
Mamma und Mussolini
Kirstin Breitenfellner in FALTER 27/2024 vom 03.07.2024 (S. 28)
50 Jahre nach seinem Erscheinen hat Elsa Morantes Klassiker „La Storia“, die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter und ihrer beiden Söhne im faschistischen Rom, nichts an Aktualität eingebüßt. Der Roman handelt von den Auswirkungen von Gewalt und Unterdrückung auf die sogenannten kleinen Leben von 1940 bis 1947. Die Kapitel folgen den Jahreszahlen, wobei am Beginn der einzelnen Abschnitte eine nüchterne Aufzählung der weltpolitischen Ereignisse steht. Das Berückende dieses Wälzers liegt in der liebevollen Schilderung des Alltags, etwa wenn Sohn Giuseppe, Kind einer Vergewaltigung durch einen deutschen Soldaten, die ersten Wörter lernt oder sein Bruder Nino ihn heimlich auf die Straße trägt und er zum ersten Mal die Welt außerhalb der engen Wohnung sieht. Eine Poetik der Genauigkeit und der widersprüchlichen Gleichzeitigkeiten. In Italien steht „La Storia“ derzeit aufgrund eines 2024 vom staatlichen Sender Rai realisierten Achtteilers wieder in den Bestsellerlisten – auf Deutsch ist er in der ersten, glasklaren Neuübersetzung seit 1976 erhältlich.


