

Zu viel Stoff auf engem Raum: David Fuchs’ neuer Roman
Sebastian Fasthuber in FALTER 16/2020 vom 17.04.2020 (S. 35)
Fast hätte er sich in die Hose gemacht. Wir lernen den Ich-Erzähler des neuen Romans von David Fuchs kennen, wie er in höchster Not an eine Bahnhofswand schifft (im Buch heißt es, als Zugeständnis an den deutschen Buchmarkt, „pinkelt“). Prompt nähert sich ein Polizeiauto. Der Autor ist darum bemüht, seine Hauptfigur von Anfang an nicht gut aussehen zu lassen.
Wie um das zu unterstreichen, darf der Antiheld sich auf der nächsten Seite selbst vorstellen: „Doktor Daniel Kobicek, promovierter Biologe, der zufällig unterrichtet, aber kein Lehrer. Das macht einen himmelweiten Unterschied.“ Daniel, der gerade sein Sabbatical antritt und zu Verwandten aufs Land fährt, ist als unzuverlässiger Erzähler angelegt, man soll ihm nicht ganz trauen. Dieser Kunstgriff kann einen Roman aufwerten, allerdings nur, wenn die Figur spannende, sinistre Züge trägt.
Leider ist Daniel ein fader, besserwisserischer Typ mit mäßigen Sympathiewerten. Obwohl Mitte 30, hört er sich wie ein alter Studienrat an. Wäre er ein Bekannter, dem man nach Jahren wieder über den Weg läuft, würde man vielleicht die Straßenseite wechseln. Dennoch verliebt sich seine Kindheitsfreundin Maria beim Wiedersehen prompt in ihn.
Um Fuchs nicht Unrecht zu tun: Der schreibende Mediziner, der vor zwei Jahren mit dem Klinik-Roman „Bevor wir verschwinden“ ein tolles Debüt veröffentlicht hat, legt hier keinen Bauchfleck hin. Er hat das Metier nicht verlernt, konstruiert Szenen mit sicherer Hand und formuliert schnörkellos. Doch er fängt auf engem Raum zu viel an.
Neben einem halb interessanten Typen, der in einer Krise steckt, die nicht recht plausibel wird, und einer Liebeshandlung hätte „Leichte Böden“ nämlich auch noch einen Hauptplot. Der dreht sich um Daniels Tante, den schwer dementen Onkel sowie Marias Vater, der sich nur mehr über einen Sprachcomputer ausdrücken kann. Die Tante kümmert sich um beide und weigert sich, Hilfe von außen anzunehmen. Dann kommt Daniel.
In dieser Konstellation wäre mehr Musik drin gewesen. Es gilt: Der zweite Roman ist oft der schwerste.