

Ulrich Rüdenauer in FALTER 22/2010 vom 04.06.2010 (S. 21)
Wir sind Zeitspeicher. Nicht nur die früheren Ichs, aus denen sich unser jetziges Bewusstsein entwickelt hat, sind in uns aufbewahrt, auch die Vorzeit hat sich in uns abgelagert. Das ist vielleicht das zentrale Thema der Literatur überhaupt, ganz gewiss aber jenes von Olga Martynovas Roman "Sogar Papageien überleben uns". Die Autorin, 1962 in Sibirien geboren, in Leningrad aufgewachsen, in Frankfurt lebend, hat ein Buch geschrieben, das die Zeitschichten offenlegt.
Die Hauptfigur Marina befindet sich auf einer Vortragsreise in Deutschland und auf einer Odyssee durch die wechselvollen Zeiten vor allem der russischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Schwerelos und gleichwohl mit einer erdenden Melancholie erzählt sie in kleinen Splittern von ganz alten Zeiten und Dichtern, von ihrer Jugend und den Freunden, mit denen sie abenteuerliche Reisen unternimmt und sich poetische Lebensfragen stellt. Und sie erzählt von Andreas, in den sie einst verliebt war und den sie nun wiedertrifft. Die Geschichte nämlich hört niemals auf.