Amerika bis zu ihrer beruflichen Laufbahn als eine der feministischen Leitfiguren des 20. Jahrhunderts. Wien in den 20er Jahren. Gerda Kronstein wächst als Tochter einer Künstlerin und eines Apothekers in der höheren Wiener Gesellschaft auf, umgeben von Kindermädchen, Salons und Kammermusik. Schon als Kind und Jugendliche fällt sie durch ihre rebellische Art auf, die sie später in politische Aktivität umwandelt: Nie ein Blatt vor dem Mund und von der marxistischen Idee beeindruckt, bietet die junge Autorin den damals vorherrschenden Verhältnissen die Stirn. „Fireweed“ erzählt mitreißend die Entwicklung der renommierten Historikerin, die Anfänge und die prägenden Erlebnisse vor den und zu Zeiten des Nationalsozialismus in Wien sowie die Zeit nach ihrer Emigration in die USA. Mit viel Selbstironie und Witz setzt sich Gerda Lerner mit ihrem Werdegang auseinander, mit der gescheiterten ersten Ehe, mit der glücklichen zweiten, mit ihrer Rolle als Hausmutter bis hin zur eher „späten“ Berufung zu einer der weltbekanntesten Vertreterin der Frauengeschichte.

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ISBN 9783707602906
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FALTER-Rezension

Das Leben der Historikerin Gerda Lerner: Lebenslanges Lernen als politischer Akt

Klaus Nüchtern in FALTER 30/2022 vom 29.07.2022 (S. 26)

Ich schreibe, um herauszufinden, was ich weiß." Unter dieser Maxime hat Gerda Lerner im Alter von 82 Jahren ihre "politische Autobiografie" "Fireweed" (dt.: "Feuerkraut", 2009) vorgelegt. Sie endet im Jahr 1958, also just zu jener Zeit, als die am 30. April 1920 in Wien als Gerda Kronstein geborene Tochter aus wohlhabender jüdischer Familie ihre späte Bestimmung findet: Mit 38 Jahren beginnt sie zu studieren und avanciert in den 1960ern zur Begründerin der "Women's History".
Eigentlich eine "Success Story", ist der halben Lebensgeschichte Lerners (sie wird 92 Jahre alt) freilich jeglicher Triumphalismus fremd. Wie es einer Historikerin geziemt, der der redliche Umgang mit ihren Quellen oberstes Gebot ist, weiß Lerner um die Diskrepanz zwischen dem Erlebten, dem Erinnerten und dem nachträglich Recherchierten. Die verschiedenen Perspektiven miteinander abzugleichen und in ein ungeschöntes und dennoch sinnvolles Narrativ zu transformieren, ist ein mit Schmerzen (und Schuldgefühlen) verbundener Prozess, den Lerner auch deswegen auf so überzeugende und berührende Weise nachvollziehbar macht, weil ihr Selbstgefälligkeit so fremd ist wie Larmoyanz.

Alle Einsichten, für die sie später bekannt und gepriesen werden sollte, so resümiert Lerner am Ende von "Feuerkraut", verdanke sie ihrer Lebenserfahrung, die sie von Kindesbeinen an macht: im Widerstand gegen zweierlei Faschismen in Wien; im Kampf für Bürger-und Frauenrechte in den USA, wo sie 1939 als Flüchtling ankommt und während der hysterischen Paranoia der McCarthy-Ära schockiert feststellen muss, dass "das Recht, Rechte zu haben" (Hannah Arendt), auch in ihrer neuen, so vorbehaltlos ins Herz geschlossenen Heimat alles andere als selbstverständlich ist.

Politisiert wurde Lerner am Esstisch der Eltern. Zum Entsetzen des eher unpolitischen, aber verlässlich humanistisch gesonnenen Vaters, eines Apothekers, gibt Mama Ilona den Kommunisten eine Proteststimme. Die beiden führen -vertraglich abgesichert und diskret -eine "offene Ehe". Köchinnen, Gouvernanten und Nannys sind fixer Bestandteil des Haushalts, übernehmen die Funktion der künstlerisch begabten, ebenso ego-wie exzentrischen Mutter, die sich für Gerda erst zu interessieren beginnt, als diese schon mitten in der Pubertät steckt. Ein eifersüchtiges, aufsässiges und von einem glühenden Gerechtigkeitsfanatismus beseeltes Mädel, verweigert die junge Gerda (die nach ihrer Ibsen-narrischen Mama eigentlich Hedda hätte heißen sollen) ihre Bat Mizwa und wird schließlich brutal ins Erwachsenendasein gestoßen.

Den Beschuss des Karl-Marx-Hofes im Februar 1934 erlebt die 13-Jährige aus nächster Nähe; er besiegelt eine lebenslange Identifikation mit der Arbeiterklasse. Als sie 1939 so wie auch ihre Mutter von den Nazis ins Gefängnis geworfen wird, um die Rückkehr des Vaters aus Vaduz zu erpressen (wo er eine zweite Apotheke besitzt), sorgt sich die Vorzugsschülerin vor allem darum, rechtzeitig zur Matura wieder auf freiem Fuss zu sein. Und Gerda macht in der Zellengemeinschaft mit anderen jungen Frauen wieder einmal eine entscheidende (und sehr eindringlich geschilderte) Erfahrung: "Wir gingen human und anständig miteinander um, und wir hätten alles Erdenkliche getan, um einander beizustehen. Gleichzeitig wurden wir zu Monstern allen jenen gegenüber, die das Überleben unserer Gruppe gefährdeten." Überleben, so lernt Lerner, setzt voraus, irgendeine Form von sozialem Kontakt zu halten.

"Wir mussten lernen, mutiger zu sein, als wir es waren", heißt es einmal. In den USA, wo sich Gerda mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, wird sie lernen müssen, "arm zu sein", bevor sie als gelernte Röntgenassistentin einen ersten regulären und einträglichen Job ergattert und nach einer unglücklichen, für ihre Emigration aber notwendigen Ehe der Liebe ihres Lebens begegnet: Carl Lerner, der als Cutter von Filmklassikern wie "Die zwölf Geschworenen" oder "Klute" Berühmtheit erlangen sollte. Lerner arbeitet an ihrer Aussprache, liest täglich die New York Times und ist überglücklich, als sie nicht nur "auf Amerikanisch" denkt, sondern auch träumt. Als Schriftstellerin mäßig erfolgreich zieht sie "daneben" zwei Kinder groß, engagiert sich in der Friedensbewegung, für Frauenrechte und in "gemischtrassigen" Communitys. Die Erkenntnis, dass ein Ferienlager für unterprivilegierte Kinder mitunter Priorität vor der finalen Weltrettung hat, führt zum Bruch mit der Kommunistischen Partei.

Bei ihrer Arbeit an einem Roman über die beiden weißen Abolitionistinnen Angelina und Sarah Grimké wird Lerner "die Kluft zwischen den historischen Quellen und meiner Fähigkeit, sie richtig zu deuten", bewusst. Sie bricht ihre Karriere als Schriftstellerin ab, absolviert in Abendkursen an der New School for Social Research ihr Bakkalaureatsstudium und promoviert 1966 an der Columbia University -mit einer Dissertation über die Grimké-Schwestern. Frauengeschichte -unter besonderer Berücksichtigung der Kategorie "Race" - sollte auch für die Professorin (1968 am Sarah Lawrence College, ab 1980 an der University of Wisconsin) bestimmend bleiben, zur Etablierung eines neuen Forschungsfachs führen und Lerner das Epitheton Godmother of Women's History eintragen.

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Hartnäckig wie Feuerkraut

Ingrid Brodnig in FALTER 24/2009 vom 12.06.2009 (S. 18)

Ich habe versucht, so ehrlich wie möglich zu schreiben. Aber leicht ist das nicht, man möchte lieber von hübschen Sachen erzählen", sagt Gerda Lerner über ihre neue Autobiografie, die sie dieser Tage in Wien präsentiert.
Die 89-Jährige wurde als feministische Historikerin bekannt. Sie war eine der Ersten, die den Spuren folgten, die Frauen in der Geschichte hinterlassen haben. Aber bevor die gebürtige Wienerin ihre wissenschaftliche Laufbahn in ihren 40ern einschlug, hatte sie schon ein sehr bewegtes und sehr politisches Leben.
Gerda Kronstein (später Lerner) wuchs in einer wohlhabenden jüdischen Wiener Familie auf, schon als Jugendliche setzte sie sich gegen den Austrofaschismus ein. Später wurde sie von den Nazis inhaftiert. Der Vater, ein Apotheker, hätte verhaftet werden sollen, und floh deswegen schon früh vor den Nationalsozialisten nach Liechtenstein. Die 17-jährige Tochter und ihre Mutter wurden als Faustpfand vorübergehend eingesperrt, um den Vater zur Rückkehr zu erpressen. Das funktionierte nicht. Und nach der Freilassung konnte Lerner in die USA emigrieren.

"Die Österreicher hören das nicht gerne", sagt sie, "aber der Antisemitismus war in Österreich viel brutaler als in Deutschland. Ich hatte damals einen Besucher aus Deutschland zu Gast. Er kam nach Wien, nachdem er schon fünf Jahre unter Hitler in Deutschland gelebt hatte – und er war schockiert. Er sagte: ‚Solche Verfolgung habe ich überhaupt noch nie gesehen.'" In ihrer Autobiografie "Feuerkraut" erinnert sie sich, wie Juden auf der Straße gedemütigt und jüdische Geschäfte am helllichten Tag ausgeraubt wurden – selbst als das noch gar nicht die offizielle Politik der NS-Führung war.
Das Buch ist nicht nur spannend, weil es ein Stück Zeitgeschichte vermittelt. Sondern auch, weil es die Familiengeschichte der Kronsteins erzählt. "‚Feuerkraut' liest sich wie ein Roman", befand die New York Times. Die Autorin analysiert die Beziehung zwischen ihrem Vater, ihrer Mutter und ihr durchaus kritisch. Da wird die Doppelmoral im gutbürgerlichen Wien, die unglückliche Ehe ihrer Eltern und schließlich die Entfremdung von der Mutter beschrieben.
An manchen Stellen liest sich das fast wie eine Beichte. Lerner bereut Jahrzehnte später, dass es bis zum frühen Tod ihrer Mutter nie eine richtige Aussprache gab. Sie schreibt: "Die Schuld der Überlebenden ist zu einem Klischee geworden. Wie es sich jedoch anfühlt, ist etwas anderes. Man kann eine Wand drum herum aufbauen; man kann Zement in sein Herz gießen; man kann auf den Gräbern tanzen. In Wirklichkeit lähmt sie einen, diese unheilvolle Krankheit, die man ein Leben lang in sich trägt. Es ist mehr als die Schuld, überlebt zu haben. Es ist die Schuld, missverstanden und falsch geurteilt zu haben." Es fiel ihr schwer, manches öffentlich auszusprechen. "Wenn meine Eltern noch am Leben wären, hätte ich das Buch nicht ­schreiben können", sagt sie.
Das Buch ist auch eine Aufarbeitung des Erlebten. Die Verfolgung unter der NS-Zeit legt sich wie ein Schatten über die gesamte Biografie. "Ich bin relativ gut davongekommen. Als Holocaustüberlebende, als Emigrant ist mir fast nichts geschehen. Aber ich wollte aufzeigen, dass dieses ‚Nichts' ein vollständig verheerendes Erlebnis war. Das hat mein ganzes Leben beeinflusst."
In den Wochen im Gefängnis schloss sie fast mit ihrem Leben ab. Auf engem Raum bekommt sie nur die halben Essensrationen, weil sie Jüdin ist, und hat keine Aussicht auf ein faires Verfahren. Sie schreibt: "Ich feierte meinen 18. Geburtstag im Gefängnis. Ich wollte hinaus und meine Prüfung (die Matura, Anm. d. Red.) machen und irgendwann an der Universität studieren. Ich wollte meinem Freund nach Amerika folgen. Ich wollte meiner Mutter und meiner Schwester helfen, aus Nazideutschland hinauszukommen. Ich wollte wirklich leben. Aber um zu überleben, musste ich tapferer werden, als ich es war, und um das zu werden, musste ich akzeptieren, dass ich möglicherweise hier sterben würde."
Ihre jüngst ins Deutsche übersetzte Autobiografie ist jenen gewidmet, "die in dunklen Zeiten Anstand bewahrten, sich gegen Gleichschaltung wehrten und niemals ihre Hoffnung auf die Kraft der Demokratie verloren". Das ist auch ihr kompromissloser Anspruch an sich selbst. Lerner ist ein sehr ernster, beharrlicher Mensch. Es gibt nur wenige Dinge, die sie bereut. Eines davon sind aber die ideologischen Scheuklappen, die sie bei ihrem Blick auf die Sowjetunion anlegte.
Die frühe Rebellion, die politische Grundhaltung erklären auch, warum Lerner letztlich zu einer erfolgreichen Forscherin wurde. Die zweite Hälfte des Buchs beschreibt die Nachkriegsjahre in den USA, in denen sie den Feminismus für sich entdeckte. Egal ob als ausgebeutete Arbeitskraft im New Yorker Bonbongeschäft, als Aktivistin in der kommunistischen Partei oder als Mutter zweier Schulkinder, sie erfuhr immer wieder, wie Frauen marginalisiert wurden.

Als sie sich dann in den 50er-Jahren an der New School for Social Research fürs Geschichtsstudium einschrieb, gab es keine feministische Geschichte. "Ich habe immer gefragt: ‚Wo sind die Frauen?'", erzählt Lerner. Noch mit 89 Jahren regt sie sich darüber auf, dass ihr damals erklärt wurde, die Frauen seien Illiteraten und für die Geschichte unbedeutsam gewesen.
Falsch. Lerner konnte in ihrer Forschung bedeutsame Frauen ausfindig machen. Zum Beispiel die Schwestern Sarah und Angelina Grimké, die zwei einzigen weißen Frauen aus den Südstaaten, die in der Antisklavereibewegung aktiv waren. Lerners späteres Buch über schwarze Frauen im weißen Amerika war wegweisend. "Wenn ich bei meinem Geschichtsstudium jünger gewesen wäre, wenn ich 18 Jahre alt gewesen wäre, dann hätte man auch mich gehirnwaschen können. Die Professoren haben alle das Gleiche behauptet. Und ich habe immer gesagt: Das ist nicht wahr." Und zum Schluss hatte sie einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass dieses Geschichtsbild umgestoßen wurde.

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