

Der Schlachthof des Oligarchen
Wolfgang Zwander in FALTER 49/2013 vom 06.12.2013 (S. 20)
Wie das Geld eines dubiosen Ex-Geheimdienstchefs in ein Prestigeprojekt der Stadt Wien floss
Wo die Wiener früher ihre Tiere schlachten ließen, tummeln sich heute Journalisten und Medienleute. Und wer wissen will, warum das Media Quarter Marx 3 (MQM3), das 35.000 Quadratmeter große Medienzentrum auf dem alten Schlachthofgelände, heute in einem Satz mit blutigen Kapitalverbrechen genannt wird, stößt auf eine skurrile Geschichte.
Die Geschichte beginnt beim Kasachen Rakhat Aliyev. Er ist reich und war in Österreich lange ein gerngesehener Gast. In seiner rohstoffreichen Heimat war er Vize-Außenminister, Vize-Geheimdienstchef und ein Wirtschaftsmogul. Und er war der Schwiegersohn von Nursultan Nasarbajew, dem Präsidenten Kasachstans.
Als sich das Verhältnis zwischen ihm und Nasarbajew abkühlte, wurde Aliyev 2002 als kasachischer Botschafter nach Wien entsandt.
In Wien baute er sich ein mächtiges Netzwerk auf, sogar im Verein der Freunde der Wiener Polizei saß Aliyev. Dort traf er Adolf Wala, einen Strippenzieher, der einmal Chef der Nationalbank war und heute der Chef der Fimbag ist. Die verwaltet die Beteiligungen der Republik am Finanzmarkt.
Wala, der aus seinem guten Kontakt zu Aliyev kein Geheimnis macht, ist die zweite Station in dieser Geschichte. Im Jahr 2005 beschließt die Wirtschaftsagentur Wien, ein städtischer Fonds, auf den alten Schlachthofgründen in St. Marx ein Medienzentrum zu entwickeln.
Die Stadt sucht dafür einen privaten Partner, verzichtet, gesetzeskonform, auf eine Ausschreibung, verhandelt erfolglos mit Firmen wie Porr und Prisma, bis Ex-Nationalbanker Wala erscheint, der mit Investoren in das Projekt einsteigt.
Für die privat-öffentliche Zusammenarbeit wird 2007 die MQM Errichtungs- und Verwertungs-GmbH gegründet, die der Wirtschaftsagentur Wien die St.-Marx-Liegenschaft für 7,1 Millionen Euro abkauft. Der Deal wurde mittlerweile vom Rechnungshof geprüft und als korrekt bewertet. Wala und Partner halten über die Firma VBM 60 Prozent an der MQM, die Stadt Wien über ihre Technologieagentur ZIT 40 Prozent. Die VBM stellte 6,8 Millionen Euro Eigenkapital, die ZIT 4,52 Millionen; gemeinsam nahm man einen Kredit in der Höhe von 48,5 Millionen auf. Das Projekt entwickelte sich zu einem Erfolg, Wiener Zeitung und ProSiebenSat.1-Puls 4-Gruppe residieren mittlerweile im MQM3.
Die Gesellschafter der VBM waren neben Wala die österreichischen Geschäftsmänner Christian Bodizs und Andreas Lenzinger. Als Wala 2010 Chef der Fimbag wurde, trat er seinen Anteil an Lenzinger ab. Über Details wird geschwiegen, denn hinter der VBM steht größtenteils weder Wala noch Bodizs oder Lenzinger, sondern mit 85 Prozent die A.V. Maximus Holding. Sie gehört Aliyevs Frau Elnara Shorazova, von der auch die 6,8 Millionen Euro Eigenkapital stammen. Über seine Familie hält Aliyev also mehr als die Hälfte am MQM.
Das führt zur dritten Station dieser Geschichte: Astana, Hauptstadt Kasachstans. Seit Februar 2007 wird Aliyev von der kasachischen Regierung vorgeworfen, den Mord an zwei kasachischen Bankmanagern in Auftrag gegeben zu haben. Der bereits lang schwelende Konflikt mit dem milliardenschweren Präsidenten findet seit damals auf internationaler Bühne statt. Die beiden bezichtigen sich gegenseitig schwerster Verbrechen und beschäftigen Anwälte, Lobbyisten, Politiker und Polizisten.
Aliyev wurde 2007 in Österreich verhaftet, kam aber nach zwei Tagen wieder frei. Die österreichischen Behörden lehnten seine Auslieferung nach Kasachstan mit dem Grund ab, er könne dort mit keinem rechtsstaatlichen Verfahren rechnen. Seit 2011 ermittelt die Wiener Staatsanwaltschaft wegen Mordes gegen Aliyev, zu diesem Zeitpunkt hatte sich dieser aber bereits nach Malta abgesetzt.
Die vierte Station dieser Geschichte führt in die Wiener Stadtpolitik. Seit Aliyev zur Persona non grata geworden ist, tobt im Rathaus die blaue und schwarze Opposition gegen den Deal mit dem "dubiosen Ex-Botschafter", der zudem der Geldwäsche verdächtigt wird. Die zuständige Stadträtin Renate Brauner (SPÖ) versichert, die Stadt habe nichts von Aliyev gewusst, man habe das Geschäft mit Wala gemacht.
Wala bestätigt gegenüber dem Falter Brauners Aussage: "Das Geschäft war ein Investment für die Firma von Aliyevs Frau; mit Aliyev hatte das nichts zu tun." Aliyev selbst meldete sich aus dem Exil zu Wort und behauptete in seinem Buch, er habe mit Brauner über den Deal gesprochen, und zwar bei einem Eishockeymatch in Wien.
Bleibt die Frage, ob der Steuerzahler bei dem Deal zu Schaden gekommen ist. Der Rechnungshof wollte die MQM prüfen; die städtische ZIT lieferte alle ihre Unterlagen, doch der 60-Prozent-Partner VBM weigerte sich, alle Akten ungeschwärzt vorzulegen. Nun muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden, ob das rechtens ist.
Die Rathausopposition stört vor allem eine 2010 aufgesetzte Klausel, die es der VBM noch knapp vier Wochen lang (bis Ende 2013) erlaubt, den MQM-Anteil der Stadt Wien von 40 Prozent für einen Fixpreis von 5,2 Millionen Euro zu kaufen, inklusive Kreditverpflichtung.
Viel zu günstig, tobt die Opposition. Wirtschaftsagentur-Sprecherin Ursula Kainz beruhigt, das stimme nicht, der Preis sei fair berechnet, die Aliyev-Diskussion würde dem Projekt nur schaden: "Wenn es sich um ein Schnäppchen handeln würde, hätte die VBM von ihrer Kaufklausel doch längst Gebrauch gemacht."