

Ein Kunst-Streifzug von Stephansdom bis Schiele
Thomas Leitner in FALTER 48/2023 vom 01.12.2023 (S. 36)
Wer sich eines der schönsten Bücher des heurigen Jahres kauft, ist gut beraten, gleichzeitig für das kommende Jahr ein Klimaticket zu besorgen, denn hier wird große Lust auf "Kunst in Österreich" vermittelt. Wenn sich auch viele der von Natalie Lettner, Kuratorin am Kunsthistorischen Museum Wien, beschriebenen Werke in Wien befinden, animieren ihre Objektbeschreibungen auch zu Besuchen in allen Bundesländern.
Da lockt auch weniger Bekanntes wie Wolf Hubers Altar in Feldkirch oder das vor lauter Rokoko leicht zu übersehende romanische Portal der Stiftskirche Wilhering. Auch bekannten Kulturdenkmälern gewinnt die Autorin neue Blickwinkel ab, indem sie in unterhaltsamer Form, aber nie simplifizierend, Verknüpfungen zu wichtigen Daten und Fakten der kulturellen und politischen Geschichte herstellt: Anhand der romanischen Fresken des Stiftes Lambach etwa behandelt sie den Investiturstreit.
Jeder Fachbegriff erhält seine Erklärung, niemand wird überfordert, doch kommt auch keine Langeweile auf. Raum und Zeit werden ausgemessen, alles, was irgendwie mit Österreich zu tun hat, wird in Betracht genommen. Der Bogen spannt sich von der jungsteinzeitlichen Venus von Willendorf bis zum Gugginger Künstler Rudi Walla. Auf knapp 500 Seiten, also durchaus überschaubar, bringt Lettner beinahe alles unter.
Ein Glanzstück ist die Würdigung der kulturpolitischen Leistungen Maximilians I., auch "der letzte Ritter" genannt. Er tritt als Kunstliebhaber, mehr noch als Medienjongleur auf. Virtuos weiß er neue Techniken wie Holzschnitt und Buchdruck für seine Selbstinszenierung zu nutzen. Einfach auf-und abbaubare Triumphbögen, Festzüge und das Mittelalter heraufbeschwörende Turniere unterstreichen den Glanz des Hofes. Meterlange Bilderfriese mit Darstellungen höfischer Szenen werden vor den Augen der Zuseher so entrollt, dass die Figuren in Bewegung erscheinen -Comicstrip oder gigantisches Daumenkino!