
Wurmdoblers Prosadebüt ist ein Wohlfühlroman mit düsterem Unterton
Sebastian Fasthuber in FALTER 8/2018 vom 21.02.2018 (S. 28)
„Ich glaube, ich werde altersheterosexuell.“ Im ersten Satz ist schon fast alles angelegt, womit sich „Solo“ auf den folgenden 247 Seiten beschäftigt. Der, der das sagt, ist offenbar nicht heterosexuell und spricht damit für viele, wenn auch nicht alle in diesem Ensembleroman. Älterwerden und Generationsunterschiede sind ebenfalls Themen in diesem Buch, dessen Figuren Mitte 20 bis Anfang 50 sind.
Der Einstieg lässt außerdem erahnen, dass man als Leser seinen Spaß haben wird. Durch seine Erfahrung als Journalist versteht es Christopher Wurmdobler, pfiffig zu formulieren und auf Pointe zu schreiben. Zum Glück weiß der Prosadebütant aber auch, dass ein Roman mehr braucht als nur knackige One-Liner oder originelle Wortschöpfungen („Feuerschalenfeuer“). Wobei die Kapitelüberschriften für sich schon super sind. Jedem Abschnitt ist ein Songtitel vorangestellt, der ziemlich wortwörtlich und doof ins Deutsche übersetzt wurde: „Unbürgerliche Rhapsodie“ (genau, Queen) oder „Alleinstehende Damen“ („Single Ladies“, Beyoncé).
Wurmdobler hat darüber hinaus etwas zu erzählen. Er präsentiert ein buntes Panorama von Szenen, die einen Freundeskreis schildern. Manchmal, in Clubs oder auf einer Hochzeit, ist die ganze Gruppe präsent, andere Kapitel leuchten einzelne Figuren oder Paare genauer an. Große Probleme scheint hier niemand zu haben. Kinderarzt David und Architekt Arnold sind ein tolles Paar mit perfekter Wohnung. Der etwas ältere Martin hat sich in einer Schrebergartensiedlung bei der Alten Donau sein kleines Idyll geschaffen. Steph ist erfolgreiche Bloggerin und die Schwulenmutti der Runde. Und noch einige Figuren mehr mischen mit.
Dann passieren ein paar Dinge, die das gute Leben durcheinanderbringen. Ganz zufrieden ist man ja doch nie. Immer sucht man nach etwas, entweder bei der Körperoptimierung im Fitnesscenter oder bei spontanen Sex-Dates. Zudem fragen sich die Freunde, ob sie nicht den Bezug zur Realität verloren haben. Warum kennen sie überhaupt keine schiachen Menschen und keine Billa-Kassiererinnen?
Bei aller Zuneigung, mit der der Autor seine Lebenswelt zeichnet, lässt er an einigen Stellen auch selbstironische Distanz durchschimmern. In der zweiten Hälfte des Buches kommen Drama und düstere Untertöne dazu. Doch im Grunde ist „Solo“ ein Wohlfühlroman und die Figuren wachsen einem ans Herz. Dass sie schwul sind, ist im Übrigen gar nicht so wichtig. Wurmdobler hat eine Gabe: Er kann über Menschen schreiben. Weil er sie mag.


