

Glaub an Tito, halt zu Franko: Prosa nicht ohne Manko
Klaus Nüchtern in FALTER 30/2022 vom 27.07.2022 (S. 30)
Ihrem schmalen Œuvre hat die frisch designierte Staatspreisträgerin Anna Baar zuletzt noch einen schmalen Sammelband hinzugefügt: angeblich mit Erzählungen, tatsächlich auch mit Reden, Short Stories, Prosavignetten und einem Essay. Thematisch kreisen die 30 Texte der aus Zagreb gebürtigen und in Klagenfurt aufgewachsenen Autorin um die Zumutung Heimat. Dominante Figur der stärksten Stücke ist die Großmutter aus dem Land, wo man an Tito glaubte statt an den Krampus und das Christkind: "Zu trotzig, um abzutreten", hat die gottesfürchtige Kettenraucherin der sie pflichtgemäß im Altersheim besuchenden Enkelin nicht mehr allzu viel zu sagen -und bleibt für diese doch jene Person, bei der sie "mehr Kind war als sonst wo".
Wo aber Kinder sind, setzt es Ohrfeigen -etwa dafür, dass die Ich-Erzählerin bei den Olympischen Spielen in Sarajevo (1984) zu Hubert Strolz hält statt zu Jure Franko; oder für das unbedachte Absingen der jugoslawischen Hymne auf Kärntner Heimatboden, denn: "Hier leben böse Menschen, die unsere Lieder nicht mögen."
Baar ist dort am besten, wo sie ihren schelmischen, sarkastischen, mitunter auch bösen Blick unverstellt auf sich selbst und ihr Nahestehende richtet. Leider werden diese Momente von einem Hang zu hochmögender Sentenzenhaftigkeit, pseudo-poetischen Manierismen und durch eine Polemik gestört, die kaum weniger platt ist als die Klischees - "rotweißrotheile Welt der Fiaker und Zwetschgenröster und Mozartsinfonien" -, die sie zu kritisieren vorgibt. Ausgerechnet dort, wo sie sich in fraglos lauterer Intention explizit politisch äußert, überzeugt die Autorin am allerwenigsten, weil sie sich lieber selbstergriffen dem Pathos der Empörtheit überlässt, als den inkriminierten Unheilszusammenhang analytisch aufzudröseln.
Und noch eins: Den Bachmann-Stickspruch von der Wahrheit, die den Menschen, äh, dings -bitte jetzt einfach mal 30 Jahre in Ruhe lassen. Danke.