

Geldgier als Kitt für eine neue Achse von Autokraten
Tessa Szyszkowitz in FALTER 45/2024 vom 08.11.2024 (S. )
Der BRICS-Gipfel im russischen Kasan machte es gerade wieder deutlich. Die autokratischen Führer Russlands und Chinas standen Seite an Seite mit jenen des Irans und Venezuelas. Der alte Systemkonflikt - Kommunisten gegen Kapitalisten - ist vorbei. "Ihre Bande untereinander sind keine Ideale, sondern Geschäftsbeziehungen, die der Aufweichung internationaler Sanktionen, dem Austausch von Überwachungstechnologie und der gegenseitigen Bereicherung dienen", schreibt Anne Applebaum in "Die Achse der Autokraten".
Es ist trotzdem nicht ungefährlich, von einer "Achse der Autokraten" zu sprechen. Im englischen Original heißt der Band "Autocracy. Inc", was den Inhalt des Buches besser beschreibt. Denn: "Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen dem Kommunismus Chinas, dem Nationalismus Russlands, dem bolivarischen Sozialismus Venezuelas, der Dschutsche-Ideologie Nordkoreas und der radikalen Schia der Islamischen Republik Iran", schreibt sie: "Im Gegensatz zu früheren militärischen und politischen Bündnissen tritt diese Gruppe nicht als Block auf, sondern eher wie eine Kooperation von Unternehmen."
Pazifismus nicht um jeden Preis Als Autorin und Journalistin hat die US-Amerikanerin, die in Yale studierte, die Grundlagen für diese Entwicklungen erforscht, seit sie 1988 in Warschau Korrespondentin für den Economist geworden war. Für ihr Werk "Der Gulag" gewann sie 2003 einen Pulitzer-Preis. Gerade hat sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in Frankfurt erhalten. In ihrer Rede sprach Applebaum davon, dass Frieden und Demokratie manchmal auch mit Waffen verteidigt werden müssen.
Wenn es bei Applebaum im ersten Kapitel um Russlands Weg in die Autokratie geht, kommt auch Wien vor. 1967 traf sich in der alten Habsburg-Metropole die deutsche und österreichische Gas-und Stahlindustrie. In Sibirien waren Gasfelder gefunden worden. 1970 wurden die ersten Pipelines gebaut. Die Ostpolitik Deutschlands basierte auf Wandel durch Handel, die österreichische, möchte man ironisch hinzufügen, hofft darauf bis heute. Als Putin zur Jahrtausendwende Russland übernahm, ließ er den Westen im Glauben, an einer kooperativen, demokratischen Entwicklung interessiert zu sein. Und baute sich seine, wie Applebaum schreibt "autokratische Kleptokratie" auf, einen "Mafiastaat", der nur ein einziges Ziel hatte: die Selbstbereicherung seiner Anführer.
Hetzen gegen Richter Was diese modernen Autokratien absichert, ist ein engmaschiges Netz an Desinformations-und Propagandamaßnahmen. Nicht nur hat China der eigenen Bevölkerung das freie Internet abgedreht. Die Volksrepublik kümmert sich bei der digitalen Erschließung Afrikas mit großem Eifer darum, dass ihre Weltsicht, die äußerst kritisch gegenüber der westlichen Demokratie ist, weiterverbreitet wird.
Nach innen schwächen Autokraten gerne die demokratischen Institutionen ihrer Länder, um ihre Interessen ungestört durchsetzen zu können. Im Falle von Donald Trump, schreibt Anne Applebaum, ging es während und nach seiner Amtszeit gegen Richter und Wahlhelfer. Um ihre Interessen durchzusetzen, wollen Autokraten -jeder für sich, aber auch gemeinsam -die internationalen Organisationen wie die Vereinten Nationen loswerden. Internationales Recht oder Menschenrechte sind für sie ungefähr so gefährlich wie für den Teufel das Weihwasser.