

Kirstin Breitenfellner in FALTER 23/2024 vom 07.06.2024 (S. 30)
Da Jugendliche im Sommer Zeit haben zu lesen, schenkt man ihnen für die Ferien gerne Bücher. Und die handeln meistens vom Sommer. Ist ja auch logisch, denn im Sommer haben sie auch die Gelegenheit, das Leben abseits der Schule kennenzulernen.
Zu Beginn von Magdalena Ahrers Jugendromandebüt "Limettensommer", dem letzten Schultag vor den Ferien, verabschiedet sich die Icherzählerin, die 15-jährige Ophelia, von ihren "halbherzigen Freundinnen". Ophelia weiß, dass sie sie im Sommer nicht kontaktieren und auch von ihnen nichts hören wird. In der österreichischen Kleinstadt, in der das schüchterne Mädchen lebt, scheint Langweile programmiert zu sein. Aber es kommt anders. Denn Ophelia stößt auf einen sympathischen Second-Hand-und Antiquitäten-Laden namens Madame Temperley's, der eine Aushilfe sucht.
Marilyn Temperley ist eine sympathische ältere Dame, die früher in London gelebt hat. Ophelia liebt Gegenstände, die Geschichten erzählen, und britisches Flair sowieso. Die Arbeit im Geschäft macht Ophelia Spaß -und lenkt sie von ihrem Ärger mit ihrer Patchworkfamilie ab, namentlich der neuen Frau ihres Vaters, Cecilia. Auch neue Freunde lernt sie hier kennen, Finn sowie Marilyns Enkelin Rosalie.
Zwischen dem rätselhaften, launischen Mädchen mit den titelgebenden limettengrünen Augen und der Icherzählerin bahnt sich unübersehbar eine Beziehung an, die allerdings alles andere als unkompliziert ist. Womöglich ist das der Grund, warum die Autorin ein "Vielleicht" hinter den Untertitel "Eine Liebesgeschichte" gesetzt hat. Aber welche Beziehung ist schon unkompliziert?
"Ich glaube, ich habe es nicht so mit Gefühlen. Zumindest nicht damit, sie anderen mitzuteilen", sagt Ophelia zu Beginn des Buches. Auch das ist ein Grund, warum ihre Annäherung an Rosalie von Missverständnissen geprägt wird. Am Schluss steht die Erkenntnis, dass es Gefühle gibt, "die nicht in ein paar Buchstaben hineinpassen". Trotzdem braucht Ophelia ihre Zeit, um sich ihrer Beziehung zu Rosalie sicher zu werden. Dazwischen klärt sie auch das Verhältnis zu Cecilia und ihren Eltern.
Dabei wird sich vielleicht ein wenig zu oft entschuldigt. Ein Jugendroman soll jedenfalls, auch wenn er einen persönlichen Entwicklungsprozess darstellt, vermeiden, wie ein pädagogisches Lehrbuch zu klingen. Auch sind Liebesgeschichten zwischen Mädchen im Jugendbuch derzeit nicht gerade unterrepräsentiert. Aber wenn sie so anmutig und stimmig, so traumwandlerisch sicher erzählt sind wie bei der 2004 in Oberösterreich geborenen Magdalena Ahrer, die mit "Limettensommer" eine beachtliche Talentprobe abgegeben hat, könnte man sich davon auch ruhig noch mehr gefallen lassen.