

Kirstin Breitenfellner in FALTER 20/2014 vom 16.05.2014 (S. 38)
Die beiden Brüder könnten nicht unterschiedlicher sein: Einer arbeitete in einer Notschlafstelle; er war erfolglos und faul, eingebildet und kompromisslos. Daran, dass er sich schließlich mit einer Überdosis Heroin mit Mitte 40 das Leben nahm, sei nichts zu bedauern, meint der andere, der erfolgreiche, fleißige jüngere Bruder. Es sei nur folgerichtig. Nach seinem Romanerstling "Hundert Tage" (2008) über den Völkermord in Ruanda legt der Dramatiker Lukas Bärfuss nun eine autobiografische Romanstudie vor. Die Sucht spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Bärfuss will den Selbstmord nicht erklären, er versucht ihn aber zu fassen. Und zwar mittels des Totemtiers seines Bruders bei den Pfadfindern, das dem Roman den Titel gab: "Koala". Dazu geht er zurück bis zur Kolonisation Australiens. Und kommt wieder mit einem Bündel ungeklärter Fragen – nicht an den Tod, sondern an das Leben. Beeindruckend.