

Neigungsgruppe Liebe, Gewalt und keine Kohle
Sebastian Fasthuber in FALTER 14/2010 vom 09.04.2010 (S. 26)
So hart wie Hartz IV: André Pilz' Roman "Man Down" kennt keine Scheu vor Kitsch und Klischees, packt einen aber dennoch
"I want to fuck you like an animal", konstatierte Trent Reznor von der Industrial-Rockband Nine Inch Nails auf dem Album "The Downward Spiral". "You can have my isolation / You can have the hate that it brings."
Ficken, nicht etwa aus Spaß, sondern um irgendetwas anderes zu spüren als den Schmerz oder die Leere, die einen erfüllt. Wie es einem mitunter eben ergeht, wenn man zwischen der Postpubertät und den mittleren Zwanzigern männlich und frustriert ist.
Die alten Songs der Nine Inch Nails passen zu André Pilz' Roman "Man Down" wie die Faust aufs Auge. Von einer Pistole heißt es dort einmal: "Ich werde dieses verdammte Eisen nehmen, es dieser Scheißwelt in den Arsch stecken und abdrücken."
Der deutsch-österreichische Autor (Jg. 1972) ist über seine Erlebnisse als Fußballfan in Innsbruck zum Schreiben gekommen. Seine Beobachtungen der Hooliganszene führten zu dem Debütroman "No llores, mi querida – Weine nicht, mein Schatz" (2005), der Pilz in Internetforen zum Kultautor machte.
Auch "Man Down", mit dem er nun beim Haymon-Verlag untergekommen ist, präsentiert ein Gesellschaftsszenario aus der Pflastersteinperspektive. Der Held heißt Kai, ist 25, lebt im Münchener Außenbezirk Giesing und befindet sich seit einem Arbeitsunfall und einer schlecht heilenden Verletzung in einer konstanten Abwärtsspirale, die durch eine Diät aus Schmerzmitteln, Joints und Hochprozentigem nicht gerade gebremst wird. Statt Sex gibt es nur noch Pornofotos, die auf dem Bildschirm seines antiken Laptops aufleuchten. Vorerst zumindest.
Obwohl er nichts lieber tun würde, als wieder an der frischen Luft zu arbeiten, kann Kai seinen Job als Dachdecker ebenso abschreiben wie den noch ausständigen Lohn, da sein windiger Arbeitgeber Konkurs angemeldet hat.
Für die Übergangszeit, die schon längst wieder vorbei sein sollte, hat sich der Hartz-IV-Empfänger bei den zwielichtigen Brüdern seines türkischen Kumpels Shane Geld ausgeliehen. Geld, das diese nun zurückhaben wollen.
Es kommt, wie es kommen muss: Kai lässt sich als Drogenkurier einsetzen. Aus der Schweiz bringt er mit dem Zug Laptoptaschen voller Gras und bald auch Kokain nach München, die für die Partys in einem wüsten Studentenheim gebraucht werden. Und natürlich kommt es im Zuge dieser Lieferungen bald zu Komplikationen.
Die schöne, mysteriöse Marion erscheint Kai in seiner misslichen Lage wie eine Retterin. Mehr als ein Fitzelchen Glück – und guter Sex – ist dem ungleichen Paar aber nicht vergönnt. Auch Marion hat ihre Schattenseiten: Man kann sie im Internet als Prostituierte buchen.
Die Adresse des von André Pilz geführten Blog lautet www.liebeundgewalt.blogspot.com, und genau um diese Pole kreist auch sein Roman. Präsenter ist meist die Gewalt. Kaum eine Figur in "Man Down", die nicht einen Verwandten hätte, der schon wegen irgendeines Deliktes gesessen hätte. "Besser in Stadelheim mit Kohle als in Giesing pleite", bringt Shane, der als eine Art Mentor über Kai wacht, das Motto der Crew auf den Punkt.
Die Sympathie des Autors für seine Figuren ist offenkundig: Böse ist hier in erster Linie eine Gesellschaft, die jungen, nicht besonders qualifizierten Leuten außer Rumgammeln und Kleinkriminalität nicht viel zu bieten hat. Böse sind zweitens die Nazis, die Kai überall auflauern. Und böse sind drittens Konzerne und Unternehmer, die Menschen ins Unglück stürzen.
Die Sogwirkung von "Man Down" ist beträchtlich. Aber so direkt und packend der Roman auch ist, so abträglich ist ihm die mitunter recht klischeehafte Schwarzweißmalerei. Und wo es einmal nicht hart zur Sache geht, wird es – zumal in den Schilderungen von Liebesdingen – schnell kitschig.
Was den Plot anbelangt, macht Pilz nicht so bald jemand was vor. Am Fine-Tuning aber muss er noch arbeiten.
Lesung am 14.4., 19 Uhr in der Thalia-Buchhandlung (6., Mariahilferstraße 99)