

Nina Horaczek in FALTER 28/2021 vom 16.07.2021 (S. 21)
Die „Hurenschwiegermutter“, der Mann, der eine Straßenbahn entführte, das Meerschweinchen, das gegen eine Tischkante knallte, oder auch der Dreifachmord im niederösterreichischen Schloss: Michael Möseneders Arbeitsplatz ist seit vielen Jahren das Gericht.
Der langjährige Standard-Redakteur hat eine Auswahl seiner Gerichtsreportagen nun in Buchform veröffentlicht. Es sind kleine und große Erzählungen, die in diesem Buch versammelt sind, tragische und komische, lustige und grausliche. Was sich im Gerichtssaal abspielt, ist immer auch ein Spiegel unserer Gesellschaft, und Möseneder gelingt es ausgezeichnet, in diesen mehr als 50 Kurzreportagen das allzu Menschliche herauszuarbeiten, das diese Verfahren vor Gericht so besonders macht.
Da ist der Pizzakoch, der nur aufgrund einer ungewöhnlichen Peniskrümmung der geschlechtlichen Nötigung überführt werden kann. Oder jener Mann, der eigentlich nur seiner Frau am Valentinstag Blumen kaufen wollte, was zu einem „Valentins-Massaker für Arme“ führte, „an dessen Ende drei Verletzte zu beklagen waren“. Möseneder erzählt aber auch noch einmal nach, wie bekannte Mordfälle verhandelt wurden, wie jenen an dem Mädchen Julia Kührer.
Ein spannendes, zum Teil auch lustiges Buch mit absurden Geschichten, das einem beim Lesen das Gefühl gibt, selbst als Kiebitz im Gerichtssaal zu sitzen.