Ich steig in den Zug und setz mich ans Fenster

Vom Schauen, Denken und Wien-Verlassen
192 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783711721273
Erscheinungsdatum 07.09.2022
Genre Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
Verlag Picus Verlag
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Kurzbeschreibung des Verlags

Von Wien aus in alle Himmelsrichtungen: Oskar Aichinger erkundet mit dem Zug Ostösterreich: vom Neusiedler See bis zum Traunsee.Mit dem 13A geht es zum Wiener Hauptbahnhof, wo die Meditation des Zugfahrens beginnen kann: Es geht über die Leitha nach Eisenstadt und sogar bis Bratislava in der Slowakei, in den Süden nach Gumpoldskirchen, Wiener Neustadt und mit der Schmalspurbahn nach Mariazell, und immer wieder in den Westen: in die verkannte Stadt St. Pölten und ins Salzkammergut, in die alte Heimat des Autors, Attnang- Puchheim in Oberösterreich, die Erinnerungen weckt. Oskar Aichinger hat zwar immer ein Ziel: Orte der Vergangenheit, Städte, die bis jetzt nur Namen waren, unbedingt immer ein Kaffeehaus und den Schneeberg – mal aus der Ferne, mal aus der Nähe. Immer jedoch bietet das Zugfahren, diese ganz besondere Art der Fortbewegung, die Chance der Entschleunigung, des Eintauchens in Vergangenes, des Sinnierens und Abschweifens der Gedanken.

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ISBN 9783711721273
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FALTER-Rezension

Flanieren mit der Bahn

Sebastian Fasthuber in FALTER 42/2022 vom 21.10.2022 (S. 17)

Wikipedia hat was verschlafen. Weil sich Oskar Aichinger in seinen Büchern als ein Meister der Entschleunigung erweist, ist es aber schon fast wieder passend, dass die Online-Enzyklopädie ausgerechnet bei ihm nicht auf dem neuesten Stand ist: „Oskar Aichinger (* 1956 in Vöcklabruck) ist ein österreichischer Komponist und Pianist des Modern Creative Jazz“ steht dort zu lesen.

Das ist zwar nicht falsch, aber eben höchst unvollständig, hat sich der Schwerpunkt in der Arbeit des Wahlwieners zuletzt doch immer mehr aufs Schreiben verlagert. Drei Bücher hat er in den letzten fünf Jahren vorgelegt, eines schöner als das andere.

Das jüngste davon trägt den passenden, gleich auf den Rhythmus des Texts einstimmenden Titel „Ich steig in den Zug und setz mich ans Fenster“ und liefert auch die Erklärung dafür, warum Aichinger zum Gesprächstermin deutlich zu früh erscheint: Als regelmäßiger Zugfahrer von klein auf ist er es gewohnt, einige Minuten vor der Abfahrt am Bahnsteig zu sein – und genauso pflegt er es auch bei Verabredungen zu halten.

Dass der Musiker und Autor ein großer Fußgänger ist, war bereits aktenkundig. In zwei Bänden hat er von seinen Streifzügen erzählt. Vor fünf Jahren legte er sein Buchdebüt „Ich bleib in der Stadt und verreise: Vom Gehen und Verweilen in Wien“ vor. Im Nachfolger „Fast hätt ich die Stadt verlassen“ bewegte er sich an den Rändern von Wien. Die charmanten Beschreibungen und freien Assoziationen vermochten ebenso zu bezaubern wie der leicht schwingende, musikalische Schreibstil.

Dass Aichinger nun eine Liebeserklärung an das Zugfahren vorlegt, hat auch biografische Gründe: Beide Großväter waren Eisenbahner, die Familie lebte unweit des Bahnhofs Attnang-Puchheim, und weil der Vater ein strenger Autoverweigerer war, wurden praktisch alle Wege mit dem Zug zurückgelegt. In seiner Kindheit und Jugend sei das nicht immer nur schön gewesen, erinnert sich Aichinger. „Damals kam es mir ein bissl ärmlich vor, dass wir kein Auto hatten. Aber mein Vater war sehr prinzipientreu, eigentlich ein früher Grüner. Fernseher hatten wir auch keinen. Das war noch bitterer, weil man in der Schule nicht mitreden konnte.”

Dennoch ist Aichinger dem Bahnfahren immer treu geblieben. Am meisten schätzt er heute Fahrten ohne zwingenden Grund. Neben Reisen, um von A nach B zu gelangen, hat er in den letzten Jahren das Fahren um des Fahrens und Schauens willen kultiviert und zunehmend verfeinert – wohlgemerkt bereits vor Corona und der Einführung des Klimatickets.

Das Prinzip ist so unspektakulär wie überzeugend: Er sucht sich eine Strecke aus, steigt ein, sucht sich einen Platz mit gutem Blick und schaut zum Fenster raus. Unterwegs wird beobachtet, nachgedacht, Erinnerungen nachgehangen und auch ein wenig historisches Wissen zu den gerade durchfahrenen Orten durchgegangen. Ah ja, wichtige Durchsage: „Um wirklich schauen zu können, muss man alleine reisen.“

Wo es ihm gefällt, steigt Aichinger aus, durchstreift eine Kleinstadt, kauft sich eine Leberkäsesemmel und ein Bier, kehrt vielleicht noch in einem Café ein und überzeugt sich von der Qualität der Cremeschnitten, ehe es wieder zurück zum Bahnhof geht.

„Ich steig in den Zug“ ist vielleicht kein hochspannender Pageturner, aber enorm anregende Lektüre. Denn Aichinger schaltet beim Flanieren das Hirn nicht aus, im Gegenteil: In seinen Büchern wird anhand des Beobachteten andauernd reflektiert, über Änderungen im Sozialverhalten in der Stadt und auf dem Land, über die Namensgebung von Wirtshäusern, die Herleitung von Ortsnamen oder die Verschandelung durch Bausünden.

Apropos: Gleisanlagen sind Straßen ästhetisch haushoch überlegen, ist Aichinger überzeugt. „Eine Bahnlinie zerschneidet die Landschaft nicht. Sie fügt sich besser ein.“ Unterwegs entsteht dann bei ihm eine Art Film im Kopf. Notizen hingegen macht er sich nur wenige. „Ich stehe auch nicht am Bahnsteig und fotografiere irgendwelche Loks.“ Weil er von vornherein mit der Haltung einsteigt, etwas aufnehmen zu wollen, bleibt auch viel hängen.

Schon in sehr jungen Jahren, als er die größeren Klavierwerke Beethovens zu spielen begann, ereilte Oskar Aichinger die plötzliche Eingebung, er wäre ein Künstler. An der praktischen Umsetzung musste er länger arbeiten und Hartnäckigkeit beweisen. Der Vater bestand auf einem technischen Studium, der Sohn wählte etwas möglichst Exotisches und kam auf Hüttenwesen, also Metallverarbeitung.

Nach zwei Jahren in Leoben haute er den Hut drauf („Ich war sogar ein guter Student, aber es war nicht meins“) und ging ans Mozarteum. Es sollte lang dauern, ehe die Eltern die Berufswahl Musiker akzeptierten. Erst als der Name öfter im Radio zu hören war, wurde es besser.

Es ist eine schöne Pointe, dass Aichingers eigener Sohn die Familientradition wieder aufleben ließ und Lokführer wurde. Im Buch schildert der Papa auch eine Fahrt mit ihm. „Es ist ein abwechslungsreicher und anstrengender Job. Er bekommt ständig Informationen und Signale, muss schnell reagieren und flink sein im Kopf. Das hat schon eine Ähnlichkeit mit dem Improvisieren in der Musik.“

Mit der hat Oskar Aichinger natürlich keineswegs abgeschlossen, nur müsste er die in den letzten Jahren geschriebenen Lieder halt endlich einmal aufnehmen. Beim Schreiben tut sich mehr. Der erste fiktionale Text liegt in der Schublade, würde aber noch einiges an Arbeit benötigen. Aichinger hält inne, schaut unschlüssig und muss schließlich lachen. „Wenn man was Neues beginnt, glaubt man ja immer eher, es ist ein Blödsinn.“

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