

Auf Feldforschung im unabhängigen Südsudan
Thomas Schmidinger in FALTER 42/2021 vom 20.10.2021 (S. 24)
Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit des Südsudan erschien nun die erste deutschsprachige Monografie über diesen jüngsten Staat Afrikas, der gleich nach seiner Unabhängigkeit in einen zunehmend ethnisierten Bürgerkrieg versank. Dem Politikwissenschaftler Jan Pospisil gelingt es dabei, die für Außenstehende sehr komplexe und verwirrende Vorgeschichte und Geschichte des Staates auf eine Weise zu erzählen, die bei echtem Interesse auch für ein breiteres Publikum verständlich sein kann. Grundlage dafür war der Mut, das bereits im Buchtitel als fragmentiert beschriebene Land ebenfalls fragmentarisch zu beschreiben und die Lücken zu riskieren.
Pospisil schildert die wesentlichen Stationen der kolonialen Geschichte, des Sklavenhandels und des jahrzehntelangen Kampfes südsudanesischer bewaffneter Befreiungsbewegungen gegen die Herrschaft der nordsudanesischen Eliten in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum, verzichtet aber oft auf Details, wo diese zum Verständnis des Konfliktes nicht notwendig sind.
Dort, wo der Autor in Details abschweift, sind diese allerdings oft auch unglaublich interessant und man möchte sofort mehr zu diesen Nebengeschichten wissen. Dass etwa ein österreichischer Nazi namens Henerick (Heinrich) Rossi im ersten südsudanesischen Sezessionskrieg 1956–1972 die Führung der Anya-Nya-Guerillabewegung beraten hatte, mag vielleicht für die Geschichte des Südsudan weniger wichtig sein, für die österreichischen Leser ist es aber umso spannender.
Der Schwerpunkt des Buches liegt dann aber in der Zeit nach der Unabhängigkeit des Südsudan im Sommer 2011, wobei er diese Geschichte weniger chronologisch als thematisch erzählt. Große Themenbereiche sind der politische Marktplatz, die Ethnopolitik und (De-)Marginalisierung. Kritik wird dabei nicht nur an den südsudanesischen Eliten geübt, sondern auch an internationalen Akteuren und vorgeblichen humanitären Aktivisten wie George Clooney, der nicht nur seine „wild nights“ im Südsudan verbracht hatte, sondern auch zu einem der wichtigsten internationalen Behübscher des Images der südsudanesischen Regierung unter Salva Kiir wurde.
Das von Clooney gezeichnete Bild, das einen wesentlichen Beitrag dazu leistete, die linksliberale, sprich demokratische, Öffentlichkeit der USA 2011 auf Pro-Unabhängigkeit und Pro-Kiir einzuschwören, war von einer Dichotomie zwischen Gut und Böse geprägt. Aber: „Diese Rollen können tauschen. Und jene, die solchen polarisierenden Zuschreibungen anhängen, sei es aus Unkenntnis, sei es aus politischen Präferenzen, sind mitunter gezwungen, erstaunliche Pirouetten zu vollziehen. Diese sind allzu oft eng mit persönlichen Befindlichkeiten wie Eitelkeit und Enttäuschung verbunden.“
Pospisils Buch schlägt hier völlig andere Töne an. Hier gibt es kein Schwarz-Weiß-Denken. Vielmehr versucht der Autor, die Entwicklung und das Handeln der einzelnen Akteure strukturell nachvollziehbar zu machen.
Was das Buch dabei sympathisch macht, ist, dass trotz eines sehr kritischen Blickes immer wieder die Sympathie für die Region und ihre Menschen sichtbar wird, eine Sympathie, wie sie nur aus langjähriger aktiver Begegnung mit den Menschen des Südsudan resultieren kann. Die Dichte an empirischen Beschreibungen, die sichtlich aus langjähriger Feldforschung in der Region, aber auch mit südsudanesischen Kollegen resultiert, ermöglicht hier einige wirklich einmalige Einblicke in einen Staat, der zwar vor zehn Jahren viel Beachtung gefunden hat, allerdings seither immer mehr in Vergessenheit geraten ist.