Der Geist von San Francisco

Verstreut publizierte und nachgelassene Texte
260 Seiten, Taschenbuch, ab 16 Jahre
€ 32
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ISBN 9783854154709
Erscheinungsdatum 20.08.2011
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Ritter Klagenfurt
Empf. Lesealter ab 16 Jahre
Herausgegeben von Thomas Antonic
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Kurzbeschreibung des Verlags

Der Band illustriert einerseits die Vielfalt von Wolfgang Bauers (1941-2005) Werken aus dem Nachlass: frühe Einakter, Hörspiele sowie "Mikrotexte" sind eindrucksvolle Belege von Bauers Experimentierfreude im Umgang mit diversen Gattungen bereits vor den Mikrodramen (1964); und auch unter den späteren Nachlasstexten finden sich überaus originelle Beispiele formreflexiver Literatur: Gedichte von kalkuliert „schrägem“Pathos ebenso wie das Libretto zur Kurzoper Das gestohlene Herz.Andrerseits macht der Band verstreut veröffentlichte Texte aus mehreren Jahrzehnten wieder zugänglich: den Einakter Noch ein letztes Mal, Kurzprosa, Essays zur Dichtkunst, zum Jazz oder zur Wiener Theaterszene, ein fiktives Interview mit Martin Kippenberger, das Mikrodrama Der Tod des H. C. Artmann oder die Erzählung Der Geist von San Francisco, in der sich ein kalifornischer Kriminalautor auf den Weg nach Wien macht, um seinen Doppelgänger ausfindig zu machen. In Summe stellt das Buch die brillante Komplettierung eines einzigartigen Werks dar, in dem sich auf die glücklichste Weise unbändige Phantasie und Heiterkeit mit konzeptioneller Stringenz vereint.

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ISBN 9783854154709
Erscheinungsdatum 20.08.2011
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FALTER-Rezension

Die Magie des Nachmittags

Wolfgang Kralicek in FALTER 47/2011 vom 23.11.2011 (S. 34)

Déjà-vus und andere Abenteuer: ein Band mit unbekannten Texten von Wolfgang Bauer

Zu Wolfgang Bauer fällt einem als Erstes der Stücktitel "Magic Afternoon" ein. Als zweites Graz, die Heimat des 2005 verstorbenen Dramatikers. Und dann gleich der Exzess, das mit Graz und seinen Dichtern in den 60er- und 70er-Jahren untrennbar verbundene Lebensprinzip.
Als 1988 der Grazer Theaterregisseur Horst Zankl starb – er hatte einst die Uraufführung von "Magic Afternoon" inszeniert –, schrieb Bauer für das deutsche Magazin Theater heute einen Nachruf. "Zu Zankls Begräbnis in Graz erschienen zahlreiche gute Freunde aus der Theaterwelt. In der Feuerhalle wurde eines seiner heiteren Lieblingslieder gesungen. Die Sonne schien plötzlich grell in den nüchternen Raum. Nach der Verabschiedung trank ich mit Alfred Kolleritsch eine Flasche Obstler. Ich wurde in eine Rauferei verwickelt und landete für ein paar Stunden in einer Zelle des Grazer Polizeigefängnisses. Es war wie eine unbewusste Sympathiekundgebung für Horst Zankl, dem ich viel zu verdanken habe."
In diesen paar Zeilen ist alles drin, was Wolfgang Bauer ausmacht: ein magischer Nachmittag in Graz, gefolgt von einer Eskapade mit tieferer Bedeutung. Der Nachruf ist nur einer von über 60 "verstreut publizierten und nachgelassenen Texten", die in dem neuen Bauer-Band "Der Geist von San Francisco" versammelt sind. Das im Ritter-Verlag erschienene und von dem Germanisten Thomas Antonic herausgegebene Buch ist eine wichtige Ergänzung zur Gesamtausgabe des Droschl-Verlags.
Der überwiegende Teil von Bauers Nachlass befindet sich im Besitz der Wienbibliothek im Rathaus, die diesen noch zu Lebzeiten das Autors (als "Vorlass") angekauft hat; den Rest verwalten Bauers Witwe Adelheid und Bauers Sohn Jack in Graz. Weitere Veröffentlichungen sind geplant, langfristig steht auch die Herausgabe einer kritischen Werkausgabe an.

"Der Geist von San Francisco" enthält unter anderem ein Hörspiel, aus verschiedenen Anlässen geschriebene Hommagen an befreundete Künstler (Joe Berger, Gunter Falk, Franz Ringel), Skizzen und Zeitschriftenbeiträge. Die ältesten Texte stammen aus den frühen 60er-Jahren und waren bisher unveröffentlicht.
Darunter befinden sich absurde Dramolette, die auf die legendä­ren "Mikrodramen" verweisen, aber auch sprachkritische Fragmente. Leseprobe: "Das Wort ‚Haus' ist eine immer wiederholte Reaktion von Lunge, Kehlkopf und Mund auf Sinneseindrücke, die eigentlich immer anders sind. (Kein ‚Haus' gleicht jemals einem anderen, weder der Laut noch der Sinneseindruck.)"
In einem 1993 für die Schule für Dichtung verfassten Text schildert Bauer ein Erweckungserlebnis, das er bereits mit zehn Jahren auf dem Heimweg von der Schule hatte. Es schneite, und der kleine Bauer blickte in die von einer Straßenlaterne illuminierten Schneeflocken und ließ sie auf sein Gesicht fallen. "Ich dachte an nichts, und gerade deshalb hatte ich ein kurz andauerndes Gefühl, das ich erst viel später als sogenanntes ‚Weltgefühl' bezeichnen konnte. Ich war auf einmal alles. Ich ging nach Hause, packte meine Schultasche aus und schrieb erstmals ein Gedicht."

Es ist kein Zufall, dass im Titel von
Bauers bekanntestem Stück das Wort "magic" steht. So wie er in seinen Dramen immer wieder mit Traumebenen experimentierte, so war er auch im Leben von Phänomenen fasziniert, die die gewohnte Zeit-Raum-Kontinuität infrage stellten. Das Déjà-vu war sein Biotop, bereitwillig gab sich
Bauer der Magie des Zufalls hin.
Auf einer seiner USA-Reisen wurde Bauer einmal von einem Fremden umarmt, der ihn mit einem Freund verwechselte; er sah diesem offenbar dermaßen ähnlich, dass er einige Zeit brauchte, um den Fremden von seinem Irrtum zu überzeugen. Bauer schildert diese Anekdote in zwei verschiedenen Texten (übrigens mit jeweils verschiedenen Zeit- und Ortsangaben) und verwertet sie in der titelgebenden Erzählung "Der Geist von San Francisco" auch literarisch. Die Story handelt von einem amerikanischen Drehbuchautor, der von einem Wiener auf der Straße verwechselt wird – und daraufhin beschließt, in Wien seinen Doppelgänger zu suchen. Die Spur führt ins Café Hawelka.
Für den Katalog der von ihm mitkuratierten Landesausstellung "Sport. Sinn & Wahn" 1991 schrieb Bauer einen Essay, in dem er über die Gemeinsamkeiten von Sport und Kunst philosophiert. Darin versetzt er sich in die Situation eines Kampfstiers, der gerade die Arena betritt. "Er betrachtet das Publikum, schnaubt nach links und nach rechts. In diesem, von außen betrachtet, großen ästhetischen Augenblick, vergisst der Stier den Tod. ‚Die wollen eine Geschichte von mir', denkt er. ‚Die wollen eine kurze Geschichte, die so ausschaut wie ihr ganzes Leben. Die wollen ein Ersatzleben inhalieren, und ich muss es ihnen vorspielen!'" Zweifellos hat Wolfgang Bauer sich zeitlebens mit diesem Stier identifiziert.
Andere Texte sind purer Nonsens. Das deutsche Satiremagazin Pardon belieferte er mit "Wolfis kleinem Witzführer" (1967/68), nach dem Einsturz einer Murbrücke skizzierte er für die Steirer-Krone 1975 ein kindisches Katastrophenfilm-Treatment mit Liz Taylor und Richard Burton. Für eine Lesung im Grazer Theatercafé (um 1979) verwandelte er Coppolas Vietnamfilm "Apocalypse Now" in ein Langgedicht, und einem fiktiven Interview mit dem Maler Martin Kippenberger von 1997 ist hauptsächlich zu entnehmen, dass die beiden Herren wohl manch heitere Stunde zusammen verbracht haben.

Die schönste Anekdote im Buch findet sich in einem Text, den Bauer für das Programmheft zu seinem Stück "Ach, armer Orpheus!" (1991) im Wiener Schauspielhaus geschrieben hat. Am Tag nach der Uraufführung von "Magic Afternoon" 1968 in Hannover unternahm Bauer mit Peter Handke, dessen Frau Libgart Schwarz und einem weiteren Schauspieler, Hermann Treusch, einen Ausflug ins Umland.
Treusch hatte "König Lear" dabei, und als die Wanderer auf einem Bauernhof Rast machten, riss Bauer das Buch an sich. "Ich schlug die ‚Gewitterszene' auf und schmetterte sie inmitten dieser ländlichen Tierwelt hinaus; und wirklich, die Tiere standen alle still und lauschten andächtig Shakespeares Worten."
Wieder einmal hatte Wolfgang Bauer einen magischen Nachmittag erlebt. "Erst als ich geendet hatte, begannen sie wieder zu gackern und zu meckern, was einem Applaus nicht unähnlich war."

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