Schreibtischtäter

Begriff - Geschichte - Typologie
320 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783835332133
Erscheinungsdatum 05.02.2018
Genre Geschichte/20. Jahrhundert (bis 1945)
Verlag Wallstein Verlag
Herausgegeben von Dirk Rose, Dirk van Laak
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Wallstein Verlag GmbH
Geiststr. 11 | DE-37073 Göttingen
info@wallstein-verlag.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

Die erste kultur- und geschichtswissenschaftliche Vermessung einer problematischen (Rechts-)Figur des 20. und 21. Jahrhunderts.

Der Begriff des »Schreibtischtäters« nahm seit der Verurteilung Adolf Eichmanns eine erstaunliche Karriere. Der Organisator des Holocaust bündelte geradezu idealtypisch arbeitsteilige Prozesse, bürokratische Vernichtung und geteilte Verantwortlichkeit. Die Autoren kreisen die Entstehung, die Wirkung und die Problematik dieser Kategorie erstmals systematisch ein. Dabei werden Perspektiven der Literatur-, Kultur- und Zeitgeschichte mit solchen der Sozial-, Politik- und Rechtswissenschaft verbunden.
Der »Schreibtischtäter« erweist sich als eine charakteristische Figur der Moderne, der spezifische Medien zugeordnet sind. Als Anstifter oder Ausführender versteht er sich als »Rädchen« in einem »Getriebe«, das Juristen ebenso herausfordert wie Kultursoziologen, denn der Begriff besaß von Beginn an auch eine Tendenz zur Verharmlosung.

Aus dem Inhalt:
Kerstin Hofmann: »Ich hatte nie davon gehört, dass man die Juden vernichten will.« Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg und die Grenzen der Strafverfolgung
Verena Mais: »Also bin ich eine Schreibtischtäterin«. Paradoxien des Schreibens und der Täterschaft bei Elfriede Jelinek
Annette Weinke: Sichtbare und unsichtbare Gewalt. Der »Schreibtischtäter« in den gewaltkritischen Diskursen der Nachkriegszeit

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ISBN 9783835332133
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FALTER-Rezension

„Das Bluthandwerk vom Schreibtisch aus“

Rudolf Walther in FALTER 14/2018 vom 04.04.2018 (S. 22)

Ein Sammelband nähert sich dem „Schreibtischtäter“. Wie so oft existierte der Tatbestand schon lange vor dem Wort

Karriere hat das Wort „Schreibtischtäter“ nur im Deutschen gemacht. „Desk murderer“ und „white collar criminal“ im Englischen finden längst nicht so viel Verwendung. Im Französischen, Italienischen und Spanischen sind direkte Übersetzungen gar nicht möglich, sondern nur Hilfskonstrukte (im Französischen etwa „cerveau de crime“). Und dies, obwohl die Tatbestände in allen modernen Gesellschaften vorhanden sind: die logistische Vorbereitung, taktische und strategische Anordnung und Durchführung von Handlungen nicht am Tatort, sondern aus Büros und Verwaltungen heraus. Das gilt für Kriege und Massenverbrechen ebenso wie für die effiziente Verbreitung von Gütern. In dem von Dirk van Laak und Dirk Rose herausgegebenen Sammelband beschäftigen sich 17 Autoren mit den vielen Facetten des Begriffs.
Die rasante Entwicklung der Kommunikations- und Transportmedien zwischen dem 19. und 21. Jahrhundert hat die Distanz zwischen Planungsort und Tatort, Ursprung und Ziel von Interventionen beliebig gedehnt, was erhebliche Fragen hinsichtlich der Täterschaft aufwirft. „Manch ein Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein auftritt, ist erst gestern in England kapitalisiertes Kinderblut“ (Marx 1867). Der Schreibtischtäter ist ein „Untäter“, der in der Regel nie mit dem direkt konfrontiert wird, was sich seiner eigenen Planung und Organisation verdankt.

In der friedlichen Stille ihrer Büros
Wie so oft existiert der Tatbestand lange vor dem Wort, wird aber anders benannt. Karl Kraus wollte schon 1919 professorale und journalistische Kriegshetzer vor Gericht stellen, weil sich deren gedruckte Worte im Krieg „in Blut“ verwandelten. In den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurden zwar auch Männer schuldig gesprochen, die „in der friedlichen Stille ihrer Büros in den Ministerien an diesem Feldzug (…) teilgenommen hatten“. Das Wort „Schreibtischtäter“ kam in den Verhandlungen aber nicht vor, obwohl dort genau das beschrieben wurde, was der israelische Chefankläger Gideon Hausner im Eichmann-Prozess dem Angeklagten vorwarf, nämlich „das Bluthandwerk vom Schreibtisch aus“ betrieben zu haben. Hannah Arendt, Autorin des Eichmann-Essays „Report on the Banality of Evil“, sprach von „Schreibtischmördern“. Das Wort „Schreibtischtäter“ hat sie entgegen verbreiteter Meinung nie verwendet.

Organisatoren des Holocaust
Auch Raul Hilberg, der Nestor der Holocaustforschung, verwendet den Begriff in seinem Standardwerk „Die Vernichtung der europäischen Juden“ (1961) nicht. Er beschrieb jedoch sehr genau die Tätigkeit von Schreibtischtätern: „Die meisten Bürokraten verfassten Denkschriften, entwarfen Durchführungsbestimmungen, unterschrieben Briefe, telefonierten (…). Sie konnten ein ganzes Volk vernichten, ohne ihren Schreibtisch zu verlassen.“ Claus Roxin geht von der Herrschaft des Schreibtischtäters über den die Tat ausführenden Täter aus.
Nach den Recherchen von Christoph Jahr tauchte der Begriff in der deutschen Presse erst 1964 auf – drei Jahre nach dem Eichmann-Urteil. Rasch wurde er auch auf Täter aus ganz anderen historisch-politischen Verhältnissen übertragen und so zum Kampfbegriff im politischen Handgemenge.
Die Haltung deutscher Schriftsteller zum Ersten Weltkrieg behandelt Sarah Mohi-von Känel. Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal und Thomas Mann standen auf der Seite der „Papierkrieger“. Kurt Tucholsky und Karl Kraus bezichtigten diese, „durch Anpreisung fremden Heldentodes sich den eigenen zu ersparen“. Der Band verschafft einen von Sachkunde geprägten Blick auf die Geschichte eines nur vermeintlich klaren Begriffs.

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