

Mit Javier Milei in der Zombieapokalypse
Matthias Dusini in FALTER 48/2023 vom 29.11.2023 (S. 24)
Der russische Ultranationalist Alexander Dugin zählt zu seinen Bewunderern. Wie der wissenschaftliche Rassismus glaubt er an "menschliche Biodiversität", und er hasst den linken Menschenrechtsuniversalismus. Nick Land, Jahrgang 1962, gilt als Shitlord akademischer Theorie. Gemeinsam mit Curtis Yarvins, besser bekannt als Blogger Mencius Moldbug, machte er sich zum Wortführer der "Neoreaktionären". Seit 1998 lebt und arbeitet Land in Schanghai. Das Motto seines Twitter-Feeds lautet "Kälte sei mein Gott".
Die nun vorliegende Sammlung von Essays zeichnet den intellektuellen Werdegang eines brillanten Kopfes nach, der eine Dissertation über die Gedichte des österreichischen Dichters Georg Trakl schrieb. An der Universität Warwick schloss er sich gemeinsam mit der Theoretikerin Sadie Plant einer Gruppe an, die Popkultur mit Friedrich Nietzsche und Cyberpunk kurzschloss. Unter dem Einfluss von Amphetaminen geschriebene Texte wie "Maschinenbegehren" (1993) oder "Schamanischer Nietzsche" (1995) heben die Grenze zwischen Theorie und Fiktion auf.
Religion Biotech Er verehrt satanistische Götter wie Aleister Crowley (1875-1947), den Popstar des englischen Okkultismus. Land lehnt Gesellschaftskritik ab und huldigt der Biotechnologie als Möglichkeit, die engen Grenzen des menschlichen Körpers zu sprengen. In neueren Aufsätzen, etwa der 2012 erschienenen "Dunklen Aufklärung", spitzt Land die Ablehnung der Demokratie zu. In seinen Augen handelt es sich dabei um ein System, in dem Politiker die Staatskasse plündern, um an der Macht zu bleiben. Der scheinbare Fortschritt der auf hemmungslosem Konsum und Ämterkauf basierenden Demokratie führe direkt in die "Zombieapokalypse".
Ähnlich wie sein Genosse Mencius Moldbug schlägt Land vor, die Demokratie abzuschaffen und eine Art Monarchie zu errichten, in der ein vernünftiger CEO die Interessen der in Anteilseigner verwandelten Untertanen bedient. Mit solchen Ansichten verabschiedete sich Land endgültig von seiner linken Bubble, zu der etwa auch der Vordenker des Afrofuturismus, der britische Schriftsteller Kodwo Eshun, gehörte.
Lob der Ungleichheit Alle Welt reibt sich die Augen über den scheinbar verrückten neuen Präsidenten Argentiniens Javier Milei. In Lands Schriften finden sich wörtlich einige von Mileis Wahlversprechen, etwa die Schließung überflüssiger Ministerien oder die Zerschlagung der Nationalbank. Wie Milei beruft sich Land auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie, die den Unternehmer feierte und staatliche Eingriffe ablehnte. Land propagiert einen Technokapitalismus, in dem sich auch Silicon-Valley-Kings wie Peter Thiel zuhause fühlen, die ebenfalls die Demokratie ablehnen, weil sie mit Freiheit unvereinbar sei.
Land steht in der Tradition eines Xavier de Maistre (1763-1852), der die menschliche Ungleichheit gegenüber dem Gleichheitsversprechen der Französischen Revolution verteidigte. Beide nehmen für sich in Anspruch, der menschlichen Natur damit näher zu sein als der progressive Idealismus ihrer Gegner. Auch wenn die Lektüre immer wieder Faschismusalarm auslöst, lohnt sich das Eintauchen in Lands dunkle Aufklärung. Dietmar Dath, deutscher Autor und Mitherausgeber, empfiehlt Land, weil er "denkt und argumentiert, wie das Allerschlimmste und Allerfalscheste denken und argumentieren würde".