

Freudenausbrüche über die Schönheit der Natur
Julia Kospach in FALTER 11/2014 vom 14.03.2014 (S. 30)
Gärtnern: Der Garten als Graphic Novel und konventionelles Lexikon: zwei hinreißende neue Bücher
Das ist einmal wirklich etwas ganz und gar bestrickend Neues: ein Gartenbuch als Graphic Novel bzw. als gezeichnete Achterbahnfahrt durch die Höhen und Tiefen eines ganzen Gartenjahres.
Der deutschen Illustratorin Kat Menschik gelingt mit ihrem Buch "Der goldene Grubber" ein vollständig eigenständiger Code, um über Gartenerfahrungen Auskunft zu geben: gezeichnete und gemalte Gartenkolumnen sozusagen, jedes Bild ein eigenes kleines Kapitel, jedes Wort von Hand dazugeschrieben und mit Illustrationen und Malereien kombiniert, die in ihrer formalen Vielfalt ebenso erstaunen wie in ihrer Prägnanz.
Blättert man dieses herrliche Buch durch, will einem plötzlich scheinen, dass diese cartoonhafte Auseinandersetzung mit dem Thema Garten die angemessenste ist. Teils handelt es sich um Anleitungstafeln zum Hantieren im Garten, teils um gezeichnete Erfahrungsberichte vom Scheitern und Triumphieren im Umgang mit Pflanzen, teils um laute, farbige Freudenausbrüche über die Schönheiten der Natur oder besondere Momente mit ihr.
Da geht es darum, wie man dem eigenen, in der Stadt aufgewachsenen Kind, das mit allerlei Insekten auf den Armen dargestellt wird, die Natur näherbringt. Da zeigen ein paar schlapp über den Topfrand hängende Keimlinge das Elend pilzbefallener Jungpflanzen oder ein gutes Dutzend ganzseitiger Pflanzenporträts die Vielgestalt der im Frühjahr blühenden Blumen.
Es gibt die wiederkehrende Rubrik "Meine Freundin Henni sagt" mit Gartenratschlägen von erfahrener Seite, es gibt Kräuterporträts, die an alte botanische Tafeln erinnern, und humoristische Cartoons, die klassische Erfahrungen aufs Korn nehmen, die alle Gartenlehrlinge machen.
Das Gros der quadratischen Bildtafeln ist folgerichtig statt in Schwarz-Weiß in Grün-Weiß gehalten und hat einen (gemessen am üblichen romantisch-verspielten Dekor der meisten Gartenbücher) besonders reizvollen, reduzierten druckgrafischen Charakter. Einige wenige Tafeln glänzen zwischendurch auch in voller, üppiger Farbigkeit.
Das zweite Highlight der Frühlingssaison auf dem Gartenbuchsektor ist ebenfalls üppig illustriert. Wobei wir hier von historischen Beispielen der klassischen botanischen Illustration sprechen, wissenschaftlich präzise gezeichnet und nach der Natur von Hand koloriert. Die Darstellungen stammen alle aus der Sammlung der berühmten Lindley Library der britischen Royal Horticultural Society, bei der es sich wahrscheinlich um die weltweit beste Bibliothek mit Druckwerken rund ums Thema Garten handelt.
Das Buch, das diese Pflanzenporträts ziert, heißt "Latein für Gärtner". Über 3000 lateinische Begriffe aus der Botanik werden darin erklärt. Das klingt nach einer Speziallektüre für Gartenfreaks, ist aber in Wahrheit ein höchst lehrreich und amüsant zu lesendes Lexikon über die vielen kulturhistorischen Bezüge, Bedeutungsnuancen und manchmal auch Irrtümer, die sich aus den botanischen Namen von Pflanzen herauslesen lassen.
Wer in diesem Buch herumblättert - und das ist wie bei jedem Lexikon gewiss die beste Art, sich ihm zu nähern -, wird reich belohnt. Zusätzlich erfährt man einiges über die Gärtner, Botaniker oder Pflanzenjäger, deren Namen sich hinter den lateinischen Bezeichnungen der von ihnen gefundenen oder zu ihren Ehren benannten Pflanzen verbergen.
Die lateinisch-griechische Nomenklatur der Pflanzennamen erweist sich insgesamt als eine wahre Fundgrube: zur Gestalt, zur Verwendung, zur Mythologie, zu den Jahreszeiten oder der Verwendung von Pflanzen. Wer sie zu lesen lernt, kann allein daraus schon sehr viel Wissenswertes über eine Pflanze ziehen - auch wenn er die Pflanze selbst noch nie vorher gesehen hat.
Außerdem ist "Latein für Gärtner" ein Wunder an eleganter Buchgestaltung - sehr konventionell, aber über die Maßen qualitäts-und liebevoll gemacht. Man merkt, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Englischen handelt. Die Briten verstehen einfach etwas von Gartenbüchern. Die berühmte Shakespeare-Frage "What's in a name?" wird hier tausendfach erschöpfend beantwortet.