

Drei Frauen auf dem Weg in ein besseres Morgen
Klaus Nüchtern in FALTER 42/2025 vom 15.10.2025 (S. 14)
in Furor des Wiederentdeckens treibt den Literaturbetrieb um. Manche Verlage haben sich ganz der Aufgabe verschrieben, Bücher dem Vergessen zu entreißen, andere zumindest entsprechende Programmschienen etabliert. Vorzugsweise geht es dabei um Autorinnen des vorletzten Fin de Siècle oder der Zwischenkriegszeit: Mela Hartwig, Marta Karlweis, Gina Kaus, Maria Lazar, Maria Leitner …
Die in jeder Hinsicht jüngste Entdeckung ist Doris Brehm. Im Unterschied zu den Genannten ist die Tochter einer anglo-irischen Sprachlehrerin und eines österreichischen Kunsthistorikers, 1908 in Dresden geboren, ein Kind des 20. Jahrhunderts, und ihr 70 Jahre nach der Erstveröffentlichung nun neu aufgelegter Roman spielt während des Zweiten Weltkriegs beziehungsweise kurz danach. Eine „Zwischenzeit“ aber indiziert auch er schon durch den programmatischen Titel: „Eine Frau zwischen gestern und morgen“.
Wobei sich das „zwischen“ hier sowohl auf die historischen Umstände bezieht als auch auf die Stationen im Lebensweg der Protagonistin Gerda Manner: wohnhaft in Wien, unglücklich verheiratet und Mutter der pubertierenden Luzie, der, wie schon der Name andeutend, einst eine leuchtende, jedenfalls bessere Zukunft beschieden sein soll.
Matrilineare Generationenromane stehen derzeit hoch im Kurs. Bei Brehm sind es nicht drei, sondern bloß zwei Alterskohorten, innerhalb derer sich die Emanzipation aus trüber, patriarchal-reaktionärer Vergangenheit vollzieht. Wobei Mira Goldberg, einige Jahre älter als Luzie, den dialektischen Dreischritt komplettiert. Die attraktive jüdische Kaufmannstochter, die, versteckt in der Wohnung der Manners, das „Tausendjährige Reich“ überleben wird, ist die einzige Figur des Romans, der so etwas wie Ambivalenz zugestanden wird.
Mira setzt ihren Sexappeal strategisch ein, wird aber auch als Opfer genderpolitischer Diskriminierung ausgewiesen und mobilisiert ihren Ehrgeiz immerhin für eine journalistische Karriere, in der Modebewusstsein und fortschrittliche Positionen in der Frauenfrage zusammengehen.
Als historisches Dokument ist der Roman interessant, weil er das Überleben verfolgter Juden und Jüdinnen als „U-Boote“ thematisiert. Bereits zehn Jahre davor, im Mai 1945, hatte die im kommunistischen Widerstand als „U-Boot-Referentin“ tätige Brehm in der neu gegründeten Tageszeitung Neues Österreich darüber berichtet.
Im Roman wird das Zusammenleben der drei Frauen nicht nur von Gerdas wetterwendisch-opportunistischem Gatten Theo oder dem so dummen wie denunziatorisch aufgelegten Fräulein Podeschwa erschwert, das in der Buchhandlung des Ehepaars aushilft, sondern auch durch den Umstand, dass sowohl Gerda als auch Mira nach je eigener Façon den gleichen Mann begehren.
Dieser Doktor Bachner ist proletarischer Abkunft, von jener aufopferungsbereiten Selbstlosigkeit, mit dem ihm die frühverstorbene Mutter das Studium ermöglicht hat, und die wohl prominenteste Dulderfigur, des an solchen nicht eben armen Romans. So tapfer und redlich sich Herausgeberin Bettina Balàka, selbst eine versierte Autorin historischer Romane, auch bemüht, dessen literarische Qualitäten herauszustreichen, so sei doch festgehalten, dass „Eine Frau zwischen gestern und morgen“ mit dem Zaunpfahl geschrieben ist.
Betulich, schwülstig und prüde zugleich, ist er um kaum ein Klischee verlegen – etwa wenn die erwähnte Podeschwa nicht nur als „Reptil“ apostrophiert, sondern auch mit „kalt-lauerndem Blick“, „klebrig-süßem Lächeln“ und „aalglatter, eisiger Höflichkeit“ ausgestattet wird. Die vorbildliche Kontextualisierung durch Nachworte der Herausgeberin und Katharina Pragers weisen dem Roman seinen Rang als historisches Dokument zu, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er diesen auf literarischer Ebene nicht annähernd erreicht.