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Kurzbeschreibung des Verlags
Wie und warum wurde Depression zur Volkskrankheit? Vor dem Hintergrund einer Ideengeschichte von Melancholie und Depression entwickelt Konstantin Ingenkamp dazu eine eigene, kulturwissenschaftlich informierte Perspektive, die sich sowohl gegen die immer stärkere Pathologisierung als auch gegen die verbreitete These wendet, dass psychische Erkrankungen immer weiter zunehmen.Stattdessen wird Depression als ein zur Conditio humana gehörender Gemütszustand beleuchtet, der sich als Kehrseite des »Positiven Denkens« in den protestantischen Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts ebenso wiederfinden lässt wie als Gegenbegriff zur »mentalen Gesundheit« während des Kalten Krieges. Erst mit dem Boom der Psychopharmaka in der zeitgenössischen »Gesundheitsgesellschaft«, so zeigt der Autor, wird die Depression zur Volkskrankheit.
Depressionen nehmen zu. Und sind die Folge eines modernen Lebens, das immer weniger auf Disziplin und Gehorsam und immer mehr auf Eigeninitiative und Entscheidung beruht. Das macht müde, konstatierte schon Alain Ehrenberg in seiner einflussreichen Studie "Das erschöpfte Selbst" (1998, dt. 2004). Konstantin Ingenkamp hat gegen eine solche Sicht viele Einwände: Depression und Melancholie habe es immer schon gegeben, sie seien notwendiger Begleiter des "zivilisierten Menschen".
Im Gegensatz zu anderen Krankheiten wird Depression nicht durch Krankheitserreger hervorgerufen, auch eine genetische Disposition kann bis heute nur vermutet werden. Da ihre Biologie immer noch nicht verstanden ist, stellt sie vorerst bloß die Summe ihrer im Vorfeld von Fachleuten willkürlich definierten Symptome dar, eine therapeutische Erzählung zur Patienten- und Klientengewinnung sowie zur Gewinnmaximierung.
Ingenkamp rollt das bis zur Aufklärung eher positive Bild der Melancholie von der Antike her auf. Den Ursprung ihrer Problematisierung findet er in der Geschichte des positiven Denkens und der evangelikalen Mental-Health-Bewegung in den USA und der zeitgleichen Entstehung der Pharmaindustrie und der Massenmedien. Traurigkeit und Frustration gelten nunmehr als pathologisch – und werden medikamentös bekämpft.
So gesehen ist Depression eine neoliberale Idee. "Sie ist die Volkskrankheit einer Gesellschaft des verordneten positiven Denkens." Aber Ingenkamp sieht die "Volkskrankeit" auch als Ergebnis des Kalten Krieges, in dem Mental-Health-Ideologie und positives Denken als Alternative zum Kommunismus ausgearbeitet wurden.
Als Leiter der Selbsthilfekontaktstelle Berlin Friedrichshain-Kreuzberg stellt der Autor ein rasantes Zunehmen von Selbsthilfegruppen zur Depression von zehn im Jahr 2000 auf 114 zu Beginn 2011 fest. Auch diesem Trend will sein Buch entgegenwirken; denn wenn sich mehrere Depressive gegenseitig bespiegeln, heißt das nicht, dass es ihnen nachher besser geht. Statt gegenseitigen Krankredens empfiehlt Ingenkamp eine "Wiederentdeckung der ermöglichenden, schöpferischen Melancholie".