

Der Sammelwutbürger
Christopher Wurmdobler in FALTER 45/2014 vom 07.11.2014 (S. 36)
Der Zeichner Rudolf Klein hat ein mitunter boshaftes Buch über das Verschwinden der Dinge geschrieben
Der Zeichner Rudolf "Rudi" Klein, 63, besitzt am Beginn der Favoritenstraße ein Geschäft. Eigentlich ist es sein Büro und Atelier, aber es gibt eine Auslage, in der ein geschwungenes, angerostetes Metall-K steht, eine Ladentür, und wenn man Glück hat, ist diese Türe offen. Dann sitzt Herr Klein in dem mit sonderbaren Dingen angeräumten einstigen Hemdengeschäft und führt einem vor, was er da so angesammelt hat: trashiges Plastikspielzeug, uralte Spritzpistolen, bizarre Radios mit Schweinchengesichtern, Fotos, Steine, Kugeln, von Hunden zerbissene Plüschtiere, Muscheln, die sich als verbogene Kronkorken herausstellen. So Sachen.
"Kleinteile" nennt Rudi Klein seine Sammlung, und jetzt hat der Zeichner um eine Auswahl seiner Fundstücke eine Geschichte geschrieben. "Der Herr der Dinge" heißt sein eben erschienenes Buch, in dem es um den Sammelwutbürger Stefan und ein im Laufe eines Lebens angehäuftes Konvolut geht (aufgeteilt in zwei Gruppen: "Aufbewahrungsgegenstände" und "Wurfgeschosse"); es ist mit der Sammlung des Autors identisch.
Jämmerlichkeit ist dabei ein wesentliches Aufnahmekriterium, was für die Sammlung Klein wohl ebenso gilt wie für die seines Protagonisten. Für eine Mickey-Mouse-Figur aus Porzellan etwa, der Ohren und Hände fehlen, vermag sogar Kleins tendenziell menschenscheuer Stefan "tiefes Mitgefühl" zu entwickeln. Anders, als wenn es um den Wiener Bezirk Margareten geht, der mit Margariten als "Ganzjahresweihnachtsbeleuchtung" Bezirksidentität schaffen will. Und es wäre kein Klein, wenn in dem Buch nicht auch die eine oder andere Boshaftigkeit gegen Kollegen und Institutionen untergebracht wäre.
Natürlich funktioniert Kleins Erzählung über das Sammeln nur, weil der Autor die Fotos der beschriebenen, allesamt bizarren Objekte gleichwertig in den Text einfließen lässt. Ein 9/11-Feuerzeug aus China, eine Flasche mit der Aufschrift "Eiergeist", ein gläserner Schuh gefüllt mit eingelegtem Paprika, ein Einkaufszettel, auf dem alle Produkte mit "B" beginnen (Butter, Bananen, Brösel, Brot
), eine Latexvagina aus dem Travestiefachgeschäft im "modischen Tangalook" oder ein seltsames Sackerl, auf dem "50 Jahre Sorge" steht: lauter Anlässe für Sprach- und Gedankenspiele. Die sind kurios, witzig, aber eben auch bitterböse. Vor oder trotz allem aber zeigen sie Rudi Kleins Freude an den Hervorbringungen der Menschheit, und seien sie auch nur zufällig entstanden wie der "Taxivogel", ein in schwarzes Plastik gehülltes Taxistandplatztelefon.
"All dieser Wahnsinn war Stefan aber beim Arsch lieber als dieser Designdreck, der die Welt flächendeckend zu überziehen schien", heißt es an einer Stelle im Buch. Ebenso vehement wehren sich Erzähler und Figur dagegen, dass in der modernen Welt alles im elektronischen Orkus verschwindet, ja sogar die "geliebte Bankangestellte" sich in eine Website verwandelt hat.
Gegen das Verschwinden der Dinge arbeitet Klein mit seiner Sammlung erfolgreich an. Zur Präsentation seines Buches im Wien Museum werden die darin vorkommenden "Kleinteile" in einer Ausstellung gezeigt. Und jetzt, wo man die Geschichten und Gedanken zu den Dingen in den Museumsvitrinen auch noch kennt, ist das Ganze umso vergnüglicher.
Buchpräsentation: Do, 18.30 Uhr mit dem Nino aus Wien im Wien Museum
Info: www.kleinteile.at