Surazo

Monika und Hans Ertl: Eine deutsche Geschichte in Bolivien
270 Seiten, Hardcover
€ 26.8
-
+
Lieferung in 2-5 Werktagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783751803533
Erscheinungsdatum 03.03.2022
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Biographien, Autobiographien
Verlag Matthes & Seitz Berlin
Sammlung Besser lesen mit dem FALTER - Die Bücher zum Podcast Folge 51-100
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
MSB Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft mbH
info@matthes-seitz-berlin.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags


Am 12. Mai 1973 wird Monika Ertl in La Paz im Verlauf eines Feuergefechts von Sicherheitskräften auf der Straße erschossen. Sie ist zum Zeitpunkt ihres Todes Mitte dreißig und Mitglied der bolivianischen Guerilla ELN. Ihr Vater, Hans Ertl, erfährt vom Tod seiner Tochter auf seiner Rinderfarm La Dolorida im bolivianischen Regenwald. Dorthin war der Kameramann Leni Riefenstahls und Rommels bevorzugter Frontfotograf in den 1950er-Jahren ausgewandert. In seinem Umfeld: rechtsnationale Diktatoren und SS-Obersturmführer, deutsche Missionare und jüdische Emigranten, Indigene und scheinbare Zauberkünstler, denen es gelingt, bei voller Sicht unsichtbar zu bleiben. Entlang ihrer Spuren folgt diese Recherche den Linien transatlantischer Verlängerungen nationalsozialistischer Karrieren, spürt dem Engagement der nächsten Generation in den internationalen Netzwerken der Achtundsechziger nach und verzweigt sich dabei bis in die Tiroler Alpen und nach Linz. Surazo, der Name des kalten Tropenwindes, sollte der Titel von Hans Ertls letztem Film sein; Surazo, das ist stattdessen eine Tiefenbohrung, die wie nebenbei von Geschichtsschreibung in einer verstrickten Welt erzählt; Surazo, das ist die Suche nach Antworten auf Fragen, die wir uns nach wie vor stellen müssen.


Mehr Informationen
ISBN 9783751803533
Erscheinungsdatum 03.03.2022
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Biographien, Autobiographien
Verlag Matthes & Seitz Berlin
Sammlung Besser lesen mit dem FALTER - Die Bücher zum Podcast Folge 51-100
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
MSB Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft mbH
info@matthes-seitz-berlin.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Transatlantische Verstrickungen

Julia Kospach in FALTER 11/2022 vom 16.03.2022 (S. 39)

Im Mai 1973 wird Monika Ertl in La Paz auf offener Straße erschossen. Die 35-Jährige ist Mitglied der bolivianischen Guerilla ELN, die gegen die Militärdiktatur kämpft. Drei Jahre zuvor hatte sie mit ihrer gutbürgerlichen Herkunft gebrochen, Kampftrainings auf Kuba absolviert und 1971 in Hamburg bei einem Attentat den bolivianischen Konsul Roberto Quintanilla Pereira getötet, der für die Erschießung Che Guevaras verantwortlich war.

Zum Zeitpunkt von Monikas Tod lebt ihr Vater Hans Ertl auf einer Hazienda im bolivianischen Tiefland. Der Kameramann und Kurzzeitliebhaber Leni Riefenstahls sowie Erwin Rommels liebster Frontfotograf war Anfang der 1950er-Jahre mit seiner Familie von Nachkriegsdeutschland nach Südamerika ausgewandert. Sein Nachbar: der bolivianische Diktator Hugo Banzer, mit dem Hans Ertl eine Männerfreundschaft verbindet.

Ein anderer guter Freund der Familie, den Monika und ihre Schwestern nur „Onkel Klaus“ nennen, ist Klaus Barbie: der als „Schlächter von Lyon“ in die Geschichtsbücher eingegangene NS-Kriegsverbrecher, der in Bolivien jahrzehntelang als Geheimdienstberater und Waffenhändler mit Drogengeld Diktaturen unterstützt. „Onkel Klaus“ war es wohl auch, der als Drahtzieher hinter Monikas Erschießung stand. Hans Ertl, der seine Tochter um ein Vierteljahrhundert überlebte, beklagte, „unverschuldet in das Mahlwerk südamerikanischer Guerillero-Politik geraten“ zu sein. Zur Verurteilung der Ermordung seiner Tochter kann er sich ebenso wenig durchringen wie zur Distanzierung von seiner NS-Vergangenheit.

In diese verworrene Gemengelage transatlantischer Beziehungen zwischen Altnazis und rechten südamerikanischen Diktaturen und, später, zwischen linkem Guerilla-Kampf und internationaler 68er-Politik taucht die Kulturwissenschaftlerin Karin Harrasser mit ihrem Buch „Surazo“ tief ein. Harrasser, Professorin und Forschungsvizerektorin der Kunstuniversität Linz, spannt einen weiten Bogen: von der kulturellen Kolonisierung durch jesuitische Missionare in Bolivien über Nachkriegsverstrickungen der dortigen deutschen Kolonie bis zu Harrassers Tiroler Heimatstadt Kufstein als zentralem Knotenpunkt rechter Netzwerke. Dort lebte etwa der NS-Sturzkampfflieger Hans-Ulrich Rudel und konnte auch in den Nachkriegsjahren „bei voller Beleuchtung unsichtbar bleiben“ und rege Kontakte zu südamerikanischen Diktatoren und ausgewanderten NS-Kameraden pflegen.

Harrasser setzt ihre fesselnden Recherchen Steinchen für Steinchen zu einem mosaikartigen Text zusammen. Sie beleuchtet, wie sich die Verbindungen zwischen Nationalsozialismus und Alpinismus auch in den bolivianischen Bergen fortsetzten, und analysiert die Natur- und Ethno-Dokumentarfilme, die Ertl in Bolivien drehte. Sie forscht nach Hinweisen auf die Motive für die Radikalisierung ihrer Protagonistin Monika Ertl, von der es kaum eigene Zeugnisse gibt.

Vor allem geht Harrasser der Frage nach, was es für die Geschichtsschreibung bedeutet, „dass die Langzeitfolgen von Naziwissen und Nazitechniken einen ganzen Kontinent ein halbes Jahrhundert lang geprägt haben“ und etwa „das Folterwissen der Gestapo, gehätschelt im antikommunistischen Kampf der USA, bis in die Achtzigerjahre in Bolivien, Argentinien, Chile, Uruguay weiter perfektioniert wurde“.

Mit dem Buchtitel „Surazo“ ist dabei nicht nur der Name eines eisigen südamerikanischen Windes gemeint. „Surazo“ sollte auch der letzte Dokumentarfilm heißen, den Hans Ertl in Südamerika drehte. Die Kälte ist auch ein Motiv von Harrassers Buch: von der „Eisprinzessin“ Leni Riefenstahl über die von den Nazis verklärten eisigen Bergwelten und Hans Ertls Film „Nanga Parbat“ aus den 1950er-Jahren bis zu einem Männerbild, in dem Kälte und Härte miteinander verschmelzen.

weiterlesen