

Vernichtungsfantasien
Margaretha Kopeinig in FALTER 7/2024 vom 16.02.2024 (S. 18)
Seit dem Terrorangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verzeichnen EU-Staaten eine starke Zunahme von antisemitischen Straftaten. Der bekannte Anwalt und Publizist Michel Friedman nimmt diese Situation zum Anlass, die Ursachen und Hintergründe dieser Entwicklung, vor allem in Deutschland, zu analysieren. In seinem neuen Buch "Judenhass" macht er klar, dass Judenhass ein Hass sei, der gegen das humanistische Selbstverständnis des Menschen verstößt und auch unsere liberale Demokratie gefährdet.
Für Friedman, den leidenschaftlichen Kämpfer für Toleranz, ist Hass gegenüber Juden, Minderheiten, Migranten, Andersdenkenden ein Gradmesser der Demokratie. "Ich bin nicht bereit, mich von Menschen, die hassen, beeinflussen zu lassen. Ich bin nicht bereit, ihnen dieses Machtgefühl zu schenken. Ich bin nicht bereit, einen Teil meiner Identität aufgrund von Drohungen zu löschen. Ich verstehe nicht, warum Menschen, die selbst keine Juden sind, nicht bemerken, dass dort, wo die autoritäre Geisteshaltung ihren Platz gefunden hat, nicht nur die Minderheiten, sondern auch sie selbst ihre Lebensqualität verlieren", schreibt er.
Hass ist für den Autor eine toxische Substanz, die sich in der Gesellschaft ausbreitet, aber nur so lange wirkt, "wie die Mehrheit der Gesellschaft schweigt". Reagieren Menschen jedoch, erheben sie das Wort und/oder gehen auf die Straße, dann werden Hassende wieder zu dem, was sie eigentlich sind: "bemitleidenswert". Michel Friedman erwartet sich entschiedenere Positionen gegen Fantasien der Vernichtung Israels. Er möchte vor allem, dass verstanden wird, dass hinter dem Satz, der bei Demonstrationen in aller Welt zu hören ist, "From the river to the sea", der Ruf "Tod den Juden!" steht. Dabei geht es Friedman nicht allein um die Solidarität mit Jüdinnen und Juden, der studierte Jurist, der sich auf das deutsche Grundgesetz beruft, verlangt Solidarität mit allen Menschen, die unterdrückt werden. Denn das sei auch das Wesen einer stabilen Demokratie.