Hundertwasser

for Future
144 Seiten, Taschenbuch
€ 18.5
-
+
Lieferung in 7-14 Tagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783775746984
Sprache Englisch
Erscheinungsdatum 28.03.2020
Genre Kunst
Verlag Hatje Cantz Verlag
Designed von Santiago da Silva
Bildbeschreibung von Robert Hodonyi, Carolin Würfel
LieferzeitLieferung in 7-14 Tagen
HerstellerangabenAnzeigen
HATJE CANTZ VERLAG GmbH
Mommsenstraße 27 | DE-10629 Berlin
contact@hatjecantz.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags


The paintings and architecture by the artist Friedensreich Hundertwasser are nothing less than revolutionary with respect to nature and individual creativity. His work is not about silent conformity, but about life itself: each individual, in society and in the environment. With their strong, colorful formal vocabulary, Hundertwasser’s works allow nature its space. Even beyond his artwork, though, the Austrian environmentalist fought for new ideas and ideals. In many conversations, lectures, letters, and manifestos, he formulated his notions—from recycling, the greening of roofs and façades, and the democratization of living space—in order to lend them weight. What seemed like a utopia to his contemporaries is now urgently virulent and surprisingly current. Commemorating the twentieth anniversary of Hundertwasser’s death, this attractive book compiles his statements, excerpts from his manifestos, his paintings, examples of his utopian architecture, and his ideas for the future. 


FRIEDENSREICH HUNDERTWASSER (1928–2000) is known around the world for his visionary paintings and architecture. His works and essays make up a lively body of contemporary criticism, promoting clear-sighted concepts for changing social and economic circumstances.


Mehr Informationen
ISBN 9783775746984
Sprache Englisch
Erscheinungsdatum 28.03.2020
Genre Kunst
Verlag Hatje Cantz Verlag
Designed von Santiago da Silva
Bildbeschreibung von Robert Hodonyi, Carolin Würfel
LieferzeitLieferung in 7-14 Tagen
HerstellerangabenAnzeigen
HATJE CANTZ VERLAG GmbH
Mommsenstraße 27 | DE-10629 Berlin
contact@hatjecantz.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Weniger ist mehr

Matthias Dusini in FALTER 9/2020 vom 26.02.2020 (S. 30)

Als Peter Kastner, heute 79, den Maler Friedensreich Hundertwasser zum ersten Mal sah, rief er die Polizei. Der Waldviertler Unternehmer beobachtete Mitte der 1960er-Jahre beim Fischen im Kamp eine Gruppe von Fremden, die einen bunt bemalten Citroën DS in eine Scheune schoben, und dachte an Diebe. Der zu Hilfe gerufene Gendarm beruhigte den Bürger. Ein Wiener habe das Anwesen, die Hahnsäge, gekauft. Ein bekannter Maler namens Hundertwasser.

Vor 20 Jahren starb ein Künstler mit einem schlechten Ruf und einem unterschätzten Werk. Inzwischen gab es in Wien einige Versuche, Hundertwasser als Künstler zu rehabilitieren. 2013 rief das Belvedere dessen Wirken in der Nachkriegsavantgarde in Erinnerung. Das Leopold Museum stellt derzeit den Einfluss des Expressionisten Egon Schiele auf Hundertwasser dar. Vielen gilt der Mann mit dem Bart und den bunten Häusern jedoch noch immer als Spinner, der den Umweltschutz zur Unterhaltung verkommen ließ.

Höchste Zeit, Hundertwasser als Jahrhundertdenker wiederzuentdecken. Als einen, der Kunst, Leben und Natur zusammenbrachte. Die Reise beginnt im Waldviertler Kamptal, wo Hundertwasser seine Idee von einer besseren Welt in die Wirklichkeit umsetzte.

„Für Hundertwasser war eine einfache Lebensweise kein Gag, sondern selbstverständlich“, erinnert sich Peter Kastner. Der Kaufmann verbrachte sein Arbeitsleben in einem Lebensmittelgroßhandel, der seit Generationen in Familienbesitz ist. Die Kastner-Gruppe, ein Unternehmen mit 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, beliefert die Nah&Frisch-Läden, das sind Märkte in kleinen Ortschaften. Außerdem baute Kastner einen Vertrieb für Bioprodukte auf.

Unterhält man sich mit dem Pensionisten, lernt man einen kritischen Geist kennen, der am Segen der Globalisierung zweifelt und sich in der Anti-AKW-Bewegung engagierte. Einige Überzeugungen entstanden im Gespräch mit dem vermeintlichen Autodieb, der zum Nachbarn und Freund wurde.

Hundertwassers Refugium ist ein einfacher Holzbau, der bis in die 1950er-Jahre von der Familie Hahn bewohnt wurde. Der Künstler entdeckte die vom Wasser der Kamp angetriebene Hahnsäge in den 1960ern und kaufte sie. Für eine riesige Fichte, die neben dem Haus steht, musste er extra in die Tasche greifen. Die hätte Herr Hahn gerne gefällt und zu Brettern verarbeitet. An die Scheune mit Säge schließt ein kleines Haus an, in dem Hundertwasser immer wieder wohnte, sommers wie winters. Nach dem Tod des Künstlers im Jahr 2000 kauften die Kastners die Immobilie, als Denkmal für einen Künstler, der den Kosmos streichelte.

Im Juni 1960 macht Hundertwasser die Brennnessel zur Kunst. Friedrich Stowasser nennt sich zuerst Hundertwasser, sto heißt auf russisch hundert; später legt er sich den Vornamen Friedensreich zu. Die Pariser Bohème kennt die hagere Gestalt, die selbstgenähten Fellpatschen, den bunten Hund aus Wien. Hundertwasser gehört zum inneren Kreis der Avantgarde und nimmt in einer Galerie am ersten Happening in Europa überhaupt teil. Bei Happenings ist der künstlerische Akt wichtiger als das Werk und das Publikum wird Teil der Aktion.

Der damals 32-jährige Wiener zündet einen Gaskocher an und siedet in einem Waschkessel eine Brennnesselsuppe, die er an die Gäste verteilt. In einer flammenden, in den Wiederholungen an Mantras erinnernden Rede kritisiert er die Konsumgesellschaft: „Wisst ihr, wie einfach es ist, ohne Geld zu leben? Wisst ihr, wie einfach es ist, ohne Geld zu leben? Man muss nur Brennnesseln essen. Man muss nur Brennnesseln essen.“

Der Künstler kurvt mit dem Fahrrad durch die Stadt und liebt die dabei entstehenden imaginären Linien. Die krumme Linie symbolisiert für ihn die Freiheit zur Abweichung und den Protest gegen die verplante Welt. „Die gerade Linie führt zum Untergang der Menschheit“, schreibt er in einem frühen Manifest. Aus der fortschrittlichen Idee einer technischen Ästhetik, die in der Kunstschule des Bauhaus vermittelt wurde, war längst industrieller Größenwahn geworden.

Während die kriegsmüden Europäer vom Wirtschaftswunder träumen, warnt Hundertwasser vor der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen. Erst 1972 wird der Club of Rome die „Grenzen des Wachstums“ aufzeigen, da führt Hundertwasser bereits ein alternatives Leben. Der Autor Robert Hodonyi bezeichnet Hundertwasser in einem neuen Buch als „Vordenker der ökologischen Moderne“. Wenn von Schonen und Teilen die Rede ist, ging Hundertwasser mit gutem Beispiel voran.

Er zahlte einem französischen Bauern Pacht für ein Fleckchen Feld, auf dem ein Baum wuchs. So musste der Traktor immer einen Bogen machen, wenn er eine gerade Furche in den Boden grub. Als Hundertwasser 1950 von Wien nach Paris übersiedelte, experimentierte er mit nachhaltigen Lebensformen. Er bereitete Salate aus Löwenzahn, Bärlauch und Brennnesseln zu, aus Unkraut, das er in Mauerritzen fand. „Was würde passieren, wenn die Leute, statt immer mehr und mehr zu verlangen, immer weniger haben wollten“, schrieb Hundertwasser in einem Manifest.

Der achtlose Umgang mit Kleidern gilt heute als Desaster. Marken überschwemmen den Markt mit billigen Hemden und Hosen, die in Asien von rechtlosen Arbeiterinnen und Arbeitern gefertigt werden. Man muss sich Hundertwasser vorstellen, wie er Anfang der 1950er-Jahre die Pariser provozierte. Gerade sperrten die ersten Modeketten auf, da nähte der Wiener Fellmützen und strickte Pullover, als Rebellion gegen die „Bauhausmentalität“.

Auch beim Malen verhielt sich Hundertwasser korrekt. Die Farborgien der Tachisten, so wurde die lyrisch-abstrakte Malerei damals genannt, lehnte er ab, weil zu viel Material verschwendet wurde. Mitunter schüttete er beim Aquarellieren das Wasser auf die fertige Zeichnung, damit nichts wegkommt.

Als Hundertwasser zum ersten Mal in die Uttissenbachmühle kam, wo seine neuen Nachbarn wohnten, ging Peter Kastner in den Keller, um eine Flasche Bordeaux zu holen. Der Künstler verkostete den teuren Tropfen und bekundete seine Begeisterung. „Sehr gut!“ Doch dann spritzte er den Rotwein mit Sodawasser. „Leider zu schwer.“ An dem Tisch der Kastners schrieb Hundertwasser Protestbriefe gegen den Bau des Atomkraftwerks Zwentendorf und baute mit Streichholzschachteln Modelle für Gebäude.

Da er kein Telefon besaß, benutzte er den Anschluss der Familie. Der vermeintliche Eremit besaß Wohnsitze in Neuseeland, Wien und Venedig und hatte Bekannte in aller Welt. Manchmal betrug die Telefonrechnung 40.000 Schilling (etwa 3000 Euro), die der Gast ohne Murren beglich. Als Hundertwasser in den 1970er-Jahren von der damals neuen Solartechnik hörte, wollte er unbedingt so ein Ding, das Sonne in Strom verwandelt. Kastner musste ausrücken, um die damals sündteure Technik zu beschaffen.

Immer wieder klopften weibliche Fans bei den Kastners an, denen der Akademieprofessor eine vage Adresse gegeben hatte. Die Nachbarn drückten den Frauen eine Laterne in die Hand und schickten sie flussabwärts zur Künstlerklause. „Lang ist keine geblieben“, sagt Edeltraud Kastner, die Gattin von Peter Kastner. Ein Besuch in der Hahnsäge zeigt warum.

Ein klobiger Holztisch und ein Herd sind das einzige Mobiliar eines etwa 25 Quadratmeter großen Raumes. Hier malte, kochte und schlief Hundertwasser. Das Gebäude liegt an einem von Fichten gesäumten Flusslauf. Die Witterung rundete in Millionen Jahren riesige Granitblöcke ab, die mit Moosflächen bewachsen sind. Das Kamptal wirkt in dem noch unverbauten oberen Abschnitt wie ein Märchenwald, erst flussabwärts beginnen die Stauseen und Kraftwerke.

Als Bett verwendete Hundertwasser Matten aus dem Baumarkt. Es gibt keine Stromleitung, das Wasser holte er sich von einer nahen Quelle. Der Künstler wiederholte ein Experiment, das der Schriftsteller Henry David Thoreau Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Klassiker „Walden oder Leben in der Wäldern“ beschrieb: den Bruch mit schlechten Gewohnheiten und den Rückzug auf das Wesentliche.

Das Holzdach bedeckte Hundertwasser mit Erde und ließ Gras und Bäume darauf wachsen, das Modell für zahlreiche weitere Dachoasen. Jede Form von Abfall sollte in den ökologischen Kreislauf eingespeist werden, auch die Exkremente. „Das ist der Prototyp seines Humusklos“, erklärt ­Kastner und deutet auf ein Plumpsklo, dessen Loch über dem Mühlbach liegt. Auf dem Dach seines Hauses in Neuseeland setzte Hundertwasser seine Idee einer Ökotoilette um, in der die „heilige Scheiße“ in fruchtbare Erde verwandelt wird.

Man muss kurz innehalten und versuchen, den Ort zu spüren. Der Bach rauscht laut und das Sonnenlicht dringt durch die kleinen Fenster ein. Hundertwasser baute vor dem Haus einen Spiegel auf, um die Strahlen hineinzulenken. An der Decke kleben Spiegelscherben, die den Effekt verstärken. So entstand ein Raum für Meditation, in der die Sinnesreize mit der Imagination verschmelzen. Der Weg zur Erleuchtung führt von außen nach innen.

Mit seinen Polemiken gegen das Bauhaus brachte Hundertwasser die Kunstkritiker gegen sich auf, die er pauschal als „Feinde“ verdammte. Er wetterte gegen „entartete Kunst“, ein Begriff, mit dem die Nationalsozialisten die Avantgarde diffamierten. 1928 in Wien geboren, erlebte der Künstler die Deportation und Ermordung der Familie seiner jüdischen Mutter. Für seinen Hass auf das Zeitgenössische bekam Hundertwasser Applaus von rechts.

Hundertwasser machte es seinen Gegnern leicht. Ende der 1970er-Jahre erhielt er von der Stadt Wien den Auftrag, einen Gemeindebau nach seinen Vorstellungen zu entwerfen. Der Künstler packte seine Werkzeug aus, zeichnete schiefe Böden und Balkone, aus denen Bäume wachsen. Nach jahrelangem Streit mit der Baupolizei realisierte Hundertwasser dann gemeinsam mit einem Architekten ein Haus, das im Kern ein konventioneller Gemeindebau blieb.

Die Kostenzwänge und die strenge Bauordnung verhinderten, dass Hundertwasser sein volles Programm anwenden konnte: ökologische Baustoffe, individuelle Gestaltung durch die Bewohner, die Wiederverwertung von Abwässern. In der Architekturdebatte blieb so das Bild eines Behübschers hängen, der pittoreske Oberflächen für mittelmäßige Gebäude lieferte.

Die Müllverbrennungsanlage in der Spittelau war der Gipfel. Als die Anlage 1987 abbrannte, holte der damalige Bürgermeister Helmut Zilk Hundertwasser als ästhetische Feuerwehr. Krumme Linien und bunte Farben sollten die Giftschleuder bekömmlich machen und den innerstädtischen Standort retten. Kastner erinnert sich an die Zweifel Hundertwassers, der das Spiel durchschaute.

Wochenlang zögerte er, ob er den Auftrag annehmen soll. Ein befreundeter Wissenschaftler klärte ihn darüber auf, dass Müllverbrennung umweltverträglich sein kann. Dafür brauche es aber modernste Filtertechnik. Hundertwasser bestand auf dem neuesten Standard und sagte zu.

Auf den Schlot wollte er eine vergoldete Zwiebel setzen, die sich verfärbt, sobald der Rauch die gesetzlich vorgeschriebenen Werte überschreitet. Dafür gab es leider keine technische Lösung. Hundertwassers feindselige Haltung gegenüber dem zeitgenössischen Diskurs verfestigte das Stereotyp eines reaktionären Kauzes. Dabei würde er heute viel zu sagen haben.

Der Do-it-yourself-Gedanke fasziniert die Vertreter einer demokratischen Stadtplanung. Architekten experimentieren mit Lehm und recyceln Regenwasser. Sie fahren in die Subsahara, um archaische Bauweisen kennenzulernem. Planer schwärmen von vertikalen Gärten, die Fassaden kühlen und mehr Sauerstoff in die Stadt bringen. Alle diese Ideen sind bei Hundertwasser angelegt, ohne dass er als Vordenker einer ökologischen Architektur ernst genommen würde.

In Österreich, Deutschland, den USA, Japan und Neuseeland entstanden Hotels, Schulen, Tankstellen und Museen nach Hundertwassers Plänen. Kritiker hassen sie, das Publikum liebt sie. Das Hundertwasserhaus im dritten Bezirk gehört zu den beliebtesten Attraktionen Wiens. Für die einen bleibt Hundertwasser ein Kitschkünstler, die anderen beginnen ihn als Universalgestalter zu schätzen, der Kommunikation als Teil der Lösung erkannte. Anders als bei vielen hochgelobten Ökoprojekten verstand es der Maler, starke Bilder und Symbole – etwa die Spirale – zu entwickeln. Ökologie sollte nicht nach Fasten schmecken, sondern nach frischer Wiese. Während heutige Öko-Aktivisten gern im Büßergewand auftreten, pries Hundertwasser den genussvollen Ausstieg.

Ökologie ist ein Modewort. Wer aber beschäftigte sich wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg mit Sustainability und Recycling? Bazon Brock, ein alter Weggefährte, der mit Hundertwasser bereits 1959 zusammenarbeitete, hat eine Erklärung für dessen schlechten Ruf: „Für viele ist Umweltschutz heute selbstverständlich. Die Leute nehmen es Hundertwasser aber übel, dass er etwas postuliert hat, das sie damals noch ablehnten.“ Blickt man nach hinten, steht Hundertwasser in der Tradition von Lebensreformern wie dem deutschen Aussteiger gustaf nagel, innerhalb der aktuellen Bewegung gehört Greta Thunberg zu den Kindern im Geiste.

Ein Manager hielt Hundertwasser den Rücken frei, damit er ohne Verpflichtungen arbeiten konnte. Auch im Kamptal kümmerte sich die Nachbarin darum, dass Lebensmittel im Haus waren. Hundertwassers Umgang mit Frauen lässt vermuten, dass er bindungsunfähig war. Man könnte sagen: Ein Egomane spielte Fantasiewelt. Hundertwasser taugt dennoch zum Vorbild. Anders als die mitunter gescheiterten kollektiven Experimente der 1960er-Jahre betonte er das individuelle Moment, jene Verbesserungen, die jeder für sich machen kann. Trotz aller Ablehnung blieb er einem Dogma der Moderne treu: Less is more!

Natürlich wird niemand in einer Hütte ohne Wasser und Strom hausen wollen. Das Waldviertler Hundertwasserhaus erinnert jedoch daran, wie bescheiden Menschen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein lebten – und nach dem Klimakollaps vielleicht wieder leben müssen. „Das hier ist nicht massentauglich“, sagt Peter Kastner. Wir stehen wieder im Freien und schauen auf die gewellten Linien, die ein indischer Freund auf die Fassade der Hahnsäge gemalt hat.

Nach dem Tod des Künstlers wollte er ihn damit grüßen und zitierte: „Die gerade Linie ist gottlos.“ Wanderer hielten die Pinselei für ein Werk Hundertwassers und montierten die Fensterläden ab, auch eine Form von Recycling. Kastner hält inne, um eine Resümee zu ziehen. „Wenn von Hundertwasser übrig bleibt, dass man sich einschränken soll, ist das schon mehr, als man verlangen kann.“

Folgt man den Überlegungen der Experten, dann sollten die Maßnahmen zur Rettung des Planeten nicht nur von den Politikern kommen, sondern auch von den Einzelnen ausgehen. Ihr Motto lautet: Du musst dein Leben ändern! In Peter Schamonis Filmporträt „Regentag“ (1972) schmiegt sich Hundertwasser an eine Eisscholle, um das Blubbern des Wassers zu hören. Da bekommt der Zuseher ein Gefühl für die Schönheit dieser Arte povera. Hundertwasser vermittelte Askese nicht als Mangel, sondern als Fülle – als „souveränen Verzicht“, wie Bazon Brock sagt.

Hundertwassers immer schon schwaches Herz hörte 2000 auf dem Weg von Neuseeland nach Europa auf zu schlagen. Wie es sich für einen Naturheiligen gehört, reiste er nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Schiff. Die Bestattung auf seinem Grundstück in Neuseeland war testamentarisch geregelt. Er wollte nackt und ohne Sarg in die Grube. Würmer verarbeiten den Leichnam zu Humus.

weiterlesen