

Kunst und Müll
Birgit Wittstock in FALTER 34/2014 vom 22.08.2014 (S. 38)
Renate Mowlam ist Bauingenieurin der MA 48 und Comiczeichnerin
Wenn der Vater sagt "Mach was G'scheits", dann wird aus der Tochter, die eigentlich Künstlerin werden wollte, eine Bauingenieurin. Dass Renate Mowlam, 41, trotzdem vor kurzem ihr erstes Comic-Buch herausgebracht hat, liegt an ihrem Arbeitgeber, der MA 48.
Seit drei Jahren arbeitet Mowlam im Baureferat und ist für die Betreuung der Gebäude zuständig, in denen die rund 3500 MA-48-Mitarbeiter und etwa 1500 Arbeitsfahrzeuge untergebracht sind. Wenn die umgebaut, renoviert oder neu errichtet werden müssen, nimmt Mowlam die Organisation in die Hand.
Klingt nicht gerade nach kreativer Feinarbeit. Trotzdem ist Mowlam in dem typischen Männerberuf, in einem von Männern dominierten Unternehmen glücklich wie nie zuvor. Dabei sieht sie nicht unbedingt nach dem hemdsärmeligen Typ Frau aus. Im Gegenteil, irgendwie hat sie immer etwas sehr Mädchenhaftes: schlank und langbeinig, zurückhaltendes Lächeln, große, braune Augen und dunkles Haar, das ihr über die Schultern fällt.
"So wurscht, ob man eine Frau oder ein Mann ist, wie bei der MA 48 war es noch nie", sagt Mowlam. Aber so einfach war es für sie als Frau in einer Männerdomäne nicht immer. Damals, bei ihrem Studium an der TU Wien hatte sie noch gelitten unter der unterschwelligen Ausgrenzung und Ignoranz. Deshalb hängte sie nach vier Jahren am Abfallinstitut der Uni ihren Assistentenjob an den Nagel und versuchte sich doch als Künstlerin. Drei Jahre lang malte sie und organisierte Ausstellungen. Eine brotlose Zeit und die Szene so desillusionierend.
Fortan stapfte sie auf Baustellen herum. Ihr kreatives Potenzial blieb ihrem Chef nicht lange verborgen: Als Mowlam und ihre Kollegen eines Tages vor einer kniffeligen Frage standen, nämlich um wie viel sich Müll – im Vergleich zur herkömmlichen Lagerung – reduziert, wenn man ihn verbrennt, löste sie das Problem mit einer Grafik. Ihre Skizze erschien in der internen Mitarbeiterzeitung, und ihr Talent war entdeckt.
Seither hat die Bauingenieurin ihr Hobby mit in den Beruf gebracht: Sie zeichnet für die Mitarbeiterzeitung Comics – und die drehen sich natürlich um die Kollegen der MA 48. Damit sie auch möglichst realistisch sind, begleitet Mowlam sie auch schon einmal nachts beim Schneeschaufeln oder mit den großen Lkw der Müllabfuhr. Innerhalb der MA 48 ist sie schon so etwas wie ein kleiner Star: In nicht wenigen Büros hängt bereits ein Original-Mowlam an der Wand.
Die vergangenen Monate war Renate Mowlam mit ihrem ersten Comic-Buch beschäftigt: Darin gibt sie Lebensweisheiten zum Besten, die mit krakeligen Zeichnungen versehen sind. Inhaltlich dreht sich alles, wie der Titel "Die Kraft der Gedanken" schon verrät, um den Einfluss positiven Denkens. Denn von dem ist Mowlam überzeugt: "Positives Denken klingt zwar abgedroschen, aber es stimmt, mit dem Denken fängt's an: Man kann sich die Welt, so wie man sie sich denkt, erschaffen."