Was verschweigt die schwarze Witwe?

Schrift-, Sprech- und Bildanagramme
88 Seiten, Taschenbuch
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Reihe Essays
ISBN 9783854206552
Erscheinungsdatum 01.03.2004
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Literaturverlag Droschl
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HerstellerangabenAnzeigen
Literaturverlag Droschl
Stenggstraße 33 | AT-8043 Graz
office@droschl.com
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Kurzbeschreibung des Verlags

Als Anagramm im strengen Sinn bezeichnet man die Umstellung der Buchstaben einer kurzen Textvorlage, meist eines Satzes, zu einer neuen Wortfolge, wobei kein Buchstabe fehlen oder überzählig sein darf. Beim vergleichenden Lesen ist die korrekte Erfüllung dieses Prinzips überprüfbar. Beim bloßen Hören allerdings nicht. Tatsächlich weicht das gesprochene Anagramm vom geschriebenen mehr oder weniger stark ab. Zwischen Orthographie und Aussprache besteht zumeist eine Diskrepanz, die – gewohnheitsbedingt – den meisten Lesern kaum bewußt wird, da sie unterschwellig stets auch den Sprachklang mitdenken. Bei einer strengen literarischen Disziplin wie dem Anagramm tritt diese Diskrepanz beim Vortrag besonders auffällig in Erscheinung. Gerhard Rühm stellt den visuell geprägten ›leseanagrammen‹ spezifisch auditive ›sprechanagramme‹ an die Seite, ›schlagzeilen‹ und ›sprichwörter‹.

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ISBN 9783854206552
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FALTER-Rezension

Erich Klein in FALTER 23/2004 vom 04.06.2004 (S. 60)

Avanti Anagramm! Gerhard Rühm und Brigitta Falkner üben sich in der hohen Kunst der Wortverdrehung.

"Mag er ruh? Dreh
Uhr gerad. Mehr
Grad ehre. Ruhm."

Das heißt und ist: Gerhard Rühm. Der 1930 in Wien geborene Altmeister und Archivar der legendären "Wiener Gruppe" anagrammatisiert von ihm selbst. Wie in zahlreichen Büchern geht es auch in "Was verschweigt die schwarze Witwe?" um Schwarzhumoriges, Frivoles, die kleinen und großen Perversionen, die - zwischen Buchstaben versteckt - den Bodensatz alles Kreativen darstellen.

Gerhard Rühm treibt es anagrammtisch. Zur Erinnerung: Ein Anagramm ist die Umstellung der Buchstaben einer Textvorlage, meist eines Satzes, zu einer neuen Wortfolge, wobei kein Buchstabe fehlen oder überzählig sein darf. Mit der dafür notwendigen Portion an Gehirnakrobatik geben Schlagzeilen, Sprichwörter und Namen einen anderen, "tieferen" Sinn preis. In der Volksweisheit "Wo's brauch ist, legt man die kuh ins bett" steckt etwa: "Will die braut kunstbisse, koche dämmertassen."

Ob die anagrammatische Arbeit tatsächlich etwas anderes als der eines "vergnüglichen gesellschafts- beziehungsweise einsiedlerspiels" ist und ob der Hinweis auf Kabbala und Kombinatorik des genetischen Codes als geistesgeschichtliche Rahmenbedingungen des Anagrammierens angebracht sind - das sei dahingestellt. Rühm jedenfalls bemerkt über seine "anagrammtischen exegese der zehn gebote": "für aufgeklärte zeitgenossen hat die kunst die transzendierende funktion der religion übernommen". Rühms zweites Gebot - "du sollst den tag des herrn heiligen" - lautete. "geil nest rund, also dehn glied sehr." Am deutlichsten tritt das sexualisierte Unterfutter der Sprache (respektive ihres Performers) in den so genannten Bildanagrammen zutage: zerschnipselte pornografische Frauenfotos - "in anspielung auf die selbstbezüglichkeit des anagrammes vorwiegend autoerotisches bildmaterial" - geschmackvoll montiert.

Auch wenn das Wort "Wichse" mehrmals vorkommt - derart selbstgenügsame Opulenz ist die Sache der 1959 in Wien geborenen Brigtitta Falkner nicht. In "Bunte Tuben", Falkners viertem Buch, einem vierzig Seiten langen, an literarischer Radikalität kaum überbietbaren Anagramm, kommen weder die Gefahr der Selbstbefleckung noch der Objektwahl auf. Was sich als Geschichte zweier Tuben zur vollen Fülle entfaltet, ist ein Spiel fast sinnentleerter Zeichen. "Zwei Tuben: Ident: Zwei bedeutende Nichtse."

"Rechts die dünne wurde benutzt" - die schönen Wörtchen indes benutzt DU DICHTER." schreibt Falkner und "illustriert" ihren Text mit zwölf "selbstklebenden Sammelbildern" von Klebstofftuben. Was sind Tuben? "Eine Wunschtube? Zwo Stunden brüten: die zu Buchseiten werdende Not."

Anagramme, so wie sie Brigitta Falkner verwendet, setzen ein hohes Mass an Vertrauen in die Sprache und ein Höchstmaß an Misstrauen in Sinn voraus. Dass es ihr gelingt, beide Momente gegeneinander auszuspielen und stellenweise derart ratlos zu machen, dass man sich der Frage: "War das jetzt alles?" tatsächlich nicht mehr entziehen kann, um dann dennoch weiterzulesen, ist eine beachtliche Leistung. Die noch größere dieser vielleicht originärsten zeitgenössischen Dichtung in deutscher Sprache besteht darin, dem Unsagbaren, um das es in Dichtung geht, eine neuen Namen zu geben: Bunte tuben. Oder weiß jemand, worum es bei Hölderlins "Schweigen wie goldgekocht" oder Rilkes "Rose o reiner Widerspruch - Lust niemandes Schlaf zu sein" tatsächlich geht? Wer von Gedichten etwas Lyrisches erwartet, dem sollte, daran hat schon Ossip Mandelstam erinnert, sofort ein Knüppel übergezogen werden. Brigitta Falkner tut das auf ziemlich vehemente und zielsichere Weise: Bunte Tuben tun weh!

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

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