

Bruce Willis beantwortet seine Mails nicht
Sebastian Fasthuber in FALTER 46/2012 vom 16.11.2012 (S. 36)
Mit dem Roman "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters" kommt Tilman Rammstedt zur Buch Wien
Was macht ein Romancier, wenn ihm das gerade im Entstehen befindliche neue Werk nicht so recht rausflutschen will und er noch dazu seinen Helden in eine ausweglose Situation manövriert hat? Er verfällt in Weinkrämpfe, Depressionen und eine Schreibblockade – oder aber er holt sich, wie im Falle von Tilman Rammstedt, professionelle Hilfe beim etwas in die Jahre gekommenen Superheldendarsteller Bruce Willis:
"Sehr geehrter Herr Willis,
(
) Ich würde Ihnen gern eine Rolle in meinem neuen Buch anbieten. Wenn Sie noch der alte Bruce Willis sind, wird das eine Kleinigkeit für Sie, ein Spaziergang, dann sind Sie noch vor dem Frühstück damit fertig. Und falls Sie sich doch kurz aus den Augen verloren haben sollten, ist das vielleicht genau die Herausforderung, nach der Sie suchen. Es würde Sie wieder an Sie erinnern.
Ihr Tilman Rammstedt."
Mit "Der Kaiser von China" (2008) hatte Rammstedt sowohl die Kritik entzückt als auch ein breites Publikum erstklassig unterhalten und sich mit einem Ausschnitt aus dem Roman beim Ingeborg-Bachmann-Preis sowohl den Hauptpreis als auch den Publikumspreis erlesen. Mit seinem jüngsten Roman "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters" wagt er sich nun weit vor in die Welt der Metafiktion, einem Genre der postmodernen US-Literatur, das in den 1960er- und 1970er-Jahren mit Autoren wie Gilbert Sorrentino ("Mulligan Stew") zu einem Höhepunkt gelangte.
Heute, da eh alles meta ist und alle Kunst ständig über sich selbst reflektiert, wirkt es jedoch nur bedingt sexy, wenn einer der eigenwilligsten deutschsprachigen Autoren ein Buch schreibt, in dem eine der drei Hauptfiguren Tilman Rammstedt heißt, Schriftsteller ist und an einem Buch schreibt, das der Leser nun in Händen hält.
Rammstedt hat seinen Roman einer rigorosen Struktur unterworfen: Auf ein E-Mail Rammstedts an Herrn Willis (der – so viel darf man verraten – nie antworten wird) folgt jeweils eine kurze Erinnerung des Autors an die Treffen mit seinem ehemaligen Bankberater, einem Melancholiker erster Güte, der statt Investmenttipps lieber Philosophisches von sich gibt: "Überhaupt: Vorsorge. Als ob man die Sorge so einfach hinters Licht führen könnte, als ob man weniger Sorgen hätte, wenn man sie einfach nach vorne verlegt."
Auf der Handlungsebene bewegt sich zunächst wenig, dann aber eine Menge und höchst Abenteuerliches: In Gegenwart von Tilman Rammstedt verübt der Bankberater einen Banküberfall mit anschließender chaotischer Flucht, für die Rammstedt den nicht besonders heldenhaften Bankberater mit Herrn Willis besetzen möchte. Einzige Sorge des Autors: Die Geschichte soll "ein halbwegs glückliches Ende" nehmen.
Über die Entstehung seines Romans verrät der echte Tilman Rammstedt im Interview Folgendes: "Tatsächlich war die Figur des Bankberaters als Erstes da. Ein Mensch, der fast nur aus Melancholie zu bestehen scheint und von dem man nicht weiß, ob er unglaublich weise oder unglaublich einfältig ist. Auch das Ende kannte ich früh. Nur der Weg dorthin war mir schleierhaft. Aber da es ja auch ein Buch über das Tricksen ist, über Verzweiflungstaten und Trotz, ahnte ich, dass ich dieses glückliche Ende auf irgendeine Weise schon erreichen würde – wenn auch bestimmt nicht auf geradem Wege."
Und dann kam Bruce Willis. "Um mich vom Scheitern beim Schreiben abzulenken, sah ich mir einen Trailer für einen neuen Film mit Bruce Willis an. Wenn der schon dauernd die Welt rettet, so fand ich, könnte er doch auch mal zwischendurch ein Buch retten." Das Schreiben selbst sei dann recht flott vonstatten gegangen: "Aber nur, wenn man die Phasen des Zögerns und Zweifelns herausrechnet, was natürlich geschummelt wäre."
Als Leser ist man natürlich geneigt, den Tilman Rammstedt im Buch mit dem realen Tilman Rammstedt gleichzusetzen. Und der müsste dann sofort "Fiktion!" rufen. Tut er aber nicht: "Wir haben nicht nur den Namen, sondern auch fast alles andere gemeinsam. Er ist lediglich etwas entschlossener als ich und schickt penetrante Mails an Bruce Willis, obwohl der nie antwortet. Während ich nur ein Buch über einen Autor geschrieben habe, der Bruce Willis schreibt."
Es ist ein vielschichtiger, auf vielerlei Arten lesbarer Roman, der Rammstedt mit "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters" gelungen ist. Man kann sich an der treffsicheren Lakonie und an den unzähligen kleinen Gags und Finten erfreuen, das Buch als Studie über melancholische Männer oder als Meditation über die Einsamkeit des Schriftstellers lesen.
Denn nicht nur Mister Willis verweigert die Kommunikation, auch sein ganzes Umfeld geht Tilman Rammstedt nach und nach verloren: Auf Probleme mit der Frau folgen Probleme mit dem Verlag, der am Geisteszustand des Autors zu zweifeln beginnt. Der Bankberater wiederum scheint fast ein Alter Ego des Autors zu sein, derart gut verstehen und ergänzen die beiden einander.
Und so gelingt es dem Trickser Rammstedt, anfängliche Zweifel, die der Leser angesichts der arg konstruierten Anlage des Romans zu Beginn haben mag, mit kleinen Momenten voller Schönheit und Gefühl nach und nach auszuräumen.
Eine Frage an den realen Tilman Rammstedt wäre da noch: Hatte er nach dem Erfolg mit "Der Kaiser von China" auch mit echten Bankberatern zu tun? "Tatsächlich riefen in den letzten Jahren zum ersten Mal in meinem Leben Bankberater bei mir an. Ab und zu traf ich mich auch mit einem von ihnen, aber alle sind recht schnell an mir verzweifelt, weil ich zu zögerlich war. Mir erschien ja schon ein Sparbuch als ein hochspekulatives Anlageprodukt."