

Der Saubartl vom Yppenplatz
Sebastian Fasthuber in FALTER 8/2012 vom 24.02.2012 (S. 35)
Der Wahlwiener Manfred Rebhandl schreibt Schund, für den sich niemand genieren muss – auch nicht der Autor
Ich finde White-Trash-Geschichten, wo sich jemand um kleine Häppchen im Leben bemüht, viel interessanter als langweilige Leute aus dem siebten Bezirk", gibt Manfred Rebhandl die Koordinaten durch. Die Vorstadt ist sein Revier. Aus einer oberösterreichischen Kleinstadt kommend, lebt er seit langer Zeit knapp außerhalb des Gürtels – zuerst am Brunnenmarkt, jetzt hinter der Stadthalle. Er hält die Stellung, auch wenn die meisten Pornokinos zugesperrt haben und nun Kinderwägen die Gehsteige blockieren.
Die Wohnung des Autors macht einen standesgemäß abgerockten Eindruck. Nicht ins Bild passen will auf den ersten Blick, dass der Meister Wert auf sein Äußeres legt. Stets trägt er ein gut sitzendes – oder zumindest farblich originelles – Hemd. Am Küchentisch hat er einen Teller mit Krapfen vorbereitet. Später wird Rebhandl neben launigen Rotlicht-Anekdoten ("das Pink Flamingo war jahrelang meine Zwischenstation am Heimweg vom Chelsea") auch erzählen, dass er bei Romantikkomödien immer weinen muss. Man tut sich schwer damit, den Mann einzuordnen.
Begonnen hat es mit einer klassischen Versagerkarriere: "Ich habe alles Mögliche gemacht: in einem Obdachlosenheim und bei der Lebenshilfe gearbeitet, bin später Taxi gefahren und war Bühnenarbeiter bei ,Cats'." Literarische Ambitionen? Fehlanzeige: "Ich hab halt gehört, dass Drehbücher gut bezahlt werden. So bin ich überhaupt erst zum Schreiben gekommen."
Das Berufsziel "Tatort"-Autor verfehlte Rebhandl zwar, aber er schrieb in den 90er-Jahren immerhin für "Polizeiruf 110", später folgten Drehbücher für heimische Filme wie "Ternitz, Tennessee" – ehe er sich mit zwei Flops selbst aus dem Rennen nahm: "Ich bin in der Szene gebrandmarkt. Rein ökonomisch müsste ich es eh wieder probieren. So ein Drehbuch, das sind 40.000 Euro oder was. Während so ein Buch ..." Rebhandl blickt auf das auf dem Küchentisch liegende Exemplar seines neuen Romans "Das Schwert des Ostens", lacht laut auf und lässt den Satz unvollendet.
Das Blöde ist: Er hat sein Herz mittlerweile ans Bücherschreiben verloren. "Ich bin 45", sagt er. "Und auch wenn ich es mir nicht leisten kann, macht es mich glücklich. Im Gegensatz zum Drehbuchschreiben sagt mir nicht ständig wer, wie es besser geht."
Mit seinem Brunnenmarkt-Reißer "Das Schwert des Ostens" legt Rebhandl einen Glücksfall von einem Schundroman vor. Geübt hat er bei den vier Biermösel-Krimis, die zwischen 2005 und 2008 im Czernin-Verlag erschienen sind. "Viel Bier, nie ein Mösel", so charakterisiert er seinen Ausseer Gendarmen, für dessen Abenteuer er aus seiner eigenen Kleinstadtjugend schöpfen konnte: "Ich habe das Leben am Land als schrecklich empfunden. Die Leute sind ja wirklich die ganze Zeit bsoffn, ich übertreibe da nichts."
Wo diese Bücher allerdings mächtig aus dem Ruder liefen und es im bislang letzten Biermösel-Krimi "56,3° im Schatten" um genau gar nichts mehr ging, da hat Rebhandl mit seinem neuen Ermittler Rock Rockenschaub und dessen Habitat um den Yppenplatz nun ein passenderes Setting gefunden, um ordentlich die Sau rauszulassen. Das muss er auch, denn: "Ich kann nix anderes als schweinisch schreiben."
Und so löst der an die coolen Privatdetektive alter Schule angelehnte Rock Rockenschaub nicht nur alle Fälle, sondern versieht nebenbei auch noch allabendlich aus Überzeugung seinen Dienst in einem Pornokino am Gürtel, wo er sich an den Klassikern mit seinem großen Idol Jack Schleck delektiert. Immer mit dabei sind Lemmy, der mit seinem Gras halb Wien versorgt und als Rocks ältester Freund fast so was wie dessen Lebensmensch ist, sowie Kinobetreiber Dirty Willi und "Herschel der Jude".
Man kann sich prächtig über die Burschen amüsieren. Allerdings ist nicht alles, was Rebhandl schreibt, geschmacklos und blöd. Dass der alte Herschel, ein KZ-Überlebender, die Pornoserie "Dirty Brown Assholes Destroyed" präferiert, hat einen Grund, den er seinen Kumpels auch regelmäßig unter die Nase reibt: "Sechs Millionen Juden konnten nie wichsen, weil sie von euch dreckigen braunen Arschlöchern ermordet worden sind!" Später lässt der Autor seinen Rock quasi stellvertretend für Österreich sagen: "Es war Zeit, dass sich einmal einer bei ihm entschuldigte."
Rebhandl schreibt Trash vom Feinsten – derb, grell, kindisch, aber auch gutherzig und auf seltsame Art sogar weise – und politisch durchaus nicht einseitig oder naiv. Dass er einen wildgewordenen Fleischhauer und einen Trafikanten zur Speerspitze des Rechtsradikalismus in Ottakring gemacht hat, heißt noch lange nicht, dass die Türken seinem Protagonisten nicht auch gehörig auf den Sack gehen könnten. Wirklich böse ist sowieso nur Teegeschäftsinhaberin Darjeeling-Silke, die zuerst Lemmy das Herz gebrochen und dann die sauberen Kinderwagen-Mütter ins Grätzel geholt hat.
Rebhandl selbst ist übrigens liebender Vater einer fünfjährigen Tochter, der er sogar sein jüngstes Werk gewidmet hat. "Lesen darf sie es natürlich so bald nicht", beeilt er sich hinzuzufügen. "Aber sie weiß, dass der Papa Bücher schreibt, und hat eine Riesenfreude gehabt, als ich ihr die Widmung gezeigt habe." Nachsatz: "Mein Vater freut sich weniger darüber. Der liest das Buch gerade, und ist wieder mal total entsetzt."
Man kann Vater Rebhandl durchaus verstehen. Noch lieber aber lacht man über die Schweinereien, die sich sein Sohn ausdenkt. Er hat das zwanghafte Verwenden schlimmer Wörter, das zu den Bubenjahren gehört, erstaunlich lässig in seine 40er rübergerettet. Jetzt wäre es halt langsam an der Zeit, dass er ein bisschen reich und berühmt wird.
Eines gibt er noch mit auf den Weg: "Manche Leute halten meine Bücher für zu extrem und übertrieben. Aber es ist genau so, wie ich schreibe."