

Gegen das Mittelmaß und für Qualität
Nathalie Grossschädl in FALTER 49/2021 vom 10.12.2021 (S. 34)
Mit dem Slogan „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ wirbt das Warenhaus Manufactum seit mehr als 30 Jahren für seine teuren Produkte mit Retro-Look. Hat sich seitdem etwas geändert? Was lohnt es sich zu kaufen? Und wann lohnt es sich, mehr zu zahlen? Der Konsumforscher Dirk Hohnsträter sucht in „Qualität. Von der Kunst, gut gemachte Dinge zu entdecken, klug zu wählen und genussvoll zu leben“ Antworten auf diese Fragen.
Sein Buch beginnt er mit der Behauptung, dass es mit dem auf Wirtschaftswachstum gegründeten Wohlstand des 20. Jahrhunderts endgültig vorbei sei. Der neue Wohlstand des 21. Jahrhunderts drehe sich nicht mehr um das Horten von Dingen, sondern eher um deren Qualität. Nichts damit zu tun hat für ihn die Verklärung der Vergangenheit („Früher war alles besser“), Qualitätsnationalismus (Made in Italy), soziale Distinktion („Ich kaufe nur im Biomarkt“), Geschmackserziehung („Kaffee mit dunkler Röstung ist besser“) oder die Fixierung auf den Preis. Der teuerste Wein müsse nicht unbedingt zum Fischgericht passen, meint Hohnsträter, der sich an vielen Stellen als Weinliebhaber zu erkennen gibt.
Zu seinen Tipps gehören Restaurants mit wenigen Speisen auf der Karte. Qualitatives Brot, betont er, brauche nicht mehr Zutaten als Mehl, Wasser und Salz. Mit Andreas Murkudis,
dem Bruder des in Berlin lebenden Modeschöpfers Kostas Murkudis, versucht er die Qualität von Kleidung dingfest zu machen und erklärt, warum sich ein hoher Preis mit der Zeit amortisiert.
Relevant ist für ihn nicht nur, woraus das Kleidungsstück gefertigt ist, sondern auch Parameter wie Kinderarbeit und Gifte. Modebegeisterte werden hier den Kopf schütteln. Es muss ja nicht gleich von einer Kette wie H&M sein, aber hin und wieder ein Fehlkauf? Außerdem hat nicht jeder genug Geld für Qualität, oder?
In diesem Fall empfiehlt Hohnsträter, einen Lebensbereich als Qualitätsinsel auszuwählen und sich zumindest in diesem mit Dingen mit Seele zu umgeben. Das sei jedenfalls besser, als immer nur Mittelmaß zu pflegen.