

Klaus Nüchtern in FALTER 46/2016 vom 16.11.2016 (S. 36)
Vor 15 Jahren ist Christine Lavants autobiografischer Bericht erstmals bei Otto Müller erschienen, nun wurde er von Klaus Amann neu herausgegeben und benachwortet – im Rahmen der hochlöblichen Anstrengungen des Wallstein Verlags, dem Werk der großen Kärntner Schriftstellerin den gebührenden Rang zukommen zu lassen. Im Herbst 1935 hatte sich die damals 20-Jährige, jüngstes von neun Geschwistern einer Bergarbeiterfamilie, nach einem Suizidversuch freiwillig in die „Landes-Irrenanstalt“ einweisen lassen, wo sie sich einer sechswöchigen Arsenkur unterzog.
Der tagebuchartige Stil der erst elf Jahre später niedergeschriebenen „Aufzeichnungen“ ist eine Fiktion, die handelnden Personen sind es nicht. Die glasklaren Beobachtungen Lavants entlarven die Inhumanität der Institution und sind doch weniger Anklage als ein eindringliches, anrührendes, aber völlig unkitschiges Plädoyer für Empathie. Große Literatur!