Böse Briefe

Eine Geschichte des Drohens und Erpressens
240 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783710601521
Erscheinungsdatum 09.10.2017
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Verlag Brandstätter Verlag
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Christian Brandstätter Verlag GmbH & Co KG
Wickenburggasse 26 | AT-1080 Wien
verantwortung@brandstaetterverlag.com
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Kurzbeschreibung des Verlags

Sie kommen aus dem Dunkel der Anonymität und können zerstörerisch in das Leben eines Menschen eindringen: Droh- und Erpresserbriefe sind eine weit
verbreitete und sehr spezielle Art der Korrespondenz. Hier wird erstmals das Phänomen der bösen Briefe und ihre weit zurückreichende Geschichte beleuchtet:
Die Autoren analysieren die sprachlichen Strategien, mit denen die Opfer eingeschüchtert werden sollen und nehmen Einblick in das verborgene Archiv dieses dunklen Teils der Briefkultur. Entlang von tragischen, aber auch komischen Beispielen beschreiben sie das Maskenspiel der Täter ebenso wie das Gegenspiel der Kriminalisten, welche ihnen mit immer neuen Methoden auf die Schliche zu kommen versuchen. Bebildert mit ungewöhnlichen Fundstücken entsteht so das Panorama einer Brief- und Verbrechensgattung, die heute besonders aktuell erscheint. Denn die bösen Briefe bilden das Vorspiel zu den Interneterpressungen und Hasspostings der Gegenwart.

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ISBN 9783710601521
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FALTER-Rezension

Lügen und Erpressen sind unterbewertet

Andreas Kremla in FALTER 41/2017 vom 13.10.2017 (S. 40)

Mentalitätsgeschichte: Zwei erhellende Bücher über die dunklen Seiten der menschlichen Kultur

Wie viele Kulturtechniken haben wir entwickelt, um zum Wahren und Schönen zu gelangen? Und wie viel wurde darüber geschrieben! Doch nun zu etwas ganz anderem: zum Hässlichen und Falschen. Zur unwürdigen Disziplin des Drohens und Erpressens haben ein Kunstgeschichteprofessor und ein Journalist Artefakte gesammelt und ausgewertet. Die Kunst der Lüge nimmt eine Philosophin unter die Lupe.

Lügen ist unterbewertet. „Obwohl es sich vermutlich um die komplexeste Leistung handelt, zu der wir als Denkende fähig sind, hören wir keine Anerkennung dafür“, bedauert Bettina Stangneth. Schon von den Eltern werde die Entwicklung dieser kognitiven Fähigkeit wenig gewürdigt. Nie kämen sie auf die Idee, im Kindervergleich mit der Meldung zu punkten: „Also unser Kind kann sogar schon lügen!“
Unwahrheit, Flunkerei und Betrug betrachtet die Philosophin und Historikerin aus verschiedenen Blickwinkeln. Wer ist überhaupt ein Lügner? Zumindest muss er ja die Wahrheit kennen. Und wie schon Friedrich Nietzsche festgestellt hat: Warum unterrichten wir unsere Kinder nicht im Lügen, wo wir doch wissen, dass man in der real existierenden Welt ohne diese Fähigkeit kaum weiterkommen kann? Immer wieder bezieht sie sich auf Hannah Arendt und Immanuel Kant. Beide bilden Brennpunkte in Stangneths bisheriger Arbeit, die sich unter anderem intensiv mit den Eichmann-Prozessen und Kants Ansichten zur Religion auseinandersetzte. Beide wussten die geistige Leistung der Lüge zu würdigen.
Weniger bekannt als Arendts Analyse der Lügen der Nazis sind dabei Kants Stufen des „Fürwahrhaltens“: vom Meinen über das Glauben bis zum Wissen. Die beste Manipulation gelingt seiner Meinung nach, wenn man alle drei geschickt durcheinander wirft. So hat das Gegenüber gar keine andere Wahl, als sich zu verirren. Da können auch heutige Demagogen noch etwas lernen.
Stangneth bearbeitet nicht nur die Geschichte von Schwindel und Betrug, sie bringt auch originelle eigene Ansätze. So analysiert sie, „dass jede erfolgreiche Lüge ein gelungenes Experiment ist, das die Wirkung des Denkens auf das Handeln unter kontrollierten Bedingungen nachweist“. An keiner Stelle versteigt sich ihr schlankes Werk zu irgendeiner moralisierenden Betrachtung. Wie ein großer Essay umkreist es das Thema von vielen Seiten – und zielt dabei weniger auf einzelne Phänomene des Lügens als auf das Wesen dieses so oft benutzten und so selten bedachten Begriffs.
Stellenweise kommt dabei die Sehnsucht nach noch mehr konkreten Fallbeispielen auf. Dank schnörkellosen Stils und begrifflicher Präzision gelingt es Stangneth aber, auch komplexere Gedanken spannend darzustellen.

Zu wenig Respekt für große geistige Leistung? Davon können auch Verfasser von Drohbriefen und Erpressungsschreiben ein Lied singen. „Erpresser sind die Heckenschützen der Kommunikation, und wie die Heckenschützen beim Militär genießen sie keinen guten Ruf“, umschreiben Christoph Winder und Ernst Strouhal den verlorenen Posten, auf dem ihre Probanden stehen. Während man Betrügern Menschenkenntnis, Geschicklichkeit und Intelligenz nachsage und Räubern zumindest den Mut, ihren Opfern gegenüberzutreten, wirke der Erpresser einfach feige. Dabei sind dessen Methoden oft nicht nur brutal, sondern auch gewitzt.
Hier haben sich zwei zusammengefunden, um dies akribisch zu recherchieren und mit großer Tiefenschärfe wiederzugeben: Ernst Strouhal ist Professor an der Wiener Universität für angewandte Kunst und forscht zur Ästhetik des 20. Jahrhunderts. Der Germanist Christoph Winder, der seine journalistische Laufbahn beim Falter begonnen hat, schreibt für den Standard. Faszinierende Fallbeispiele haben sie zuhauf gefunden. Diese beginnen beim „Sexual Blackmailing“ der Harriette Wilson: Die in die Jahre gekommene „leichte“ Dame stellte Anfang des 19. Jahrhunderts ihre ehemaligen Liebhaber höflich vor die Wahl, ein hübsche Summe zu entrichten oder ihre intimen Abenteuer publiziert zu sehen.

Weiter reicht das Spektrum von Gräueltaten wie den Briefbomben des Franz Fuchs bis zu Taten mit Sympathiewert wie der Entführung des Bahlsen-Keks durch das Krümelmonster. Das vergoldete Ausstellungsstück wurde aus den Räumen des Keksherstellers entwendet, um Keks-Spenden an ein Kinderkrankenhaus zu erpressen. Eigens gesammelt haben die Autoren stilistische Höhepunkte wie jenen des Erpressers Monsieur X, der bescheiden kundtat: „Mehr als 250.000 Mark will ich sowieso nicht, denn Geld verdirbt nur den Charakter.“
Strouhal und Winder haben ein Panoptikum schmutziger Briefe und makabrer Geschichten zusammengestellt, das den Unterhaltungswert einer Krimisammlung bietet. Optisch erscheinen die dunklen Machenschaften in hellem Licht: Der Fließtext wird durch Illustrationen in der Randspalte aufgelockert. Manchen Fällen sind ganze Doppelseiten gewidmet – mit Abbildungen der originalen Drohschreiben. Dank gekonnter grafischer Gestaltung gerät dies mehr zum Kunstwerk denn zum bunten Allerlei.
Beiden Werken gelingt die wertfreie Würdigung unliebsamer Kulturtechniken. Hier wie dort reduziert sich die moralische Beurteilung auf Berichte darüber, wie Lügen, Drohungen und Erpressungen aufgenommen wurden und werden. In gut ausgerichteten Spotlights ergibt sich ein präziseres Bild der Schattenseite der menschlichen Geistesgeschichte – eine abgründig spannende Vervollständigung des Bildes, wozu wir fähig sind.

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