

Pipsi Popsi? Yipsi!
Matthias Dusini in FALTER 39/2013 vom 27.09.2013 (S. 36)
Spaßkunstkollektiv H.A.P.P.Y begeht seinen 20. Geburtstag mit einem Prachtband und einer Aktionswoche
Wer glaubt, er sei im falschen Film, Musical oder Geschlecht, hat einen Schlüssel zum Verständnis der H.A.P.P.Y-Kunst in der Hand. Seit 20 Jahren versorgt das Wiener Kollektiv mit dem Hang zum trashigen Gesamtkunstwerk seine Fangemeinde mit selbstgebastelten Telenovelas, satirischen Horrorhappenings und Anti-Celebrity-Partys.
Die antimuseal, antiinstitutionell und antiprofessionell eingestellte Gruppe um den 2011 verstorbenen Thomas Seidl, Künstlername Tomtschek, erarbeitete ein beträchtliches uvre, das nun in Form des von Eva Dranaz gestalteten Jubiläumsbandes "Hapsi Apsi Pipsi Popsi Yipsi – Jugendhaare einer Kaiserin" dokumentiert wird. Neun Tage lang, vom 27. September bis 5. Oktober, wird das Erscheinen des Buches im eigens eingerichteten Buchloch gefeiert. Parallel dazu ist in der Galerie Georg Kargl Permanent eine Auswahl von H.A.P.P.Y-Artefakten zu sehen.
"20 Jahre Unterhaltung, Performance, soziale Plastik, ein bisschen Scheitern, mehr Ernsthaftigkeit und Politik, als viele erwarteten, und trotzdem 100.000 glücklich gemachte Menschen." So umreißt Falter-Redakteur und H.A.P.P.Y-Mitbegründer Christopher Wurmdobler die Essenz des Projekts, dessen Betreiber stets auch den Anliegen der Schwulen- und Lesbenbewegung verpflichtet waren.
In dem wilden Kostümieren und Imitieren achtete man darauf, anders zu sein als die anderen Anderen – niedliches Baby, erschreckende Supertranse und Eierlikör speiender Superheld. Tomtschek und Co waren lang vor Lady Gaga queer, vor den Pussy Riots spaßaktionistisch und vor den einschlägigen Guerilleros gärtnernd und für die Nachbarschaft kochend. Auf der alljährlich stattfindenden Regenbogenparade persiflierten die H.A.P.P.Y-stas die Klischees der Szene, die längst auch vom kommerziellen Life-Ball-Glam vereinnahmt war. Im heurigen Sommer etwa tauchte die Truppe im Outfit von Heavy-Metal-Fans auf, der letzten Bastion heteronormativer Gemütlichkeit – ein angenehmer Kontrast zum Defilee der Sixpackfetischisten.
Rezepte für "Schwuchtelbuchteln" und "Schwanzwedler Winterkirschtorte" gehörten ebenso zum Repertoire der Geschlechterguerilla wie das Boulevardstück "Charleys Tunte", das davon handelt, dass der sexuell frustrierte Daddy und die schwerhörige Mutti ihren schwulen Sohn verkuppeln wollen. Auf den Clubabenden im Wuk kam alles zusammen: Spontitheater, Heten und Homos, Housemusic und Tanzlaune.
Mit gehäkelten Gesichts- und Penismasken und monströsen Plüschkostümen setzte sich die Gruppe über die Geschmacksdiktate der Modeindustrie hinweg. Blättert man nun durch die von Markus Rössle fotografierte Bildstrecke mit H.A.P.P.Y-Mode, erkennt man die Qualitäten der Entwürfe: In der Anti-Haltung steckte durchaus auch eine große Liebe zum stofflich codierten Selbstausdruck. Dass Kollektiv türmte Müllhalden der Konsum- und Mediengesellschaft auf: Im Rückblick schimmert die Sehnsucht nach Erhabenheit und der Nähe zwischen den Menschen durch.
Das H.A.P.P.Y-Buchloch
4., Margaretenstr. 50, tägl. 13–20.30 Uhr (27.9.–5.10.)
Ausstellung "H.A.P.P.Y – Jugendhaare einer Kaiserin!",
Georg Kargl Permanent, 4., Schleifmühlg. 17 (26.9.–8.10)
20 Jahre H.A.P.P.Y, Buchpräsentation
mit Jimmy Rockket (live), 17.10. Wuk
Infos: www.h-a-p-p-y.net