

Fremdheit und Verwandlung im fernen Kirgistan
Sebastian Fasthuber in FALTER 18/2018 vom 04.05.2018 (S. 29)
Bei Daniela Emminger weiß man nie, was man erwarten darf. Erzählerische Konventionen, stilistische Einheit von Texten? Nicht so ihres. Gern wechselt die Autorin mitten im Buch den Ton oder dreht, was als straighte Geschichte begonnen hat, plötzlich ins Absurde. Zusammen mit einem Hang zu verspielten, bisweilen bewusst umständlichen Formulierungen, die sich nur langsam dem Kern des zu Erzählenden annähern, ergibt das eine der außergewöhnlicheren Stimmen der aktuellen Literatur aus Österreich. Nach „Gemischter Satz“ (2017), einer pfiffigen Novelle über einen Liebesunfall, legt die gebürtige Oberösterreicherin nun einen umfangreichen Roman vor.
„Kafka mit Flügeln“ trug lang den Arbeitstitel „Die Kunst des Verlierens“ und hat seine Wurzeln in mehreren Aufenthalten Emmingers in der ehemaligen Sowjetrepublik Kirgistan. Die reisefreudige Autorin wollte an einem Ort schreiben, an dem sie sich möglichst fremd fühlt.
Ihre Protagonistin teilt diese Erfahrungen. Sybille Specht lässt nach dem Tod ihres Mannes ihr altes Leben in Österreich und ihre Karriere als Biologin zurück, reist in die kirgisische Hauptstadt Bishkek. Während sie die ungewohnten Eindrücke vor Ort – Gerüche, Geräuschkulisse, die ständigen Stromausfälle – verarbeitet, schöpft sie langsam neuen Lebensmut. Doch sie sucht sich nicht nur selbst, sondern auch ihren alten Jugendfreund, der sich hier irgendwo versteckt hält.
Emminger hat einen wilden, hochambitionierten Mash-up-Roman geschrieben. Er beginnt als Reisegeschichte und Selbstfindungstrip, entwickelt sich zu einer Art postmodernen Detektivgeschichte, in der sich alle Beteiligten gegenseitig ausspionieren, und gipfelt schließlich in einem Showdown, der Science-Fiction, Wissenschaftssatire und Liebesgeschichte verbindet. „Kafka mit Flügeln“ ist – der Titel deutet es schon an – ein Roman der Verwandlung, der sich immer wieder dreht und Haken schlägt. Mit dem Manko, dass er sich am Ende selbst ein wenig verliert.
Lesung am 7.5. in der Gesellschaft für Literatur