

Kirstin Breitenfellner in FALTER 29/2023 vom 19.07.2023 (S. 28)
Die Rede von Narrativen und Storytelling sei derzeit allgegenwärtig, meint Byung-Chul Han, trotzdem schwinde das Vertrauen ins Erzählen. Ohne Erzählung aber gebe es "kein Festlichkeitsgefühl als gesteigertes Seinsgefühl", sondern nur Arbeit und Freiheit, Produktion, Konsum und Information -eine Sinnleere, in die Verschwörungstheorien vorstoßen. Der lesenswerte Essay des koreanisch-deutschen Philosophen spürt der Vorgeschichte der narrativen Krise nach. "Erst Erzählen erhebt das Leben über seine schiere Faktizität", definiert er.
Das verlangt nach Muße. Erzählen bedeutet Problemlösen, es heilt, indem es Entspannung bewirkt. Der "neue Barbar", so Han, emanzipiere sich von der Überlieferung und damit vom Erfahrungsschatz der Menschheit. Künstliche Intelligenz rechnet und zählt. "Der Geist aber erzählt."